Dr. Jörn Wendland auf der Gedenkfeier der Stadt Marl am Holocausttag 27.1.2019

Dr. Jörn Wendland
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Gastreferent der Gedenkfeier war Dr. Jörn Wendland. In einem Kurzvortrag widmete sich der Kunst- und Kulturwissenschaftler den künstlerischen Werken, die inhaftierte Männer, Frauen und Kinder in Konzentrationslagern angefertigt haben. Er sprach  über die Entstehungsbedingungen, Ausdrucksformen und die autobiografische Dimension dieser Malereien und Zeichnungen.
Wie Kunstwerke beim Erinnerungsprozess helfen können, erläuterte Dr. Jörn Wendland und gab damit den fachlichen Impuls zum diesjährigen Thema der Gedenkfeier „Für heute – Kunst aus dem Grauen“.

Auch während der Lagerzeit versuchten einige Gefangenen, das gerade erlebte Grauen zu dokumentieren und stellten heimlich oder auch im offiziellen Auftrag zahlreiche Zeichnungen und Gemälde her. Angesichts der katastrophalen Lebensbedingungen erscheint Kunst im KZ kaum vorstellbar. Die größten Probleme bei der Produktion verbotener Bilder waren zunächst die schwierige Beschaffung von Zeichen- und Malutensilien, dann die zur Verfügung stehende Zeit und der Ort, an dem man ungestört arbeiten konnte, und schließlich die Suche nach einem geeigneten Versteck. Über allem stand die permanente Bedrohung durch den Terror der SS.

Aus einem Lagertagebuch

Warum manche Häftlinge trotz allem im KZ künstlerisch tätig waren, lässt sich heute nur schwer erklären. Eine mögliche Antwort gibt der Maler Franciszek Jazwiecki in seinem Lagertagebuch:

»Um eine Weile Glück zu erringen, vor allem, um zu vergessen, zeichnete ich mit Bleistift und zeichnete weiter in den Lagern Porträts, weil ich keine anderen Mittel hatte. Diese im Verborgenen gemachten Porträts ließen mich vergessen, führten mich in eine andere Welt, in meine Welt der Kunst. Dass Zeichnen mit dem Tode bestraft wurde, nahm ich einfach nicht zur Kenntnis, nicht weil ich mutig war, sondern weil ich die Gefahr nicht beachtete, so anziehend war es, zu schaffen in der eigenen Welt (…). Der Verlust meiner Arbeiten erfüllte mich jedes Mal mit tiefer Trauer und nur unter Anspornung der ganzen Willenskraft und Selbstüberwindung begann ich mit der Arbeit von vorn.«

Dieser Rückgriff auf die Welt der Kunst kann auch als eine Art des geistigen Widerstandes gesehen werden, der Versuch, ein Stück innere Freiheit angesichts eines barbarischen Umfeldes zu bewahren. Ein weiterer wichtiger Beweggrund war der Wunsch mit Hilfe der Kunst die Verbrechen der Nazis zu dokumentieren und ein Zeugnis für die Nachwelt zu schaffen.

Wie viele Kunstwerke in den verschiedenen Lagern der Nationalsozialisten geschaffen wurden, ist unbekannt. Nach Schätzungen sind bis zu 30.000 künstlerische Arbeiten in den KZs und Gettos entstanden. Viele Werke wurden zerstört, andere gingen auf der Flucht verloren oder wurden von der SS beschlagnahmt. Die größten Sammlung dieser sogenannten Holocaust-Kunst ist in Yad Vashem, Jerusalem, im United States Holocaust Museum, Washington D.C und im Museum Auschwitz, Oświęcim zu finden.

Wichtig ist, dass man nicht aufhört zu fragen.“
(Albert Einstein)

Autor:

Siegfried Schönfeld aus Marl

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