Die Hinterlassenschaften eines gescheiterten Sport-Vorstands
Dreier gegen Heidel ist für S04 Pflicht

Gut zweieinhalb Jahre war Christian Heidel (links, hier bei seiner Vorstelllung mit Ex-Aufsichtsratsboss Clemens Tönnies) als Sport-Vorstand des FC Schalke 04 im Amt. Ablösesummen und Gehälter von Spielern, die in dieser Zeit verpflichtet wurden, dürften die Grenze von 100 Millionen Euro überschreiten. Foto: Gerd Kaemper
  • Gut zweieinhalb Jahre war Christian Heidel (links, hier bei seiner Vorstelllung mit Ex-Aufsichtsratsboss Clemens Tönnies) als Sport-Vorstand des FC Schalke 04 im Amt. Ablösesummen und Gehälter von Spielern, die in dieser Zeit verpflichtet wurden, dürften die Grenze von 100 Millionen Euro überschreiten. Foto: Gerd Kaemper
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Am Freitag wird ein Mann die Gelsenkirchener Arena aufsuchen, der für die allermeisten Schalker zu einem Hauptverantwortlichen des Niedergangs mit dem bevorstehenden Abstieg gezählt wird. Christian Heidel, zwischen Juli 2016 und März 2019 verantwortlicher Sport-Vorstand des S04, hat in dieser Zeit riesige Geldbeträge verbrannt mit einer massiv verfehlten Personalpolitik verbrannt. Was den 57-Jährigen, wieder in Diensten des FSV Mainz 05, nicht anficht. "Alles war prima", tönt er nun via "Sport Bild". 

Christian Heidel wurde auf Tönnies´ Betreiben zur Saison 2016/17 Sport-Vorstand des Vereins. Bis zu seinem – wie es heißt freiwilligem – Abgang im März 2019 verpflichtete Heidel zahlreiche Spieler. Orientiert an den gerundeten Zahlen, die jeweils der Fachpresse, den Sportredaktionen der Fernsehsender und dem Boulevard zu entnehmen waren, ergibt sich bei vielen Akteuren ein erschütterndes Bild zwischen Investment und Ertrag. Bei dieser Zusammenstellung sind die Jahresgehälter, sämtlich im siebenstelligen Bereich bis hinauf auf über vier Millionen Euro pro Jahr, nicht einmal berücksichtigt.

Stürmer Breel Embolo wurde 2016 für 23 Millionen Euro plus möglicher Nachschläge vom FC Basel verpflichtet und hatte mit gravierendem Verletzungspech zu kämpfen. Nach drei Jahren mit 10 Toren in 48 Bundesligaspielen wurde er an Borussia Mönchengladbach für 10 Millionen Euro plus möglicher Nachschläge verkauft. Der Verlust liegt ja nach Bonuszahlungen bei mindestens 6 bis 8 Millionen Euro.

„Coke“ Jorge Andujar Moreno wurde 2016 für 4 Millionen Euro vom FC Sevilla verpflichtet und erlitt gleich im ersten Vorbereitungsspiel einen Kreuzbandriss. Nach der Ausfallzeit kam der Verteidiger nur auf 9 Bundesligapartien und wechselte gegen eine geringe Entschädigung nach 18 Monaten wieder in seine spanische Heimat. Verlust mindestens 3,5 Millionen Euro.

Abwehrspieler Benjamin Stambouli kam 2016 für 8 Millionen Euro von Paris St. Germain. Auch er war zwischenzeitlich langanhaltend verletzt. Seine allerstärksten Szenen hat der Franzose, wenn er sich verbal mit Schalke identifiziert oder seine Mitspieler lautstark puscht. Damit hat er einen beachtlichen Sympathiestatus bei Fans und Verantwortlichen erreicht, obwohl er auf dem Feld in 90 Bundesligaspielen öfter Mitläufer als Führungskraft war. Eine nennenswerte Ablösesumme ist für den mittlerweile 30-Jährigen nicht mehr zu erwarten.

Mit Mittelfeldspieler Nabil Bentaleb lotste Heidel 2016 einen Spieler nach Gelsenkirchen, für den der Begriff „Problemfall“ wie erfunden scheint. Die Zahl seiner Suspendierungen durch die verschiedensten Trainer ist kaum noch zu zählen. Für 20 Millionen Euro (erst Leihe, dann Übernahme von Tottenham Hotspur) verpflichtet, konnte gerade einmal 1 Million Euro für die zwischenzeitliche sechsmonatige Leihe nach Newcastle verbucht werden. Angesichts des gesamten Ärgers mit dem Algerier ein Komplettausfall.

Ähnliches gilt für Offensivmann Yevhen Konoplyanka, für den ebenfalls 2016 gut 12 Millionen Euro (erst Leihe, dann Übernahme vom FC Sevilla) gezahlt wurden. Für knapp 2 Millionen wurde der Ukrainer drei Jahre später in seine Heimat nach Donezk abgegeben. Verlust rund 10 Millionen Euro.

Den zuvor an CD Leganes verliehenen Abwehrmann Pablo Insua kaufte Heidel 2017 bei Deportivo La Coruna für gut 3 Millionen Euro ein. In Gelsenkirchen angekommen zog sich Insua zunächst eine Rippenfellentzündung zu, die sich zu einer Herzbeutelentzündung auswuchs. Eine Bundesligapartie bestritt er nach Gesundung als Einwechselspieler, bevor er gegen einen niedrigen sechsstelligen Betrag zurück in seine Heimat wechselte. Verlust etwa 3 Millionen Euro.

