Sekundarschule: NRW erfindet eine neue Schulform ! ? !

Vorab: Die Schulform gibt es schon in verschiedenen anderen Bundesländer, also vonwegen "Wer hat's erfunden?

Folgender Bericht stammt aus "Welt online.de"

Der Bundesumweltminister war zum Scherzen aufgelegt. Als jemand fragte, wer sich den Namen „Sekundarschule“ ausgedacht habe, flachste Norbert Röttgen: „Wir können uns an überhaupt gar nichts erinnern, außer an das Ergebnis, und das haben wir sicherheitshalber aufgeschrieben.“
Der Christdemokrat erntete großes Lachen. Vergnügt saß er mit Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD), Landesschulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) und CDU-Fraktionschef Karl-Josef Laumann im Landtag, um eine Einigung zu verkünden. Nach drei streng geheim gehaltenen Verhandlungsrunden haben sich die Führungspersonen der rot-grünen Landesregierung und der größten Oppositionspartei überraschend auf einen Konsens in der Schulpolitik geeinigt, den alle Beteiligten als historisch bezeichnen.
Sie legten eine gemeinsame Vereinbarung für ein neues Schulgesetz vor, mit dem neben den bestehenden weiterführenden Schulformen eine neue eingeführt wird: die „Sekundarschule“ eben.
"Schulfrieden für die kommenden zwölf Jahre"
„Wir sind uns einig, die seit Jahrzehnten mit großer Heftigkeit geführte Debatte über die richtige Schuldebatte zu beenden. Wir haben für NRW einen Schulfrieden für die kommenden zwölf Jahre beschlossen“, erklärte die Ministerpräsidentin. Es ist groß in Mode gekommen, politische Entscheidungen mit Superlativen zu beschreiben. Auch Röttgen durfte dies bereits üben – beim Atomausstieg auf Bundesebene.
Freilich hat diese Einigung zwischen der rot-grünen Landesregierung und der größten Oppositionspartei eine besondere Bedeutung, auch weil sie nicht so zu erwarten gewesen war. Nebenbei hat Röttgen Pflöcke eingeschlagen für seine eigene Partei, die in der Schulpolitik über ein Zwei-Säulen-Modell mit Gymnasium und Oberschule diskutiert.
Vor allem im CDU-Landesverband, den Röttgen seit einigen Monaten anführt, war die Sorge groß, dass man eigenen Beschlüssen zur Schulpolitik untreu wird. Und dass man der Landesregierung mit der jetzt erzielten Vereinbarung einen Trumpf in die Hand gibt, um sich als Konsensstifterin zu präsentieren und von den bisherigen Regierungsfehlern abzulenken.
In einem Brandbrief an Röttgen und Laumann warnte der CDU-Bezirksverband Bergisches Land davor, man dürfe „nicht zum Steigbügelhalter werden, dass das ideologische Schulkonzept von Rot-Grün Schritt für Schritt umgesetzt wird.“
"Es wird definitiv keine Einheitsschule geben"
Diese Gefahr sieht Norbert Röttgen gebannt, „es wird definitiv in Nordrhein-Westfalen keine Einheitsschule geben“, sagte er und erhielt am Dienstagvormittag fast die einhellige Unterstützung der CDU-Landtagsfraktion, abgesehen von zwei Enthaltungen. Die Aussicht auf einen „Schulfrieden“ Land war ihnen offenbar wichtiger. Vom oft bekundeten Unmut in der Union war nicht mehr viel zu spüren.
Für Röttgen war es die erste große landespolitische Bewährungsprobe. Er war bewusst ein Risiko eingegangen, auch weil ein Kompromiss zu Beginn nicht sicher schien. Sein Kalkül: Zwar müssten beide Seiten eine beschwerliche Strecke bis zum Kompromiss zurücklegen, doch Rot-Grün müsste tendenziell weiter gehen und sogar gegen den eigenen Koalitionsvertrag verstoßen. In dem ist festgeschrieben, dass bis 2015 fast ein Drittel aller weiterführenden Schulen in Gemeinschaftsschulen umgewandelt werden sollen.
