Die Welt der kalten Herzen

Die Nachricht vom Göttinger Organspende-Skandal hat die Bevölkerung, meiner Ansicht nach, viel weniger aufgeschreckt, als man eigentlich annehmen sollte. Zwar war Entsetzen von allen Seiten zu hören, doch der Ruf nach der Bestrafung der Verantwortlichen war recht dünn. Dabei stellt sich mir die Frage: Ist es denn allen überhaupt so recht bewusst, welch abscheulichen Machenschaften dort getrieben wurden...?

Zwar sollte man der Fairness halber erstmal abwarten, was dort wirklich abgelaufen ist, bevor man verurteilt. Trotzdem scheint das Interesse für einen Prominenten, der beim Ehebruch erwischt wurde, um ein Vielfaches größer, als bei der elementaren Frage, inwieweit die Bereitschaft der Bevölkerung vorhanden ist, sich als Organspender eintragen zu lassen.

Eigentlich ist es immer der gleiche Ablauf, der den Menschen offenbart: Die Gier nach Reichtum und Macht, insbesondere bei denen, die ohnehin schon genug davon haben und denen das nicht ausreicht. Als wollten sie später einmal der Reichste auf dem Friedhof werden, begehen sogar über 80jährige Tata-Greise damit, sich in Gesetzeskonflickte zu begeben, um ihren ohnehin schon immensen Reichtum immer und immer weiter zu steigern. Ist ein Suchtverhalten in der Regel für den Süchtigen gefährlich, so ist es in diesem Fall umgekehrt. Hier kann die Verhaltensweise für eher für die Mitmenschen, manchmal sogar für ganze Völker tödlich sein.

In unserem Fall handelte es sich um einen 45jährigen Oberarzt des Göttinger Klinikums, also ein Mann im besten Alter, der seine wahre Karriere gerade erst begonnen hatte. Und aus internen Kreisen sickerte zudem durch, wie in den Medien zu lesen und hören war, dass diese organisierten Machenschaften niemals von einer einzelnen Person durchgeführt werden konnte. Also hatte das verbrecherische Verhalten Struktur, was das Ganze nun in eine Richtung kanalisiert, bei dem einem das kalte Grausen den Rücken hinunterlaufen lässt.

Foto: Gerd Altmann, Pixelio

Eigentlich hatte ich mich in letzter Zeit dazu durchgerungen, mir einen Organspende-Ausweis zuzulegen. Die Beteuerungen der Politik, insbesondere Kampagne des Gesundheitsministers Daniel Bahr hatten in mir die Einsicht wachsen lassen, dass meine Bedenken bezüglich des Missbrauchs bei der Organspende praktisch ausgeräumt waren. Gerade das war und ist es doch, was viele Menschen davon abhält, diesen Schritt zu tun.

Doch leider drängen sich seit jenem Göttinger Skandal erneut die Fragen auf, mit denen ich mich schon vorher befasst hatte:
- Was passiert mit mir, wenn ich schwerverletzt irgendwo im OP liege und ein überaus reicher Mitbürger dem verantwortlichen Arzt einen fetten Scheck in Aussicht stellt, wenn sein Kind ein Organ von mir bekäme...?
- Werden die lebenserhaltenden Maschinen dann abgestellt mit der Erklärung, dass ich nicht mehr zu retten sei, obwohl das gar nicht stimmt...?
- Was passiert, wenn diese Praxis eine Eigendynamik bekommt und Menschen geradezu gezielt „verunglücken“, allein deshalb, weil bekannt ist, dass sie einen Organspende-Ausweis bei sich haben...?
- Oder begehen Ärzte vielleicht gezielt „Kunstfehler“, damit sie an die Organe kommen, die sie dann zusehends reicher machen...?

Machen wir uns nichts vor: Nach dem Göttinger Skandal traue ich diese Machenschaften einigen Menschen zu. Und diese wenigen (oder auch vielen?), den dieses zuzutrauen wäre reichten schon, um mühsam erworbenes Vertrauen wieder zunichte zu machen!

Insofern liegt es nun an der Politik und den Juristen, nach diesem Skandal ein Zeichen zu setzen. Ein Zeichen, dass bedingungslos in Richtung härtester Bestrafung weist. Ein Zeichen, dass bedingungslose Aufklärung folgen lässt und alle Betroffenen für lange Zeit hinter Schloss und Riegel bringen.

Foto: Gerd Altmann, Pixelio

Es gibt, meiner Ansicht nach, in unserem Rechtsystem so einige Straftaten, die im Stellenwert zur Tat viel zu niedrig bestraft werden. Das sind Kinderschändung und Friedhofsfrevel. Die widerlichen Machenschaften mit dem Organhandel würde ich hier hinzufügen. Dies ist für mich ein Verbrechen, wie es abscheulicher und verwerflicher gar nicht sein kann!!

Doch leider steht zu befürchten, dass die verantwortlichen Verbrecher, aufgrund ihres Einflusses nur gering, vielleicht sogar nur mit einer Geldstrafe bestraft werden. Da sie sich die besten Anwälte leisten können, wird es denen gelingen, die Tathergänge zu verschleiern und zu verschleppen, so dass die Strafmaße zwar das Volk empören wird, doch die Betroffenen werden trotzdem ihre Haut retten können.

Und so wird der 45jährige Oberarzt dann mit seinem Können und Wissen irgendwo im Ausland, wo man das mit den Gesetzen nicht so ernst nimmt und Menschen sogar von der Straße entführt werden, um an ihre Organe zu kommen, weiter praktizieren können. Er wird noch viel reicher werden, als er ohnehin schon ist und seinen perversen Frankenstein-Trieb so richtig ausleben dürfen. Zudem wird er sehr einflussreich sein und in Saus und Braus leben. Und diese Prognose ist weitaus realistischer, als die, dass dieser Mann für viele Jahr hinter Schloss und Riegel kommt...

So ist sie halt, unsere Welt der kalten Herzen...

Foto: Pixelio, zur Veröffentlichung freigegeben

Autor:

Kurt Nickel aus Goch

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