Der Bürger und die Politik(er)verdrossenheit

Es stehen wieder Wahlen ins Haus. Einige Landtagswahlen im nächsten Jahr - zum Beispiel die in Bayern. Und dann im September werden auch wir in Nordrhein-Westfalen gemeinsam mit den Bürgern aller Bundesländern an die Wahlurnen gerufen. So weit so gut, weil die "Wahlkampfvorbereitungen" schon bald anlaufen müssen. Neben den Werbeprofis, die hauptberuflich die besten Motive aussuchen und so vorbereiten müssen, daß sie auch schnellstens an aktuelle Ereignisse angepasst werden können, geht es bei den Leuten an der Basis vor allem um Termine und Aktionsplanungen, von denen der "normale" Wähler nur am Rande etwas mitbekommt.
Trotzdem bekommt der interessierte Fernsehzuschauer, Nachrichtenhörer oder Zeitungsleser schon seit geraumer Zeit mit, dass etwas "im Busch" ist. Wir alle merken, dass die Politiker aus Schleswig-Holstein oder aus Bayern versuchen, sich mit ihren lokalen Anliegen in das Zentrum der Berichterstattung zu schieben. Da werden längst beschlossene Vereinbarungen zwischen den Koalitionären wieder über den Haufen geworfen. So wurde unlängst das sogenannte Betreuungsgeld zwischen den einzelnen Gruppen wieder zerrieben. Und seit Wochenfrist gerät der politische Friede in Deutschland durch das Ausrufen des Kanzlekandidaten wieder außer Rand und Band. Wurde der amtierende Bundestag vom Wähler wie immer für vier Jahre gewählt, scheint es nun, dass die Zeit in der Beschlüsse und verlässliche Politik gemacht wird, immer kürzer wird.
Zu oft nimmt die Zeit vor einer Landtagswahl die Luft aus der Arbeit des Bundestages. Und nicht nur das, die Politiker ändern ihr Auftreten in der Öffentlichkeit, der Ton im Parlament wird härter. Dazu kommt, daß parteipolitische Interessen auf die Belange des von der Wahl betroffenen Bundeslandes gelenkt und konzentriert werden.
Jetzt ist es wieder so weit. Seit seiner Nominierung zum Kanzlerkandidaten der SPD steht Peer Steinbrück und seine zusätzlichen Nebenverdienste im Fadenkreuz der Polemik. Der Lärm um diese Angelegenheit drängt die europäische Finanzkrise genauso vom ersten Platz der Berichterstattung wie die Gefahr der Kriegseskalation zwischen Syrien und der Türkei. Die Sorgen der Bürger scheinen schon ein Jahr vor dem eigentlichen Wahltermin auf die Seite gelegt zu werden. Da scheint es die Kontrahenten auch nicht zu stören, daß sich das Wahlvolk angewiedert von dieser Art der Politik abwendet. Strategische Politikszenen mag niemand. Das gilt besonders dann, wenn sie von Parteien angeführt werden, deren Parlamentarier in der Vergangenheit immer lautstark gegen Reformen zu Gunsten eines durchschaubaren Verhältnisses aufgetreten sind. Viele Themen, wie das der verschwiegenen Einkommen durch Nebentätigkeiten, gehen quer durch alle Fraktionen. Nicht gehaltene Versprechen leider auch.
Die Konsequenz ist eine Wählerschaft, die sich immer öfter von den Wahlurnen fernhält. Das Problem der Sache liegt aber darin, das Politiker nie die Schuld bei sich sehen, sondern die Interessenlosigkeit des Wählers an der Politik im Allgemeinen. Was ja gar nicht stimmt! Immer mehr Menschen mischen sich in tagesaktuelle Themen ein, sei es durch Protest, Bürgerinitiativen oder sonstige öffentliche Kampagnen. Die eigentliche Wahlmaschinerie ist da längst außen vor. Und wenn sich in den parteipolitischen Führungsetagen nicht bald etwas ändert, wenn führende Politiker nicht einsehen, daß es ihr Verschulden ist, dass die Zahl der Wähler weiter rückläufig ist, dann wird auch das Parlament weiter zersplittern weil immer mehr kleine Parteien dort einziehen.

Autor:

Wolfgang Wevelsiep aus Hattingen

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Folgen Sie diesem Profil als Erste/r

1 Kommentar

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.