ADFC kritisiert unterdimensioniertes Radwegenetz
"Die Politik duckt sich weg!"

Steckt die Verkehrswende Richtung Rad im Stau? Foto: Steve
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Der Bundesverband des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs kritisiert, dass das Radwegenetz trotz vieler Versprechen nach wie vor schlicht unterdimensioniert sei. Die Verkehrswende käme nicht aus den Startlöchern. Bevor in Goch irgendwann das Radverkehrskonzept an die Öffentlichkeit gelangt, hat das Gocher Wochenblatt mit dem Vorsitzenden des Kreisverbands im ADFC, Eckehard Lüdke, gesprochen. 

VON FRANZ GEIB

Kreis Kleve.  Das Fahrrad boomte im Corona-Jahr. Nie wurden mehr Fahrräder verkauft als 2020, nie entdeckten so viele Menschen das Radfahren neu für sich, als während der Pandemie. Dennoch zieht der Fahrradclub ADFC eine ernüchternde Bilanz.
Die ADFC-Vizebundesvorsitzende Rebecca Peters sagt: „Eigentlich stehen alle Zeichen auf Grün für den Radverkehr. Immer mehr Menschen wollen im Alltag das Auto gern häufiger gegen das Rad eintauschen. Erstmals gibt es richtig Geld vom Bund für den Radwegebau in den Kommunen. Die Politik überschlägt sich mit Empfehlungen zum Radfahren. Selbst der ADAC sagt, dass die Radwege in Deutschland schlicht unterdimensioniert sind."
Die Verkehrswende, so Rebecca Peters, komme mit der Neuverteilung des Straßenraums nicht aus den Startlöchern. Politische Mutlosigkeit in Stadträten und Verkehrsverwaltungen sind die Hauptursache des Problems. Verstärkt wird die Blockade durch lautstarke Auto-Traditionalisten, die mit Klauen und Zähnen ihr eingebildetes Recht verteidigen, vor jedem beliebigen Ziel parken zu dürfen – am besten gratis und über zwei Parkplätze hinweg, weil die immer größeren Autos nirgendwo mehr hineinpassen.
Peters: "Den Ländern und Kommunen, die die Zeichen der Zeit erkannt haben und Fahrrad-, Fuß- und Nahverkehr mehr Platz und Priorität in der Stadtplanung einräumen, gratulieren wir ausdrücklich zu einer zukunftsorientierten Politik. Den anderen rufen wir zu: Fangt endlich an! Auto-first-Politik war gestern – die Menschen wollen gute Alternativen!“ Der ADFC kritisiert vor allem die Nicht-Erreichung "selbst der ambitionslosen Ziele": „Leider geht es trotz gutem Willen viel zu langsam voran. So bleibt das Fahrradland Deutschland noch lange eine Großbaustelle.“

Licht und Schatten im Kreis Kleve

Das Gocher Wochenblatt wollte es genauer, explizit bezogen auf den Kreis Kleve wissen und fragte darum den Vorsitzenden des ADFC Kreisverband Kleve, Eckehard Lüdke zu diesem Thema: "Auf Kreisebene sehen wir Licht und Schatten nebeneinander: Positiv fallen die Einrichtung des "Knotenpunktsystemes" sowie dessen Vermarktung auf.
Dieses am niederländischen Vorbild angelegte Leitsystem tut dem Landkreis in touristischer Hinsicht gut. Sehr positiv auch ist die noch relativ neue Anlage des "Europaradweges" zwischen Kleve und der Grenze zu sehen, die im baulichen Standard wirklich Maßstäbe setzt und sich entsprechender Nachfrage erfreut."
Das Radwegnetz im Kreis sei durchaus "befriedigend", weist aber doch viele Lücken auf, die im Alltag und im touristischen Bereich als problematisch empfunden werden, denn da bleiben Verkehrssicherheit und auch der Anreiz, mit dem Rad zur Arbeit, zur Schule oder einfach in der Freizeit zu fahren, sprichwörtlich auf der Strecke.
Lüdke: "Fahrradverkehr entwickelt sich auch im Zusammenspiel mit dem regionalen Angebot im öffentlichen Verkehr. Die Defizite beim "Niers-Express" sind hinlänglich bekannt und werden uns noch eine ganze Zeit erhalten bleiben, leider.

