LSG NRW, L 6 AS 120/17, 23.06.2022
Die Entwicklung der Sozialwohnungen im Märkischer Kreis

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Seit 2014 bestimmte der Märkische Kreis Mietobergrenzen für Leistungsberechtigte. Die Vorgaben wurden mit Konzept-Entwürfen der Hamburger Firma Analyse & Konzepte begründet und dienten der konkreten Absenkung der Mietkostenübernahme bei Leistungsberechtigten.

Anfragen bei zwölf Wohnungsbaugesellschaften im Märkischen Kreis

Am 11.05.2015 wandte sich der Verein aufRECHT e.V. mit einer konkreten Anfrage an 12 Anbieter von Sozialwohnungen. Dabei ging es sowohl um die Frage nach dem Wegfall von angemessenem Wohnraum durch das neue Konzept, aber auch um die Frage der Beteiligung der Wohnungsbaugesellschaften an der Konzeptentwicklung.

"Nach einer telefonischen Nachfrage teilte die Wohnungsgenossenschaft LetmatheOestrich eG per Mail mit:
"Sehr geehrter Herr Wockelmann,
wir nehmen Bezug auf das am 29.05.15 geführte Telefongespräch. In unserem Bestand befinden sich noch 401 Wohnungen die für den berechtigten Personenkreis in Betracht kommen. Hierbei sind ca. 50 % für Einpersonenhaushalte, 40 % für Zweipersonenhaushalte und 10 % für Familien geeignet. Durch die Neuberechnung kommen 124 Wohnungen nicht mehr in Betracht. Wie bereits telefonisch erläutert handelt es sich hier um eine Zeitpunktbetrachtung.
Durch Kündigungsbedingte Neuvermietung und/oder Modernisierung werden von den derzeit noch 401 Wohnungen jedoch kontinuierlich Bestände für den berechtigten Personenkreis wegfallen. Bei den bereits weggefallenen Wohnungen war in 90 % der Fälle die Höhe der Nebenkosten für den Wegfall ausschlaggebend."

In der Rückmeldung der Bau- und Siedlungsgenossenschaft Iserlohn eG wurde mitgeteilt, dass zum Stichtag insgesamt 1289 Wohnungen vorgehalten wurden. Etwa 900 Wohnungen entsprachen den Vorgaben der KDU. Von 231 öffentlich geförderten Wohnungen erfüllten jedoch nur noch 87 Wohnungen den Vorgaben.
"Betrachtet man den gesamten Wohnungsbestand unseres Unternehmens, so kommt man zu dem Ergebnis, dass im Vergleich zu den bis zum 31.12.2013 geltenden Sätzen für die verschiedene Haushaltsgrößen durchschnittlich 50 % weniger Wohnraum angeboten werden kann, da durch die Absenkung der Grenzen ca. 8 - 10 m2 weniger Wohnraum bewilligt wird."
Und:
"Unser Zahlenmaterial ist nicht in den Bericht der Fa. „Analyse und Konzepte Hamburg" eingeflossen."

Und wie sich in den Verhandlungen des LSG NRW,  L 6 AS 120/17 zeigte war auch der größte Iserlohner Anbieter IGW nicht einmal in die statistischen Erhebungen eingebunden worden. Die postalisch angeschriebenen Mieteradressen basierten zu einem Großteil aus Jobcenterbeständen, also einem "zufällig vor sortierten" Mieterkreis.

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Wegfall der Mietpreisbindung im sozialen Wohnungsbau

In einer ersten Anfrage vom 10.10.2018 an die Kommunalverwaltung Iserlohn zur Entwicklung der Sozialwohnungen in Iserlohn 1990-2018 wurde mitgeteilt:

In zehn Jahren wurden mehr als 1/3 aller Sozialwohnungen in Iserlohn vernichtet. Der Bestand sank von 4858 im Jahr 2007 auf nur noch 3037 im Jahr 2017.

Eine Nachfrage vom 17.10.2022 zur weiteren Entwicklung der Sozialwohnungen im Märkischen Kreis 2018-2022 blieb bisher noch unbeantwortet.

Die Veräußerung ehemaliger Sozialwohnungen an LEG, Vonovia (Gagfah) etc. führte auch im Märkischen Kreis zu Mietwucher durch Börsenplatzierung.

Sieben Jahre Verfahrensverschleppung

Das Ausgangsverfahren begann mit einer Aufforderung zur Mietsenkung vom 03.11.2014 nach dem Auszug des Sohnes. Das Jobcenter-Schreiben behauptet einen "grundsicherungsrelevanten Mietspiegel des Märkischen Kreises" vorzuhalten. "Ihre Unterkunftskosten (Kaltmiete inkl. kalter Nebenkosten) übersteigen daher die angemessenen Kosten der Unterkunft um 41,50 €."
Diese Aussage war umgangssprachlich eine Lüge, eine Täuschung, ein Bluff.
Tausendfach wurden Konzept-Entwürfe als zertifizierte "Ausweis-Dokumente" vorgegaukelt. Dabei muss vorausgesetzt werden,  dass ausnahmslos jeder Sachbearbeiter weiß, dass Falschgeld wertlos ist, und wenn es noch so gut gefälscht ist.  

Am 01.12.2016 kam es endlich zu einem Gerichtstermin vor dem Sozialgericht in Dortmund. Drei Verfahren, drei Rechtsanwälte. Im erst terminierten Verfahren hatte Richter Lund eine Rechtsanwältin vorgezogen, die im Verfahren bereits für Laien erkennen ließ, dass sie in diesem Thema nur unzureichend informiert war. Der Richter winkte das "Konzept" durch. Passt.

Das 2. Verfahren des Tages S 19 AS 3392/15 wurde durch RA Lars Schulte-Bräucker begleitet. Der nutze die Zeugenbefragung und brachte die richtigen Fragen. Es stellte sich schnell heraus, dass der vorsitzende Richter zur Prüfung der Schlüssigkeit des Konzept-Entwurfs nicht einmal die Rohdaten angefordert hatte. Also ein Urteilspruch aus dem Kaffeesatz? 

Auch Pressevertreter waren eingeladen. Für den wdr schrieb Heinz Krischer einen Artikel 
Iserlohnerin klagt gegen Hartz IV­-Mietspiegel .  Darin zitierte er Volker Riecke, (den ehemaligen) Leiter des Jobcenters im Märkischen Kreis:

Schon 700 Widersprüche
"Hintergrund war die Situation am Wohnungsmarkt in den Jahren 2013 und 2014", sagt Volker Riecke, Leiter des Jobcenters im Märkischen Kreis. Weil es durch den demografischen Wandel zu Leerständen gekommen sei, seien auch die Mieten gesunken. Mit den neuen Sätzen habe man sich nur an die Realität angepasst. Dass allerdings viele Hartz IV­-Bezieher angeben, mit diesen neuen Werten nicht klarzukommen, weiß auch Riecke. 2015 und in diesem Jahr bis September gab es schon rund 700 Widersprüche gegen Bescheide des Jobcenters, wo es um die Kosten der Unterkunft geht.

Mit Urteil des LSG NRW, L 6 AS 120/17, 23.06.2022 ist festgestellt,

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Autor:

Ulrich Wockelmann aus Iserlohn

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