„Mein Laden. Meine Entscheidung. Mein Risiko“

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„Kleine und mittelständische Unternehmen gestalten in Gelsenkirchen und im Ruhrgebiet den Strukturwandel,“ so eröffnete Moderator Martin Wilger den siebten Internationalen Gelsenkirchener Unternehmertag im Wissenschaftspark. Das hört sich nach Erfolg und Freude am Geschäft an. Doch Oberbürgermeister Frank Baranowski führte in seiner Begrüßung auch aus: „Wer beruflich selbstständig ist, hat zwar keinen Chef mehr, dem er alles recht machen muss. Aber permanent den Launen und Schwankungen des Marktes ausgesetzt zusein, ist etwas Anderes als völlige Unabhängigkeit.“ Also doch eher Frust? Und um „Gestaltungslust oder Hamsterfrust?“ ging es dann auch in der weiteren Veranstaltung.

Eine Kooperation zwischen Unternehmverband und Wirtschaftsförderung

Der Internationale Unternehmertag ist eine Veranstaltungs-Kooperation zwischen der Wirtschaftsförderung der Stadt Gelsenkirchen und dem Internationalen Unternehmerverband Ruhr Stadt (InTUV) und findet regelmäßig im Wissenschaftspark Gelsenkirchen statt. Der Zuspruch, den die Veranstaltung genießt, ist dabei sicher als ein Zeichen für das Interesse der Unternehmer in Gelsenkirchen und Umgebung an der Tagung zu werten.
Zum Thema „UnternehmerIn - Gestaltungslust oder Hamsterradfrust? Facetten, Hürden und Erfolgsfaktoren der Selbstständigkeit“ fanden sich viele Interessierte ein, die sich am Ende des Abends nicht nur gut informiert, sondern auch gut unterhalten fühlten.

Atila Öner aus Sicht des Unternehmers

Was es heißt Unternehmer zu sein, das weiß auch der Vorstandsvorsitzende des IntUV, Atila Öner, der seit 15 Jahren selbstständig ist und eine Werbeagentur in Gelsenkirchen betreibt. So berichtete er aus berufenem Munde über die Selbstständigkeit, die auch Selbstkritik beinhaltet an den Handlungen im Tagesgeschäft. Das Delegieren sieht er als Geheimnis des Erfolges, denn es bedeutet aus seiner Sicht die kontrollierte Arbeitsteilung.

Ein Referent mit hoher Qualifikation

Noch mehr Kenntnisse über das Unternehmersein dürfte der Referent des Abends haben. Denn Prof. Dr. Ulrich Breilmann ist nicht nur in dritter Generation Unternehmer, sondern auch Professor an der Westfälischen Hochschule in Gelsenkirchen. „Mit den Generationen ist das so eine Sache. Die erste Generation ist die der Gründer, dann folgt die der Aufbauer und die dritte Generation, also in dem Fall meine, ist die der Versemmler“, erläuterte Breilmann, der selbst weit entfernt davon ist als Versemmler zu gelten.
Den Mittelstand definierte der Redner damit, dass er zunächst dessen Wichtigkeit für die Region unterstrich und anmerkte, dass rund 70 Prozent der Beschäftigten und etwa 80 Prozent der Auszubildenden in mittelständischen Unternehmen tätig sind. „Mittelständischer Unternehmer ist man so lange, wie man seine Mitarbeiter persönlich kennt“, erläuterte Breilmann. Wobei schnell klar wurde, dass er die 50 in seinem Betrieb tätigen Menschen sehr gut kennt.

Doch wer will heute noch selbstständiger Unternehmer werden?