Fahrradtouristisches Angebot ein Fremdwort

Im regionalen Busverkehr wird - im Gegensatz zu wirklich ambitionierten Urlaubsregionen - nahezu gar kein Angebot gemacht. Es gibt keine Fahrradtransportanhänger, Anbauten an oder Kapazitäten in den Bussen - dieses Segment fahrradtouristischer Angebote ist im Kreis bislang ein Fremdwort. Insofern driften hier Anspruch und Wirklichkeit doch sichtbar auseinander."
Weitaus spürbarer noch sei Radverkehrsförderung in den Gemeinden und Städten. Die Analyse der Bundesvizevorsitzenden träfe den Nagel auf den Kopf: Es gibt "Leuchtturmprojekte", wie in Uedem, aber das Allermeiste bleibe reines Theoriewerk, das über das Konzeptstadium noch nicht hinausgekommen ist. Die Erkenntnis, dass Radverkehrsförderung immense Kosten für die Kommunen und die Umwelt vermeiden hilft und eine angenehme Alternative zum tradierten KFZ-Verkehr mit seinen immensen negativen Folgeerscheinungen ist, bahnt sich nur millimeterweise ihren Weg. Eckehard Lüdke: "In Kevelaer beschließt der Stadtrat aktuell ein Parkleitsystem, dessen Kosten bei etwa 1 Million Euro alleine in den kommenden fünf Jahren liegen - so etwas ist Ausdruck einer Verkehrspolitik von vorgestern." Die kommunale Politik ducke sich weg und besitzt kaum Mut, endlich aus gemachten Fehlern zu lernen.

Pandemie behindert Fortschritt

In Goch liegt derzeit ein vor zwei Jahren initiiertes Radverkehrskonzept in der Schublade, welches sobald wie möglich in die Bürgerbeteiligung gehen soll, hieß es im Haupt- und Finanzausschuss Ende Februar (das Gocher Wochenblatt berichtete darüber).
Hat der ADFC an diesem Konzept mitwirken können, und wenn ja, in welcher Form ist das geschehen, wollte das Wochenblatt wissen. Eckehard Lüdke: "In Goch verhindert das Pandemiegeschehen den weiteren Fortschritt in der Verkehrsgestaltung ganz erheblich, weil die vorgesehene Einbindung der Öffentlichkeit - und dazu zählt auch die erwünschte Mitwirkung des ADFC - kaum durchzuführen sind seit über einem Jahr. Der ADFC ist im Kreis Kleve erst vor zwei Jahren gegründet worden und sowohl die Aktivitäten im Verband vor Ort in Goch als auch die Kooperation mit der Stadt sind Corona-bedingt extrem blockiert in ihrer Entwicklung, was wir sehr bedauern. Der Kommune liegt seit einiger Zeit das extern erstellte Konzept vor und wir hoffen sehr darauf, uns in näherer Zukunft mit unserem Sachverstand konstruktiv einbringen zu können in die weitere Entwicklung."

Engagement wird wahrgenommen

Da der ADFC im Kreis Kleve nicht "Träger öffentlicher Belange" ist, gäbe es da keinen Automatismus der Zusammenarbeit, betont Lüdke: "Dort, wo wir in der kurzen Zeit unseres Bestehens bereits intakte Strukturen und Kontakte besitzen, zum Beispiel in Kleve, Weeze, Kevelaer und Geldern, etabliert sich die Mitwirkung sichtbar und führt auch zu guten Resultaten. Da wir überwiegend ehrenamtlich arbeiten, nimmt diese Strukturierung Zeit in Anspruch und wird durch das Pandemiegeschehen leider auch erheblich beeinträchtigt. Unser Engagement wird sehr wahrgenommen in Politik und in den Verwaltungen, die fachliche Zuarbeit geschätzt."

Steckt die Verkehrswende Richtung Rad im Stau? Foto: Steve
Eckehard Lüdke, der Vorsitzende des ADFC-Kreisverband Kleve
Autor:

Franz Geib aus Goch

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