Ei über Regenbogen neben Elefant

Harold: "Du bist die weiseste Frau, die ich kenne." Maude: "Ich versuche doch nur, mein Leben zu leben." Foto: Silvia Dammer
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Stehende Ovationen waren in der Sonntagnacht der Lohn für die gelungene Premiere von Collin Higgins frühem Geniestreich "Harold and Maude", inszeniert von Regisseur und Schauspieler Dario Wehberg.

Dass das Stück, dieses Paradestück der Rebellion gegen die Spießer, gerade im Zentrum eines Adelssitzes gespielt wird, scheint kurios. Doch der märchenhafte Zauber des Themas wäre zweifellos in einer nüchternen Aula nicht so zum Tragen gekommen, wie zwischen Burgmauern. Zum Glück hatte das Wetter keinen Strich durch die Rechnung gemacht und die 300 Zuschauer konnten Schauspielkunst und Location genießen. Zumindest immer dann, wenn die nach ersten Regentropfen panisch geöffneten Schirme wieder geschlossen waren. Als Alternative konnten sich die Zuschauer ja auch die gelben Capes überziehen, die zu Beginn der Vorstellung vom Freundeskreis der Schloss-Spiele verteilt wurden.
Die Aufführung war farbig, berührend und amüsant. Dario Wehberg inszenierte die groteske Mischung aus Drama und Komödie eher als letztere, wobei sie im ersten Teildes Stückes nah an der Grenze des Klamauk spielte.
Das aber gibt die Parabel über Leben und Tod, das Aufeinandertreffen zweier gesellschaftlicher Grenzgänger und zeitloser Klischees her.

Zwei Außenseiter suchen das Leben

Zwei Außenseiter suchen das Leben: Harold ist jung, verwöhnt und todtraurig. Mit seinen zahlreichen inszenierten Selbstmorden hält er die Menschen um sich herum auf Trab. Maude ist arm, alt, voller Lebensfreude und schert sich nicht um Regeln.
Bezeichnenderweise treffen sie sich auf einem Friedhof und schon beginnt der bis dahin öde Alltag des achtzehnjährigen Harold lebendig zu werden. Es ist für ihn allemal interessanter, in die ungewöhnliche Welt einer neunundsiebzigjährigen Frau einzutauchen, als sich von seiner Mutter über eine Heiratsagentur mit jungen Frauen verkuppeln oder gar zum Militär schicken zu lassen. Obwohl Harold und Maude so unterschiedlich sind, fühlen sie sich voneinander angezogen und verbringen immer mehr Zeit miteinander, bis Harold Maude schließlich heiraten will. Am Ende steht der Tod der Einen als der erste Schritt zum Leben für den Anderen. Harold bleibt bereichert zurück! Maude: „Schließlich wurde uns das Leben gegeben, um es zu entdecken“.

Brillante Besetzung

Auch wenn die Technik und und die lineare Anordnung der drei Bühnen es nicht jedem Besucher ermöglichten, alles zu sehen und jeden Dialog zu hören, so war die Premiere doch ein Genuss: Beate Wieser brillierte als ältliche Pippi Langstrumpf-Maude in Latzhose, Zopfkranz und Dutt herzlich, offen und mit einer entwaffnenden Naivität. Mal war sie tattrige alte Frau, die in der Kirche die verschütteten Nüsse vom Boden auflas. Mal war sie tanzendes Hippe-Mädchen, das Gras rauchte, Hanftee trank, Autos, Bäume und Robben stahl und Bilder malte: "Ei über Regenbogen neben Elefant". Man mochte sie am liebsten umarmen.
Alexander Denz lebte seine Rolle und ließ mit feiner Mimik und Gestik seinen Herold sich vom Langweiler zum lebenstüchtigen und willensstarken Herzensmenschen entwickeln. Diesen jungen Mimen möchte man zukünftig gern auf Bühnen sehen.
Herrlich exzentrisch spielte Indra Janorschke die Mutter. Sie brachte deren Gleichgültigkeit genauso authentisch auf die Bühne wie ihre theatralische Verzweiflung. Gelungen sind auch Ariane Raspes Rollenwechsel in die potentiellen Heiratskandidatinnen. Hier setzte die Schauspielerin weniger auf tiefgehende Rollenstudien als auf liebevoll gespielte Klischees.
Zu jeder Zeit den perfekten Pater Finnegan gab Michi Kleiber, sogar als er in der hintersten Ecke des Schlosshofes eine Beerdigung zelebrierte. Aber seinen Höhepunkt hatte er, als er in Gedanken an die körperliche Liebe einer betagten Frau mit einem jungen Mann in Panik ausbrach. Da mag keine Frau altern, wenn Männer sie so sehen! In weiteren Rollen: Simon Jacobi als ratloser Psychotherapeut Dr. Mathews, Stefan Schröder als genervter Inspektor Bernard in Manier eines amerikanischen Cops und Kerstin Mengenbach als Marie.
Alles in allem lief die Premiere wie geschmiert. Was man allerdings vom Wetterhahn nicht sagen konnte, der immer mal wieder lautstark vom Schlossturm quietschte.

Autor:

Silvia Dammer aus Hagen

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