Bargeld oder Lebensmittelgutschein? – endlich Umdenken im Jobcenter Märkischer Kreis?

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Es gibt viele Fallstricke im Behördensumpf. Ein wiederkehrender Fehler im Denken von Jobcenter-Kunden besteht darin, dass viele glauben ihrer „Mitwirkungspflicht“ nachgekommen zu sein, indem sie Unterlagen einreichen, in den Haus-Briefkasten einwerfen oder auch einem Jobcentermitarbeiter zum sofortigen Kopieren in die Hand geben.
In nicht wenigen Fällen kostet dieses naive Vertrauen die Kunden Hunderte von Euros. Wohlgemerkt: dabei handelt es sich regelmäßig um eine Unterdeckung des angeblich durch die „Verfassung“ geschützten Grundrechts auf Existenzsicherung.
Jede mündliche Zusage auf Leistungen ist nichts wert. Und selbst schriftliche Auskünfte garantieren nicht die Rechtskonformität. Leichtfertiges Vertrauen führt auch hier zur Vermögensschädigung. Kunden werden dabei um ihnen zustehende Sozialleistungen „betrogen“.
Nur eine Eingangsbestätigung in Schriftform gilt als gerichtsfester Nachweis.

Allerdings sind zum Beispiel regelmäßig in Widerspruchsbescheiden Phrasen wie diese zu lesen:
„Die Widerspruchsbegründung kann zu keiner anderen Entscheidung führen, weil . . .
[. . . ]
Der Widerspruch konnte deshalb keinen Erfolg haben.“

Vor Gericht wird eine Vielzahl solcher Bescheide als rechtswidrig ausgeurteilt und verworfen.

Ein anderer wiederkehrender Fehler besteht darin, zu glauben, dass alle Jobcentermitarbeiter rechtskonform und umfassend im Interesse Ihrer „Kunden“ beraten würden, wie es der Dienstauftrag im SGB I §§13-17 vorsieht.
Auch das ist - hundertfach nachweisbar - falsch! Ebenfalls beweisweisbar ist auch, dass Kunden rechtsgrundlos mit Ordnungswidrigkeitsverfahren und Strafanzeigen überzogen und ungerechtfertigte Hausverbote ausgesprochen werden.

Verantwortliche für das flächendeckende Misstrauen gegenüber dem Jobcenter werden wahrscheinlich keine Verantwortung übernehmen . . .

Es ist bedauerlich, aber folgerichtig ist, dass auch alle ehrenwerten und vertrauenswürdigen Mitarbeiter durch „die Auffälligen“ in Mitleidenschaft gezogen werden.
Auch mangelnde Schulungen und rechtswidrige Dienstanweisungen beschädigen das Ansehen der korrekten Jobcentermitarbeiter.

Ein Beispiel von rechtswidrigem Behördenhandeln im Jobcenter Märkischer Kreis ist der Umgang mit dem § 24 des SGB II „Abweichende Erbringung von Leistungen“. Seit der Einführung von Hartz IV setzt sich die Geschäftsführung des Jobcenter Märkischer Kreis regelmäßig über die gesetzlichen Vorgaben hinweg und die Jobcenter-Mitarbeiter werden offensichtlich gedrängt auch wider besseres Wissen „Iserlohner Dorfrecht“ über die Anwendung des SGB zu stellen. Das ist für nicht wenige Mitarbeiter eine ernste Gewissensfrage.

§ 24 (2) SGB II regelt:
„(2) Solange sich Leistungsberechtigte, insbesondere bei Drogen- oder
Alkoholabhängigkeit sowie im Falle unwirtschaftlichen Verhaltens, als ungeeignet erweisen, mit den Leistungen für den Regelbedarf nach § 20 ihren Bedarf zu decken, kann das Arbeitslosengeld II bis zur Höhe des Regelbedarfs für den Lebensunterhalt in voller Höhe oder anteilig in Form von Sachleistungen erbracht werden.“
Lebensmittelgutscheine

Im aktuellen Beispiel wurden einem Leistungsberechtigten die Zahlungen vollständig eingestellt.
Mit Schreiben vom 23.11.2015 begründete die Vermittlerin ihre Entscheidung wie folgt:

Ihre Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes wurden gemäß § 40 Absatz 2 Nummer 4 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV in Verbindung mit § 331 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) vorläufig ganz eingestellt.

Ihre Leistungen wurden vorläufig eingestellt.
Sie nahmen Termine bei Fr. Sch. nicht wahr. Es bestehen Zweifel an Hilfebedürftigkeit und Erreichbarkeit. Lassen Sie sich über die Eingangszone einen Termin bei Fr. Sch. bis spätestens 07.12.15 geben, den Sie dann auch
wahrnehmen.

Die vorläufig eingestellten laufenden Leistungen werden unverzüglich nachgezahlt, soweit der Bescheid, aus dem sich der Anspruch ergibt, zwei Monate nach der vorläufigen Einstellung der Zahlung nicht mit Wirkung für die Vergangenheit
aufgehoben wird.

Über das Ergebnis dieser Prüfung werden Sie gesondert informiert.

Im Termin stellte der Erwerbslose glaubhaft dar, dass er mehrere Arbeitsunfähigkeitbescheinigungen bei einem „Bildungsträger“ eingereicht hatte und er sich damit von Terminswahrnehmungen ausgenommen sah. Der Bildungsträger hatte die Weiterleitung der AU’s bestätigt, die Arbeitsvermittlerin leugnete den Erhalt derselben. Vermutlich haben alle Recht, aber einem wurde in der Folge seine ganze Existenzgrundlage genommen.

Nachdem die Situation aufgeklärt war, wurde sofort die Zusage erteilt, dass die Leistungen wieder angewiesen würden. Aber weitere vier Tage ohne Bargeld ist für Leistungsempfänger nicht selten eine richtige Katastrophe. Von Gesetzeswegen bestand der Anspruch auf die vollständigen Leistungen bereits seit 10 Tagen. Der Kunde begehrte eine Barauszahlung in Höhe von 100,00 €. Angeboten wurde ihm ein Lebensmittelgutschein in Höhe von 50,00 €. Daraufhin wurde vorgetragen der hauseigene Geldautomat sei defekt. Die alternative Möglichkeit per Barscheck wurde zunächst zurückgewiesen.

Nach ca 1 ¾ Stunden verließen wir das Jobcenter mit einem Barscheck über die beantragten 100,00 € und lösten diesen kurz darauf ein. Es geht doch.

Autor:

Ulrich Wockelmann aus Iserlohn

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