Vom Arschleder, Papst bis zum Zuchthaus

Sie sind fußballverrückt? Dann sind Vereinsmitgliedschaft, Spielbesuche quasi ein Muss. Aber woher schöpfen Sie Ihr Politikwissen? Vom Sofa - mit Blick auf die Glotze? Das politische Herz pulsiert in Berlin. Politik hautnah erleben - dafür lud die Bundesabgeordnete Petra Hinz ein buntes Völkchen nach Berlin ein. Der Besuch ging unter die Haut. Zum Dank überreichten Essener Ex-Bergleute Hinz ein Arschleder---!

Kick mal, dit is Berlin! Über 3,4 Mio. Einwohner, 900 qkm Stadtfläche, so groß wie Rügen, davon 1/3 Grün mit über 400000 Straßenbäumen – dagegen stehen ca. 100000 Hunde. Tja, im 17. Jahrhundert entdeckte der Großfürst seine Liebe für Linden, die ließ er am jetzigen Platz „Unter den Linden“ pflanzen. Nicht auszudenken, wären es Nussbäume gewesen… Gerade aus dem Zug gestiegen, schon sitzen die Essener im Berliner Bus. Das Gespann Hajo Kühn, Fahrer, mit Ralf Eden, Stadtführer, ist göttlich. Der Riesenwagen schlängelt sich durch den dichtesten Verkehr; Eden ist I a gut in Zahlen, im Erzählen. Er zeigt auf die „Gold-Else“ mit Blick auf ihren Rock. „Man kann immer sehen, woher der Wind weht.“ Weil sie 1871 gebaut wurde, ist jetzt Ganzkörper-liften bei der 35 Tonnen-Dame angesagt mit einem Kilo Blattgold. Noch wird Hand angelegt am Fundament für die Stabilisierung. Vollkommen glänzt sie Ende 2011.

Berlin, die Stadt mit 120000 Studenten, ist rund um die Uhr hellwach. So wach wie das gläserne Paul Löbe Haus, in dem 25 % der Abgeordneten arbeiten. Der Bau hat seinen Spitznamen weg „Achtzylinder; ist so konzipiert. „Aber so schnell wie ein Achtzylinder arbeiten sie dort nicht; mit Ausnahmen natürlich“, schmunzelt Ralf Eden.
Den September sollte man sich freihalten. Da eilt Papst Benedikt XVI. nach Deutschland. In Berlin-Kreuzberg, Lilienthalstraße, ist die päpstliche Nuntiatur, in der er übernachtet.

Die Fahnen wehen auf halbmast am Zoologischen Garten. Knut ist tot. Der vierjährige Eisbär hatte einen Hirnschaden. Jetzt hängt sein Fell, gekühlt, schneeweiß im Naturkundemuseum.
Die Stadtrundfahrt hält inne am riesigen Olympiastadion mit typischer Naziarchitektur aus den 30-erJahren; es geht vorbei an Grunewald-„Bergen“, entstanden in der letzten Eiszeit. Bestaunt wird der höchste Trümmerberg – 120 m Schutt; beäugt der Nacktbadestrand Halensee, Berlin-Mitte. „Hier bumst es im Sommer häufig, weil die Autofahrer nur die Augen nach rechts drehen“, verrät der Busfahrer. Weiter geht’s durch Schöneberg, wo u. a. Erich Kästner, Albert Einstein, Grete Weise wohnten. Halt am Schöneberger Rathaus. Hier wurde Willy Brandt 1993 aufgebahrt. Vom Balkon rief 1963 US-Präsident Kennedy die unvergessenen Worte: Ich bin ein Berliner!

Berliner sind sehr weltverbindend. Was verbindet Berlin mit New York? Die Spree fließt bei Spandau in die Havel. Diese ist ein Seitenfluss der Elbe, die bei Cuxhaven in die Nordsee fließt. Die Nordsee wiederum ist ein Randmeer des Atlantiks.

Nach einer Stadtrundfahrt könnte man ein Buch schreiben, nach zwei glatt einen Wälzer drauflegen. Vier Tage hatten die Essener – u. a. Mitglieder der AWO, der Nordic Walking-Gruppe Margarethenhöhe, Haarzopf, Heisingen sowie Mitglieder der IGBCE - mächtig was vor der Brust: Mehrere Ministerien, Bundesrat, die Friedrich-Ebert-Stiftung (ehemalige Stipendiaten waren u. a. Anne Will, Gerhard Schröder, Frank-Walter Steinmeier), Gedenkstätte Centrum Judaicum. Auch die erschreckende Gedenkstätte ehem. Stasi-
Zuchthaus Hohenschönhausen stand auf dem Programm. Vom Sehen, Hören dort war Wilhelm Fries so schockiert, dass er seinen drei-jährigen Enkel Benedikt spontan in Essen anrief: „Ich komme gerade aus dem Gefängnis, im ehemaligen Ostberlin. Hier werde ich nie mehr hinfahren - nach Hohenschönhausen. Tschüss, mein Schatz!“

Beeindruckt vom Berliner Besuch zeigen sich alle Essener. Günter Happel, Bergbauforschung, bilanziert: „Die Tage sind eine echte Bereicherung. Wir erfuhren so viel in den Ministerien, bei den Vorträgen, Gesprächen mit den Referenten. Es gefiel mir, wie Petra Hinz uns ihre politische Arbeit sehr klar und verständlich vermittelte. Wir sind sicher, dass sie uns in Berlin und Essen gut vertritt, hoffen, dass sie weiter ein offenes Ohr für uns hat. Denn vielleicht werden Bergleute nach dem Atomreaktor-Gau in Bälde wieder gebraucht.“

Als dicken Dank überreichte die IGBCC Ortsgruppe Essen-Süd Industrie Gewerkschaft Bergbau, Chemie der Abgeordneten ein handsigniertes Arschleder; eine halblange, an Riemen befestigte Lederschürze, die den Bergmann schützen soll, wenn er in einen tonnlägigen Schacht hineinrutscht. Das Arschleder sitzt jedenfalls bei Hinz wie angeschossen. Und nicht nur sie strahlt. Glückauf!

Foto: Büro Petra Hinz

Autor:

Ingrid Schattberg aus Essen-West

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