Nun haben sich Kraft und ihre Schulministerin Löhrmann in den Verhandlungen von ihrer lange favorisierten, aber umstrittenen „Gemeinschaftsschule“ verabschiedet. „Jeder hat Kröten schlucken müssen“, so die Regierungschefin.
Längeres gemeinsames Lernen bis zur Klasse 10
Das zentrale Element der Gemeinschaftsschule soll in die „Sekundarschule“ hinübergerettet werden: ein längeres gemeinsames Lernen bis zur Klasse 10. Allerdings sollen keine gymnasialen Standards mehr obligatorisch sein, darauf hatte die Union Wert gelegt, um die traditionellen Gymnasien zu schützen.
Außerdem wird die Hauptschule aus der Landesverfassung gestrichen und stattdessen einen Formulierung eingefügt, in der das gegliederte Schulsystem und integrierte Schulformen gleichermaßen festgeschrieben werden. „Ich glaube, dass dieser Konsens in seinen Elementen über Nordrhein-Westfalen hinaus Bedeutung erlangen wird“, so Röttgen.
Auf Rot-Grün lastete ein besonderer Druck, weil das Oberverwaltungsgericht Münster vor wenigen Wochen die Einführung der „Gemeinschaftsschule“ vorläufig gestoppt hatte, weil es keine ausreichende rechtliche Grundlage erkennen konnte und deshalb eine Änderung des Schulgesetzes anmahnte.
Es handelte um einen der größten politischen Rückschläge im ersten Amtsjahr von Ministerpräsidentin Kraft. Mit der „Gemeinschaftsschule“ wollte sie Kommunen, die mit wegen sinkender Schülerzahlen mit drohenden Schulschließungen konfrontiert sind, neue Möglichkeiten eröffnen, den Standort zu erhalten.
Sekundarschule als Kompromiss
Nun wird als Kompromiss die „Sekundarschule“ als eine neue Lösung angeboten, neben Hauptschule, Realschule, Gymnasium, Gesamtschule. Regierung und CDU wollen es ausdrücklich den Kommunen überlassen, wofür sie sich letztlich entscheiden. In einem gemeinsamen Schulgesetzentwurf, das in der Sommerpause erarbeitet wird und im September ins Parlament eingebracht wird, werden freilich Anreize für die „Sekundarschule“ enthalten sein.
Die Klassen sollen kleiner sein als in den anderen Schulformen. Allerdings sollen schrittweise auch dort die Klassen verkleinert werden, um sich nicht dem Vorwurf der Bevorzugung auszusetzen. Dies war eine Forderung der CDU gewesen.
In der Union haben Kritiker zuletzt gewarnt, dass durch ein Konsens mit der Landesregierung auf Jahre hinaus keine Oppositionspolitik mehr in der Schulpolitik möglich sei. Im Landtagswahlkampf 2010 noch war der Kampf gegen die „Einheitsschule“ stilprägend für die Union gewesen.
CDU-Fraktionschef Karl-Josef Laumann versicherte zwar, dass es sich nicht um das Ende der Schuldebatte handele, sondern lediglich um das Ende der Schulformdebatte. Die FDP hingegen warnte vor einem „gefährlichen Konsens“ und sieht eine Privilegierung der Sekundarschule.
Langfristige Friedensklausel
Der Konsens ist noch aus einem anderen Grund heikel für die Union: Das Kompromisspapier deckt mithin die gesamte Schulpolitik ab und enthält eine langfristige Friedensklausel.
Am Ende des Vertrages steht: „Diese Leitlinien bilden die Grundlagen für eine gemeinsame Schulgesetznovelle der Fraktionen von CDU, SPD und Grünen im Landtag von Nordrhein-Westfalen. Sie werden für den Zeitraum bis 2023 verabredet und nicht einseitig aufgekündigt.“

Autor:

Petra Keiten aus Hamminkeln

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