„Meine Studenten jedenfalls nicht. Wenn ich denen diese Frage stelle, gibt es nur wenige, die dazu bereit wären. Und gerade Studenten, die aus Unternehmerfamilien stammen, sind bedient und möchten lieber als Angestellte tätig werden“, berichtete der Professor. Im folgenden erläuterte der Referent die Gefahren und Aufgaben, die das Unternehmertum mit sich bringt: „Ein Unternehmer braucht Fähigkeiten. Ganz wichtig ist dabei die Betriebswirtschaft, wer davon keine Ahnung hat, wird auch zur Gefahr für andere Unternehmer.“ Denn wer die Preise unterbietet und für nichts arbeitet, nur um einen Kunden an Land zu ziehen, der schnappt diesen einem anderen weg, der den Verlust ausgleichen und abwarten muss, bis der Unterbieter die Segel streichen muss, weil er auf Dauer solche Niedrigpreise nicht halten kann oder aber in Konkurs geht.
„Das Leben ist kein Ponyhof und auch auf einem Ponyhof sterben Ponys. Da kommt man nicht drum herum.“ Oder anders gesagt: Ein Unternehmer muss Entscheidungen treffen, die auch mal unpopulär und schmerzhaft für die Belegschaft sein können.

Die Strategie ist wichtig

Außerdem wichtig ist eine Strategie, die besagt, wo das Unternehmen in fünf Jahren stehen könnte oder sollte. Was seiner Meinung nach zählt, ist die Leidenschaft für den Erfolg, doch auf Erfolg darf man sich auch nicht ausruhen.
Fakt ist für den Unternehmer und Lehrenden aber, dass der Druck der Arbeit für einen Unternehmer auch nicht nach 17 Uhr endet und auch nicht am Wochenende aufhört. In Familienunternehmen wird dann auch gern mal an der Oster-, Weihnachts- oder Geburtstagstafel über die Arbeit diskutiert.

Auf dem Podium diskutieren Unternehmer der verschiedensten Bereiche

Das konnten die Teilnehmer der Podiumsdiskussion bestätigen. Hierzu fanden neben Prof. Dr. Breilmann auch der Mediziner Dr. Ilker Kavuk vom Zentrum für Neurologie und Seelische Gesundheit in Bottrop, Bora Sahin von alangue Übersetzungen in Gelsenkirchen und Essen, Ercüment Salman von der Fahrschule edi GmbH in Gelsenkirchen und Dietlinde Stüben-Endress vom Autohaus Glückauf in Gelsenkirchen zusammen. Moderator Martin Wilger warf Fragen in die Runde und ließ die Unternehmer zu Wort kommen, wobei es viele Übereinstimmungen, aber auch die eine oder andere völlig konträre Darstellung gab. So bewegt sich Ercüment Salman von der Fahrschule edi komplett in einem Familienunternehmen: „Es kann auch mal sein, dass mein Onkel, wenn ich abends auf der Couch liege, zu mir kommt und mir die Leviten liest. Dann habe ich in der Nacht Zeit, darüber nachzudenken und kann am nächsten Morgen etwas verbessern.“
Dietlinde Stüben-Endress hingegen kann mit ihrem Mann das eine oder andere Geschäftliche diskutieren, gestand aber, dass sie nie mit ihm zusammenarbeiten könnte. Das würde die Ehe gefährden. Ähnlich ging es auch Bora Sahin, der seine Arbeit im Büro lässt und zu Hause nicht mehr darüber reden will.
Schwierigkeiten im unternehmerischen Alltag hingegen kannten alle Podiumsteilnehmer, doch am Ende zeigten sich alle stolz über ihre gelungenen Projekte und ihre Selbstständigkeit, die aus ihrer Sicht mehr zählen als Geld.

"Ein bisschen Spass muss sein...."

Für einen Spaßfaktor sorgte die Vita von Ercüment Salman, der zuerst die Schule und dann eine Ausbildung geschmissen hatte, heute aber erfolgreich im Familienunternehmen tätig ist. Denn nachdem Martin Wilger das Publikum zu Fragen animiert hatte, äußerte der Vorsitzende des Türkischen Lehrervereins, Temel Capkin, eine große Bitte an Ercüment Salman: „Bitte erzählen Sie Ihren Fahrschülern nichts von ihrem Lebenslauf und dass Schule nichts für Sie ist! Das könnten die jungen Leute falsch verstehen, wenn sie sehen, was aus Ihnen geworden ist!“ Der besorgte Lehrer wurde postwendend von dem Unternehmer beruhigt; „In der Fahrschule bin ich jemand mit Abitur, drei Ausbildungen und noch weiteren Studien...“

Autor:

silke sobotta aus Gelsenkirchen

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