Der Hundeflüsterer - der Hunderter

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Der „Unverwüstliche“, radelte noch mit 95 Jahren! -

Was sich liebt, das neckt sich. Wir erwischen Paul Gajewski beim Frühstück. Vor ihm locken zwei Brötchen-Hälften, gut geschmiert mit Marmelade und Leberwurst. Herzliche Umarmung zunächst von Sohn Peter. Dann der herzhafte Brötchen-Biss. Stille. „Sag mal was, Vatter! Oder bist du noch am Pennen?“ „Ich gib dir gleich – noch am Pennen…!“ Zack, weg hat der 67-jährige Sohn Peter sein Fett vom humorigen Vater, der seit 100 Jahren nicht auf den Mund gefallen ist.

1912: Die Titanic-Schiffskatastrophe: Von 2228 Menschen überlebten lediglich 705. In Deutschland übt am 9. Januar 1912 in Essen ein strammer Bursche, Paul Gajewski, seinen ersten Schrei. Wer wetterte damals von Umweltverschmutzung? Jedenfalls bekam Klein-Paulchen die Luft in Essen-Altendorf, am Röntgenplatz, vorzüglich. Dort fühlte er sich richtig wohl. Ja, im Haus wohnte nicht nur Familie Gajewski sondern auch Familie Stümpeler. Sie ahnen was? Richtig. Schon als Frühreifer verliebte sich Paul in Jung-Elisabeth Stümpeler. Was er an ihr mochte? „Alles. Ihre Schönheit. Ihre tollen Beine. Ihr Wesen war prima. Ich konnte von ihr alles haben.“ Jetzt punktet Peter: „Du warst aber auch ein strammer Kerl!“ „War ich auch!“

Seine „Lisbet“ ist und bleibt die große Liebe von Paul. „Im Wesen war sie einmalig. Jedem, der in Not war, half sie. Eine glückliche, lange, gemeinsame Zeit verbrachten sie – von 1939 bis 2004.

Bescheiden und beständig war die dreiköpfige Familie. Sie zog von Altendorf nach Essen-West, Lübecker Straße. „Eine kleine, aber feine ca. 56 qm Wohnung. Wie sich die Preise ändern, beweist Peter am Schriftstück: Damals betrug der Mietzins 19,44 Mark; 1979 – nach Heizungseinbau, Isolierglasfenstern – 107 DM.“ Bis vor gut einem Jahr wohnte, wuselte, wirkte Paul Gajewski hier in den vier Wänden. Miete ca. 200 Euro. Leider kam der Treppensturz; seitdem ist seine Bleibe das Alfried-Krupp-Heim, Aachener Straße.

Auch seine Arbeitsstätte befindet sich nicht wirklich weit davon. Als Ziegeleiarbeiter war er in der Kruppschen Ziegelei, an der Wickenburg beschäftigt. Steht so in seinen Papieren. Paul widerspricht: „Ofensetzer war ich 40 Jahre.“ Dann machte der Betrieb dicht. Mit knapp 60 kam er in den Ruhestand.

Hobby und Nebenverdienst? „Immer lustig, fröhlich Hopsasa mit Fußball“, lächelt er charmant. Kopfschütteln von Peter. „Nein, da verwechselst du was. Dein Hobby war und ist der Hundesport.“ „Stimmt“. Strahlendes Gesicht. Obwohl er nie einen eigenen Vierbeiner besaß. Über Bekannte kam er zu der Hundeleidenschaft, die ihn zum Hundeverein an der Wickenburg einluden. „Viel frische Luft. Da war immer was los. Geschäftsleute ließen zu ihrer eigenen Sicherheit Hunde ausbilden. Wenn ich sagte „Aus“ hörten die Tiere sofort.“ Auch wenn er den treuen Vierbeiner was ins Ohr flüsterte. Was? Sein Geheimnis. Die Tiere vergötterten ihn eben…Paul bildete sie aus. Logisch, mussten sie ihre Prüfungen absolvieren. Seine Tiere krallten sich alleTrefferquoten. Unterm Strich sammelte er zahlreiche Ehrungen als Hundeführer. Besonders stolz ist Paul Gajewski auf das Diamantene Hundeführer-Sportabzeichen.

Sicher gab’s nicht nur Leckerchen in seinem Leben. Beispiel die Kriegsgefangenschaft. Mit Magenleiden kam er nach Hause. Doch das war „gestern“. Heute und jetzt schwindet seine Sehkraft. „Kommen sie mal etwas näher…aber Hören kann ich Sie.“ „Nur was er nicht hören will, überhört er“, witzelt wieder Peter.

Jetzt wollen Pauls Beine nicht mehr so viel laufen. „Das kommt wieder, sagt der Doktor.“ Das will der 100-Jährige hoffen. Fügt hinzu: „Unkraut vergeht nicht. Dann kann ich wieder mit den Hunden tigern.“
Herzlichen Glückwunsch sagen Sohn, Schwiegertochter, zwei Enkel, zwei Urenkel.

Autor:

Ingrid Schattberg aus Essen-West

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