Play-offs als emotionales Highlight - Interview mit Roosters-Fanbeauftragtem "Alf" Schlüter

Matthias "Alf" Schlüter, Fanbeauftragter der Iserlohn Roosters im Stadtspiegel-Interview vor den in wenigen Tagen beginnenden Viertelfinal-Play-offs. | Foto: privat
  • Matthias "Alf" Schlüter, Fanbeauftragter der Iserlohn Roosters im Stadtspiegel-Interview vor den in wenigen Tagen beginnenden Viertelfinal-Play-offs.
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Text von André Günther

Ohne ihre Fans wären die Roosters wohl nur die Hälfte wert. Grund genug, vor der heißen Play-off-Phase einmal mit Matthias „Alf“ Schlüter zu sprechen, als Fanbeauftragter quasi der direkte Draht zwischen Verein und seinen Anhängern.

Wie hast Du, zusammen mit den Iserlohner Fans, die aufregende Endphase der Hauptrunde, mit all den Höhen und Tiefen nach der Nationalmannschaftspause, miterlebt?

Matthias „Alf“ Schlüter: „Als es am 13. Februar endlich für die Roosters wieder aufs Eis ging begann die heiße Phase der Saison für mich persönlich mit einem der traurigsten und emotionalsten Momente meiner bisherigen Fan-„Laufbahn“. Ich durfte auf dem Eis die Nachrede für den wenige Tage vorher verstorbenen Martin „Opa“ Brinkmann halten. Wenn 5.000 Leute plötzlich mucksmäuschenstill sind und dir zuhören, ist das schon heftig. Aber das Verhalten unserer Fans und der anschließende Applaus waren absolut angemessen.
Zu dieser Zeit liefen auch meine Planungen für mögliche Auswärtsfahrten oder einen Sonderzug in den Play-Offs schon an. Alles noch unter Vorbehalt und mehrgleisig, aber der sonst für einen Sonderzug übliche Planungs-Zeitrahmen von zwei Monaten war hier deutlich kürzer und ungewisser. Auch das folgende Wochenende lieferte uns Fans mit der Heimniederlage gegen Wolfsburg und dem Overtime-Sieg in Köln wieder eine emotionale Achterbahn vom Allerfeinsten. Dennoch war es ein gutes Gefühl, wieder einmal grinsend die Lanxess-Arena zu verlassen. Die Roosters hatten es selbst in der Hand, mit einem Sieg in einem der letzten beiden Spiele endgültig unseren Traum vom direkten Viertelfinal-Einzug wahr werden zu lassen. Entsprechend hoch waren auch Nervosität und Motivation in der Woche vor dem Hauptrunden-Finale. Was kann man tun, um das Team zu unterstützen, die Atmosphäre noch intensiver werden zu lassen, welche Highlights setzt man? Emails wurden en masse geschrieben, das Fanprojekt kümmerte sich um Wunderkerzen, um die Eishalle am Seilersee wieder einmal mit dem Feuer der Eishockeyfan-Leidenschaft zu erfüllen, die, wie ich hoffte, richtigen Protagonisten für meinen After Game Talk wurden ausgesucht. Kurz gesagt, es wurden alle Register gezogen, um das Erreichen des sechsten Platzes angemessen zu zelebrieren. Und wieder kam alles anders. Die Roosters begannen stark, führten gegen Ingolstadt mit 3:1. Dann kamen die Panther zurück und das große Zittern begann, für mich neben Mathias Lange im Kabinengang, wo ich schon auf meine Gäste für den Talk wartete. Die Enttäuschung, als neun Sekunden vor Ende der Ausgleich fiel, der Frust als es dann auch mit dem Extrapunkt nichts wurde, der uns immer noch gereicht hätte. Also hieß es aus Fansicht nach einem sehr knappen After Game Talk mit Collin Danielsmeier und Daniar Dschunussow: was nun? Mein Freund Sebastian „Semmel“ Jochheim, der seit einem Jahr das IFP leitet und seit dieser Saison bei vielen Spielen auch die rhythmusgebenden Bongo-Trommeln in der Tribünenmitte bedient, machte uns schon am Freitagabend verrückt. Wir hatten es eigentlich nicht vor, aber nun müssen wir doch am Sonntag nach Berlin fahren, um unser Team zu unterstützen, gemeinsam den letzten Schritt zu gehen. Gesagt, getan, alle Hebel in Bewegung gesetzt, vier Karten organisiert und am Sonntagmorgen nach einer viel zu kurzen Nacht den Weg über die A2 in die O2 World gefunden. Das Spiel der Jungs spiegelte die Saison innerhalb von 60 Minuten wider. Führung, Ausgleich, Führung, Ausgleich, dann das Schwinden der Hoffnung, als zweieinhalb Minuten vor Ende Brodie Dupont auf die Strafbank musste. Schaffen die Jungs das? Wie denn, Berlin ist in Überzahl saustark!? Aber wir haben Lange und wir haben ein Team. Und wir haben Chad Bassen, der mittlerweile ein mehr als wichtiger Baustein in diesem Team ist. Er ergaunert sich den Puck an der blauen Linie und erzielt bei 4 gegen 6 Unterzahl das siegbringende 3:2! Der Gästeblock liegt sich rund um die ganzen Berliner Eventfans in den Armen, das Ziel ist erreicht, jeder einzelne gefahrene Kilometer gelohnt. Jubel, Freude und Stolz über unser Team sind überwältigend.
Und wer weiß schon, was nun noch folgen wird…?“

