Verfahren vor dem Arbeitsgericht : Heimträger soll dienstliche Arbeitskleidung einer Pflegekraft bezahlen

Arbeitsgericht Herne
3Bilder

Seit Einführung der Pflegeversicherung 1995 hat sich das Durchschnittsalter der Bewohnerinnen und Bewohner in stationären Pflegeeinrichtungen kontinuierlich erhöht. Diese benötigen heute erheblich mehr Grund- und Behandlungspflege. Außerdem hat sich die durchschnittliche Aufenthaltszeit von Pflegebedürftigen in Heimen erheblich verringert. Zunehmende Multimorbidität und Demenz erschweren den Alltag der Bewohnerschaft und machen sie anfälliger für Infektionen. Infektionen in stationären Pflegeeinrichtungen sind deshalb nichts Außergewöhnliches mehr. MRSA-, Clostridien- und Salmonellen-Bakterien, Noro- und Herpes-Viren, Krätze-Parasiten und Candida-Albicans-Pilz sind nur einige der sich hier immer wieder ausbreitenden Erreger der Risikogruppe 2. Und erst jüngst stellte der Corona-Virus SARS-CoV-2 die Lebensbedingungen in den Pflegeheimen auf den Kopf und offenbarte neben den Mängeln bei den Arbeitsbedingungen der Beschäftigten auch die Mängel beim Infektionsschutz und der Hygiene in den stationären Pflegeeinrichtungen.

Arbeitskleidung

Beschäftigte in der Hauswirtschaft sind z.B. verpflichtet, dienstliche Arbeitskleidung zu tragen. „Der Heimträger muss den Beschäftigten gemäß dem Lebensmittelrecht die Arbeitskleidung zur Verfügung stellen und ist verpflichtet, die Kleidung regelmäßig desinfizierend zu reinigen“ erläutert die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende und Hauswirtschafterin Anja Willamowski. Sie hält es für skandalös, dass das nicht schon längst auch für die Pflegekräfte gilt: „Es kann doch nicht sein, dass der Brokkoli in der Küche eines Heimes besser geschützt ist als die Pflegebedürftigen und die Pflegekräfte.“

Dienstkleidung

Im AWO-Seniorenzentrum waren vor 7 Jahren alle Vorbereitungen für die Einführung von dienstlicher Arbeitskleidung für die Pflegekräfte getroffen worden. Detlev Beyer-Peters, Betriebsratsvorsitzender und Pfegefachkraft, berichtet dazu: „Umkleideräume, Wasch- und Duschgelegenheiten sowie Toiletten waren nach den gesetzlichen Vorgaben errichtet worden. Dienstkleidung war schon zu Hauf eingelagert gewesen. Unerwartet hat dann der Träger des Seniorenzentrums Recklinghausen, der AWO-Bezirk Westliches Westfalen e.V. in Dortmund, aus reinen Kostengründen auf eine Einführung dienstlicher Arbeitskleidung verzichtet.“

Arbeitskleidung der Pflegekräfte

Wie eh und je verrichten die meisten Pflegekräfte ihre pflegerische Arbeit in Straßenkleidung bzw. in privater Arbeitskleidung und nehmen die Kleidung zur Reinigung mit nach Hause. Dabei ist schon seit 2016 wissenschaftlich anerkannt, dass die Arbeitskleidung der Pflegekräfte aufgrund ihrer körpernahen Tätigkeit am und mit dem Bewohner*in immer als kontaminiert gilt. Deshalb sei es unerlässlich, dass Heimträger den Pflegekräften dienstliche Arbeitskleidung zur Verfügung stellen und diese desinfizierend reinigen. „Jeder Heimträger wäre aufgrund arbeits­schutzrechtlicher Bestimmungen verpflichtet, diese neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse in die Tat umzusetzen. Der Betriebsrat hat schon Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt. Aber Kontroll- und Schutzbehörden wie die Heimaufsicht des Kreises Recklinghausen, die Pflegekasse der Bundesknappschaft und Bochum, die Arbeitsschutzabteilung der Bezirksregierung Münster und die BGW in Bochum bleiben mit Hinweis darauf, dass es an einer entsprechenden Landesverordnung fehle, untätig“, erklärt der Betriebsratsvorsitzende.

Rechtsgrundlagen

Der Betriebsrat hat daher ein Kompendium verfasst, in dem die Rechtsgrundlagen für seine Forderung nach Einführung von dienstlicher Arbeitskleidung für die Pflegekräfte minutiös dargestellt werden. Mehrere bundesweite Fachzeitschriften haben den Beitrag schon veröffentlicht bzw. werden diesen im Laufe dieses Jahres noch veröffentlichen. Das Kompendium ist auch die Grundlage für ein Verfahren vor dem Arbeitsgericht Herne, das von der zweiten stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden und Pflegefachkraft, Gabriele Gottsauner, angestrengt worden ist.

Die erste Anhörung dazu findet statt:

am Mittwoch, den 24. März 2021
um 09:00 Uhr
im Arbeitsgericht Herne, Schillerstraße 37 - 39, 44623 Herne, Saal 106

Autor:

Siegfried Schönfeld aus Marl

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

39 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.