Angkor ? Wat ?

Wie die Ruinen von Angkor soll Marl von der Natur überwuchert werden
  • Wie die Ruinen von Angkor soll Marl von der Natur überwuchert werden
  • hochgeladen von Michael Sandkühler

Kulturausschuss geht auf utopische Wolkenreise

Der Kulturausschuss der Stadt Marl schwebte in bunten utopischen Gedanken und einige Mitglieder waren überhaupt nicht zu bremsen in ihrer Euphorie. Sie hatten Tagträume von Millionen von Touristen, die spätestens in 20 Jahren das Marler Stadtgebiet überfluten, um das dann hier existierende UNESCO-Weltkulturerbe zu besichtigen. Eine Aufbruchstimmung, wie sie unsere Großeltern in den 1960er Jahren in Marl gespürt haben müssen, schwebte wie ein kultureller heiliger Geist durch den Raum. Was war da passiert ?

Auf der Tagesordnung stand ein Vortrag des österreichischen Architekten Theo Deutinger. Der entwarf ein Gedankengebilde über die übergroße Bedeutung der Marler Architektur der letzten Jahrzehnte, insbesondere der abgewrackten Gebäude wir Goliath, Jahn Stadion, Hallenbad, Rathaus usw. Seiner Meinung nach müßte Marl seine Gebäude erhalten und nicht abreißen.

Vor allen Dingen sollte die Hallenbadruine unbedingt erhalten werden und von der Natur zurückgeholt werden. Dazu zeigte er Fotos des Hallenbads, wo mittlerweile Birken aus den Fußbodenplatten sprießen. Weiterhin könne man bei abgewrackten Hochhäusern, die vor dem Abriss stehen, überlegen, ob man dort nicht „vertikale Landwirtschaft“ betreiben könne, mit Gemüsebeeten und hängenden Pflanzen an der Außenseite. Dazu müssen die Gebäude aber stehen bleiben. Er hätte schon Vorträge über Marl in vielen europäischen Ländern gehalten und hätte viel Zustimmung erhalten.

Marl ist seiner Meinung nach so etwas wie das deutsche Angkor Wat, die kambodschanische Tempelstadt in der sich der Dschungel die Gebäude zurückholt hatte.

Er führte weiter aus, dass Marl durch seine Architektur der niederländischen Rathausarchitekten, insbesondere in unserem Nachbarland große Bekanntheit habe und dort alles mit Interesse verfolgt würde. Sollte man sich entschließen das Hallenbad der Natur zurückzugeben, stellte er Fördermittel aus Holland in Aussicht.

Der Vortrag blieb nicht ohne Wirkung, sofort begannen einige Ausschussmitglieder hektisch nach einer Änderung der Tagesordnungen von Stadtplanungsausschuss und Rat zu rufen, da dort ja der Abriss des Hallenbades beschlossen werden soll.

Mahnende Hinweise des Vertreters des Bauamts, Herrn Schaffrath, dass man bei dem Zustand des Bads und insbesondere der Decke überhaupt nicht daran denken solle, führte dazu, dass einzelne Ausschussmitglieder schon Szenarien ersannen, wie man das Dach vorsichtig abtragen könne. Die Hälfte des Ausschusses verfiel den märchenhaften Ausführungen des Visionärs. Eigentlich hätte man den Architekten darauf aufmerksam machen sollen, dass die Hälfte der Gebäude, die er in seine Planungen einbezog entweder schon gesprengt oder verkauft sind.

Aber es ging weiter. Vergleiche mit der Weltkulturerbezeche Zollverein wurden gezogen. Marl stehe auf derselben Stufe. Zollverein wäre ein Relikt der Industriekultur und Marl eben eines der Moderne. 500.000 Besucher, die alle die Naturruinen bestaunen möchten, wären realistisch.

Nun war es endlich an der Zeit, dass der Ausschussvorsitzende Karl-Heinz Dargel die Reißleine zog und seine Kollegen aus ihren psychedelischen Träumen riss. Ganz nüchtern beleuchtete er die Situation und erklärte, dass er sich nicht vorstellen könnte, dass der Vorschlag realistisch wäre. Jahrelang hätte man nach Lösungen für das Hallenbad gesucht und jetzt wird dieser Schandfleck allein schon aus Sicherheitsgründen beseitigt. Auch vom Weltkulturerbe wäre Marl weit entfernt. Genauso konnte er sich nicht vorstellen, dass Holland für Marl Fördermittel bereitstellen wird. Der Visionär hätte auch übersehen, dass die Holländer zwar stolz auf ihre Architekten des Rathauses sein mögen, aber das Hallenbad vom Marler Architekten Thielke gebaut worden wäre und der würde die Holländer wohl nicht interessieren.

Danach herrschte Katerstimmung bei den Parteien und ein Mitglied einer Wählergemeinschaft war beleidigt, weil alle anderen es nicht verstehen würden.

Wenn man Beispiele sucht, warum politische Sitzungen im Internet übertragen werden sollten, sollte man diesen Ausschuss wählen. Kulturausschusssitzungen sind eine Show.

Autor:

Michael Sandkühler aus Marl

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