Wären Platz sieben oder acht am Ende nach dem Saisonverlauf sogar vielleicht schon eine kleine Enttäuschung gewesen?

„Vielleicht im ersten Moment, nach Ende des Spiels. Aber auf keinen Fall länger. Wir hätten dann alle zusammen nochmal den Karren ordentlich anschieben und die Aufgabe 1. Play-off-Runde angehen müssen. Angst hätten wir vor keinem dieser Gegner haben müssen.
Aber eine richtig tiefe Enttäuschung wäre das auf Dauer keinesfalls gewesen. Dazu hat uns diese Mannschaft viel zu oft begeistert und viel zu viele tolle Spiele geliefert. Enttäuscht wäre ich vielleicht gewesen, wenn es auf dem zweiten Weg nicht für das Viertelfinale gereicht hätte. Denn das wäre nach dieser Saison wirklich schade gewesen. Wer kann schon sagen, wie oft wir in den nächsten Jahren eine Mannschaft bekommen, in der es menschlich so gut passt und die auch so beeindruckend auf Ausfälle reagiert?“

Vor zwei Jahren kamen im Schnitt knapp 3.500 Zuschauer zu den Heimspielen. In dieser Saison waren es nach der Hauptrunde 800 mehr pro Spiel. Wie wichtig ist Erfolg für die Fans der Roosters?

„Das ist natürlich ein tolles Zeichen dafür, wie attraktiv die Roosters sind, wenn sie Erfolg haben. Die Fans freuen sich sehr darüber, wenn der Verein über Eintrittsgelder und Gastronomie zusätzliches Geld einnehmen kann, das sicher helfen kann, auch für die nächste Spielzeit eine tolle Mannschaft aufzustellen. Andererseits ist es manchmal schade, wenn viele Leute im Stadion sind, die mit den Gesängen und Ritualen der Fans weniger vertraut sind. Manchmal leidet die Stimmung leider darunter. Aber vielleicht die Fanvertreter zerbrechen sich auch laufend die Köpfe darüber, wie man sich den Leuten besser mitteilen, sie besser bei der Unterstützung mitreißen kann. Denn eines ist auch klar: ein ausverkauftes Haus, das tobt und hinter seinen Roosters steht, ist weit mehr als nur ein siebter Mann. Und das werden die Ingolstädter ab dem 13. März sicherlich auch erfahren."