Für Mittelfeldspieler Amine Harit überwies Heidel 2017 etwa 8 Millionen Euro an den FC Nantes. Der spielte seither zusammengezählt anderthalb gute Saisons. Die restliche Zeit fiel er vor allem mit Undiszipliniertheiten auf. Nun ist es auch beinahe egal, ob er in Gelsenkirchen noch einmal zu möglicher Form und notwendiger Arbeitseinstellung findet. Nach dem bevorstehenden Abstieg wird er ohnehin einen anderen Verein bereichern.

Ebenfalls 8 Millionen Euro wurden 2017 in den Wechsel von Innenverteidiger Salif Sané investiert, der von Hannover 96 kam. Der Senegalese ist noch im Kader, wäre sogar Stammspieler, wenn er nicht – wieder einmal - verletzt wäre. Doch ist der Hüne ein Abwehrchef, ein Abwehrorganisator, eine Abwehrstütze? Eher kann man auch ihn wie Stambouli als Mitläufer bezeichnen, mit teilweise unerklärlichen Aussetzern etwa im Stellungsspiel und bei der Abstimmung mit seinen Nebenleuten.

An Union Berlin flossen 2017 rund 3 Millionen Euro für Stürmer Steven Skrzybski. Ein sympathischer Mensch, der sich außerdem als Schalke-Fan von Kindesbeinen an bezeichnete. Nach zwischenzeitlicher Ausleihe an Fortuna Düsseldorf und 21 Bundesligaspielen mit drei Toren für S04 drängt sich leider der Eindruck auf, dass die Bundesliga für Skrzybski eine Nummer zu groß ist. Verlust etwa 3 Millionen Euro.

Omar Mascarell spielte bis 2017 auf Leihbasis bei Eintracht Frankfurt. Für den Transfer wurden 10 Millionen Euro an Real Madrid fällig. Der häufig verletzungsgeplagte Spanier absolvierte bisher lediglich 55 von 91 möglichen Bundesligaspielen. Von seinen noch in Frankfurt gepriesenen Qualitäten als aggressiver Mittelfeldmotor mit Spielübersicht war in Gelsenkirchen nicht sehr viel zu sehen. Dass der zwischenzeitliche Mannschaftskapitän eines deutschen Vereins Interviews in deutschen Medien weitgehend nicht auf Deutsch gibt, wirft außerdem Fragen auf.

Ein Totalflop ist der linke Außenverteidiger Hamza Mendyl, für den Heidel 2017 etwa 7 Millionen Euro an den OSC Lille überwies. Bei seinen wenigen Einsätzen konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es dem Marokkaner an Spielverständnis und taktischer Disziplin fehlt. In seinen 12 Bundesligaspielen fiel auch seine oft vogelwilde Zweikampfführung ins Auge. Zwischendurch war er für eine geringe Leihgebühr nach Dijon verliehen, kehrte nur aufgrund mangelnder Interessenten mit der Bereitschaft zur Zahlung einer Ablösesumme zurück. Verlust gut 6 Millionen Euro.

Und noch ein Totalflop. Für Sebastian Rudy kassierte der FC Bayern München – der ihn ein Jahr zuvor kostenfrei übernommen hatte – vor dreieinhalb Jahren 16 Millionen Euro. Der Gegenwert des Wunschspielers des damaligen Trainers Domenico Tedesco: Null. 23 Bundesligaspiele für Blau-Weiß mit null Toren und null Torvorlagen stehen zu Buche. Da war man auf Schalke schon froh, dass zumindest bei zwei Leihgeschäften mit der TSG Hoffenheim das große Gehalt des Nationalspielers nicht mehr voll zur Auszahlung anstand, zuzüglich einer Leihgebühr. Unter dem Strich dennoch ein Verlust von mindestens 15 Millionen Euro.

Schließlich Rabbi Matondo. Der stieß als 18-Jähriger im Januar 2019 von Manchester City kommend zu taumelnden Schalkern. Seinen letzten Transfer als Sport-Vorstand des FC Schalke 04 tätigte Heidel für 10 Millionen Euro. 30 Bundesligaspiele und zwei Tore später ist klar: Matondo ist sehr schnell, muss aber erheblich an seinem Abschluss sowie seinem taktischen Verständnis feilen. Dies tut er nun als Leihspieler in der zweiten Liga Englands, aktuell ließe sich die vor zwei Jahren entrichtete Ablösesumme nicht annähernd erwirtschaften.

Aufsummiert ergibt sich schon ohne die Spieler Stambouli, Harit, Sané, Mascarell und Matondo ein Betrag von etwa 66 bis 67 Millionen Euro, die Christian Heidel nur an Ablösesummen überwiesen hat und deren sportlicher Niederschlag mindestens zu wünschen übrig lässt. Er wird froh sein, dass er am kommenden Freitag mit dem FSV Mainz 05 in eine leere Arena kommt. Ein "schrillpfeifender Wutorkan" wäre ihm sicher gewesen. Nun hofft ganz Schalke, dass der Tabellenvorletzte aus Mainz das Schlusslicht aus Gelsenkirchen zumindest in die 2. Liga begleiten muss. Ein Dreier gegen Heidel ist am Freitag Pflicht.  

Autor:

Marc Keiterling aus Essen

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