Künstler in der Coronakrise: Christian Niehues macht das Beste aus der Situation
Musiker mit weniger Musik

Christian Niehues (rechts) bei der Arbeit: Er begleitet die "Milestones", ein Konzert-Projekt mit den Musicalstars Mark Seibert (links), Andreas Bieger (2.v.l.) und Jan Ammann (2.v.r.) und Popstar Volkan Baydar (Mitte). Foto: SOM/Stephan Drewianka
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  • Christian Niehues (rechts) bei der Arbeit: Er begleitet die "Milestones", ein Konzert-Projekt mit den Musicalstars Mark Seibert (links), Andreas Bieger (2.v.l.) und Jan Ammann (2.v.r.) und Popstar Volkan Baydar (Mitte). Foto: SOM/Stephan Drewianka
  • hochgeladen von Silke Heidenblut

Als Live-Musiker in vielen Konzerten und Musicals verdient Bassist Christian Niehues sein Geld. Gerade jetzt hat er so viel Zeit wie lange nicht. Und so wenig Einkommen. Trotzdem denkt er positiv.

"Wenn ich an einer Situation nichts ändern kann, dann muss ich meine Reaktion darauf ändern", sagt der gebürtige Gelsenkirchener und macht Sachen, für die er sonst keine Zeit hat...
"Zum Glück habe ich neben der Live-Musik noch ein zweites Standbein, ich gebe Musik-Unterricht, schreibe Arrangements und ich transkribiere für einen Verlag. Ersteres läuft ja so langsam wieder an und letzteres geht immer."

Musik transkribieren

Musik transkribieren? "Da setze ich geläufige Popmusik in Noten um, damit diese in Bücher für Musikschüler gelangen. Ich hatte zum Beispiel die große Ehre, 'Atemlos' transkribieren zu dürfen", schmunzelt er. "Wenn es gut läuft, schafft man ein Lied in 30 Minuten, manchmal braucht man fünf Stunden." In jedem Fall müsse man das Lied, um das es geht, sehr oft hören, was nicht immer so toll sei. Niehues ist also kein Helene-Fischer-Fan. "Das würde ich so nicht sagen, ich habe großen Respekt vor der Dame, vor all' dem, was sie leistet. Doch ich würde ihre Musik privat nicht hören." Respekt und Verständnis für die Musik, auch wenn man kein Fan wird, das gehört für ihn zu seinem Beruf dazu. "Es macht mir ganz oft Spaß, solche Musik zu spielen und mich damit zu beschäftigen", erklärt er und hört zuhause gern "The Beatles" oder "Steely Dan".
Ohne Coronavirus wäre er mit Semmel-Concerts mit "Die größten Musicalhits aller Zeiten - This is the greatest Show" auf Tournee gegangen. "Für diese Tour habe ich die Arrangements geschrieben, wir hatten alles fertig, haben die Premiere und die erste Show gespielt und dann war Schluss", bedauert der 53-Jährige ("Ich bin eine Primzahl."), der als großer Freund von Primzahlen gilt. "Das ist ein Running Gag, der mal auf einer Tour entstand. Touren haben ja eine sehr langweilige Begleiterscheinung: Bus fahren, im Hotel ankommen, einchecken. Und einmal sagte ich, als ich meine Zimmernummer bekam: 'Oje, eine Primzahl, da schläft man ja immer schlecht!' Die Kollegen hörten mich natürlich und fragten: 'Echt? Ist das so?' Es ist natürlich Quatsch, aber seitdem jammert der, der eine Zimmernummer bekommt, die eine Primzahl ist. Das ist unser Lacher im Hamsterrad", verrät der Musiker, der dadurch auch das Buch "Poesie der Primzahl" gelesen hat und es sehr empfiehlt.

Primzahlen-Fan und Cowboy

Seit zehn Jahren spielt Christian Niehues in der Band "Celtic Cowboys". "Und ich liebe das. Außer dem Schlagzeuger und mir sind keine Profis dabei. Das sind echte Handwerker, mit denen zusammen auf der Bühne zu stehen immer Spaß macht. Ich habe durch die schon Locations gesehen, in die ich mich sonst wahrscheinlich gar nicht reingetraut hätte. Aber mit den Cowboys bist Du immer richtig angezogen und es geht alles gut", plaudert er aus dem Nähkästchen. Doch bis er wieder mit der Band auftreten kann, wird noch ein bisschen Zeit vergehen.
Das Interview führte Christian Niehues von der Wohnung seiner Nachbarin aus, die nicht da war, während er für sie eine Kommode aufbaute. "Ich werde ausnahmsweise erst die Anleitung lesen und dann bauen. Das ist sehr untypisch für uns Niehues-Männer." Am Anfang der Coronazeit besuchte der in Schalke geborene und in der Resser Mark aufgewachsene Sohn eines Lehrers seine alte Heimat. "Mein Bruder brauchte Hilfe beim Renovieren und ich hatte irgendwie Zeit." Dass man das als Musiker kann...? "Ich durfte eine Garage mit einem Vorschlaghammer einreißen, das ging. Und Bambus-Wurzeln ausreißen, die sind echt böse", kommt prompt die Antwort. Während der Arbeit zeltete er im Garten. "Da gibt es Kaninchen und Rehe", erzählt er. Und erinnert sich: "Als ich in Düsseldorf studiert habe, wurde ich immer mitleidig angeguckt, wenn ich gesagt habe, dass ich aus Gelsenkirchen komme. Das war unglaublich." Auch wenn er inzwischen in Hamburg lebt - er spielt dort seit Jahren bei den diversen Musicals von Stage Entertainment, war von Anfang an beim "König der Löwen" dabei - ist er im Herzen immer noch Schalker. "Und das habe ich vererbt", freut er sich. "Mein Sohn hat sich zum zwanzigsten Geburtstag ein Buch von Adorno und ein Polo-Shirt vom FC Schalke 04 gewünscht." Alles richtig gemacht.

Gute Erziehung

Wann und wie es trotz Coronavirus für ihn als Live-Musiker weitergeht, das mag er gar nicht vorhersehen. "Angedacht ist der September, aber da müssen wir natürlich erstmal gucken, ob das geht. Man weiß einfach gar nicht was passiert, aber das geht ja nicht nur mir so. Ich vertraue darauf, dass wir irgendwie durch diese Zeit durchkommen. Und wenn ich zunächst etwas anderes als Musik machen muss, um Geld zu verdienen, dann ist das eben so."

Christian Niehues (rechts) bei der Arbeit: Er begleitet die "Milestones", ein Konzert-Projekt mit den Musicalstars Mark Seibert (links), Andreas Bieger (2.v.l.) und Jan Ammann (2.v.r.) und Popstar Volkan Baydar (Mitte). Foto: SOM/Stephan Drewianka
Zelten im heimischen Garten in der Resser Mark: Christian Niehues half beim Renovieren... Foto: Privat
Autor:

Silke Heidenblut aus Essen

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