Wie macht sich die Play-off-Euphorie bemerkbar?

„Vor allem organisatorisch. Ich bekomme momentan etwa zehnmal so viel Emails und Anfragen wie während der Hauptrunde. Es gibt viele kleine Fragen zu Eintrittskarten oder Auswärtsfahrten, die beantwortet werden wollen. Zudem müssen diejenigen Fanclubs, die zu dem einen oder anderen Spiel in Ingolstadt per Bus reisen wollen, bei den Abläufen und der Kartenbestellung unterstützt werden. Und natürlich quillen in der heutigen Zeit die sozialen Medien wie Facebook oder Twitter über vor Fotos, Filmen und sonstigen Jubelbezeugungen unserer Fans.“

Was bedeutet für Dich als Fanbeauftragter die Viertelfinal-Teilnahme persönlich an Organisationsstress?

„Nachdem wir den Gedanken mit dem Sonderzug haben fallen lassen, worauf ich nachher noch eingehe, ist es natürlich deutlich ruhiger geworden. Je einen Bus zu jedem Auswärtsspiel anzubieten, gehört ja schon fast zum Tagesgeschäft. Die Abwicklung sollte durch die Unterstützung meiner ebenso eishockeyverrückten Frau Astrid sowie meiner Co-Organisatoren Sebastian und Robin reibungslos verlaufen. Die gesamte Kartenabwicklung über die Fanclubs verläuft nach Anfangsproblemen ebenso reibungslos, hier ziehen momentan wirklich alle an einem Strang. Intensiver wird die Organisation dann sicherlich wieder wenn die Spiele beginnen, schließlich muss auch noch Zeit für Familie und Job gefunden werden. Aber das habe ich 2008 und im letzten Jahr auch irgendwie hinbekommen.“

Warum wird der angedachte Sonderzug zu Spiel 3 in Ingolstadt nicht stattfinden?

„Das Thema wird ja auch im Internet schon heiß diskutiert. Vielleicht kann ich hier noch einmal für etwas mehr Klarheit sorgen. Schuld hat auf keinen Fall der ERC Ingolstadt. Im Gegenteil, die Gespräche mit Herrn Rausch vom Ticketing waren sehr produktiv und hätten wahrscheinlich sogar dazu geführt, unter normalen Umständen einen erfolgreichen Sonderzug organisieren zu können. Nein, der Grund, warum ich den Sonderzug abgesagt habe, ist ganz einfach die Euphorie unserer Fans. Die Nachfrage nach Karten wäre in keinster Weise zu befriedigen gewesen. Die Saturn-Arena in Ingolstadt ist mit einem Fassungsvermögen von 4.816 Zuschauern noch eine Spur kleiner als unsere Eishalle. Gegenseitig stellen sich die Vereine ca. 500 Karten für die Play-Offs zur Verfügung, obwohl es in der DEL hier keine vorgeschriebenen Regeln gibt, wie im Fußball, wo dem Gastverein 10 Prozent der Plätze zur Verfügung gestellt werden müssen. Aber auch mit 500 Tickets macht man keinen Sonderzug, der Preis wäre inklusive Karte kaum unter 100 Euro zu halten gewesen. Also musste verhandelt werden. 700 Mitfahrer im Zug, das war meine Vorstellung. Dazu hätte ich aber nochmal 100 Tickets gebraucht, damit ich auch einem Teil der Fans helfen kann, die in der Region wohnen, da wir auch Fans in Nieder-, Oberbayern und Franken haben, die sich dieses Spektakel nicht entgehen lassen wollen aber auch nicht extra zur Fahrt eines Sonderzugs nach Iserlohn reisen können. Obendrauf gibt es auch viele Fans, die sich eine Mitfahrt im teuren Sonderzug nicht leisten können oder wollen und die, die gerne mit Übernachtung nach Bayern reisen wollen. An 800 Tickets war dann leider pauschal überhaupt nicht mehr zu denken, dazu hätte der ERC Ingolstadt dann viele eigene Fans vor den Kopf stoßen müssen, und das können und wollen die natürlich in den Play-Offs genauso wenig wie wir. Den Montag nach dem Spiel in Berlin wollte ich trotzdem noch einmal nutzen und versuchen, an Karten zu bekommen, was machbar war. Parallel habe ich beim Zuganbieter Druck gemacht, mit dem Ziel, den Zug zu kürzen, eventuell auf wenige komfortable Wagen auszuweichen, um so den Preis zu senken. Die ersten positiven Zeichen ergaben sich hier gegen Mittag, zeitgleich kamen aber immer mehr Anfragen nach Karten per Email und Handy rein. Wieder waren einige große Gruppen dabei, die Karten haben wollten, sogar ein Fanclub, der einen Bus plante. Zu diesem Zeitpunkt hätte ich wahrscheinlich mit 1.000 Karten noch Probleme gehabt. Als ich dann aus Ingolstadt die Nachricht erhielt, dass bereits über 200 Karten online nach Iserlohn und NRW gegangen sind, habe ich den Stecker gezogen. Auch wenn ich statt der ursprünglich geplanten 500 Tickets nun 600 oder 700 bekommen hätte, es wäre unmöglich gewesen, dieses Kontingent gerecht zu verteilen. Daher habe ich entschieden, alle Gästekarten in Ingolstadt bis auf 200 Stück freizugeben und alle Anfragen auf den Online-Verkauf beim ERC zu verweisen. Bis auf vier Fanclubs, die nun Busse einsetzen, hat damit jeder Fan die gleiche Chance bekommen, seine Tickets zu bestellen. Und das wird auch bei den weiteren Spielen in Ingolstadt so laufen.“

Gibt es erneut die Hölle am Seilersee, auf die sich die Ingolstädter einstellen müssen?

„Das will ich hoffen. Ich erinnere mich gerne an die Spiele gegen München und Hamburg im letzten Frühjahr zurück. Das war Iserlohn pur, emotionaler, hitziger Sport, aber auch faire Fans, die nach Spielende gemeinsam über die Spiele sprachen und noch das eine oder andere Bier leerten. Was geklärt werden musste, wurde auf dem Eis geklärt. Aber ich bin mal gespannt, wer in der anstehenden Runde die David-Wolf-Rolle übernimmt.
Über unsere Stimmung mache ich mir keine Sorgen. Bei den Heimspielen werden unsere Fans eine Macht sein, durch den Kartenverkauf an Vereinsmitglieder und Dauerkarten-Inhaber wird die Zahl der sogenannten „Eventies“ zu diesen Spielen deutlich geringer. Wir werden uns und unser Team emotional wieder so pushen, das wird ein absolutes Highlight.“

Was trauen die Fans der Mannschaft in diesem Jahr zu?

„Alles. Unser jetziger Gegner hat es uns doch im letzten Jahr vorgemacht. Im Dezember wurden die Panther noch von ihren eigenen Fans als „Versager“ beschimpft, vier Monate später waren die unsterblich. Dass es möglich ist, bis ganz zum Schluss dabei zu sein, haben wir also gesehen. Dass wir in jedem Spiel eine Chance haben, haben wir auch gesehen. Es steht kein Team in den Top Six, gegen das wir nicht gewinnen konnten. Möglich ist also Vieles. Ich persönlich sehe das von Spiel zu Spiel: Zuerst einmal möchte ich ein tolles Spiel sehen, das die Roosters gewinnen. Dann gerne ein zweites oder drittes. Und wenn es am Ende zwölf sind werde ich mich bestimmt nicht beklagen.“

Autor:

Christoph Schulte aus Hemer

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