Ach wie unbeschwert war doch das Leben ...
Buhrufe in Tüten

Foto: Glocke, Bochum - Matthias Schamp

Vor 10 Jahren schrieb ich:

Man kann in Tüten nicht nur brechen, nein, man kann auch in sie sprechen.

Der Aktionskünstler Matthias Schamp, so steht zu lesen, ist da der erste wohl gewesen, der Buhrufe in Tüten verpackte und zum Verkauf anbot. Für Leute, die glauben, dass wie man in die Tüte hineinruft, es auch herausschallt, und auch Buh drin ist, wo Buh draufsteht. Inzwischen ist da die Technik gottlob doch etwas weiter mit der Tonaufzeichnung und Wiedergabe, was aber für den klassischen Buh-Ruf in Kunst, Sport und Politik keine Bedeutung hat, ist er doch etwas genuin Spontanes und als Aufzeichnung völlig unbrauchbar, auch wenn Anderslautendes durch die Blätter schwirrt. Dennoch gebührt Herrn Schamp zweifellos die Ehre, eine Kunstmarktlücke entdeckt zu haben, da Brauchbarkeit in der modernen Kunst noch selten ein Kriterium war.
Dass man auf Tüten nicht nur „Buh!“ schreiben kann, sondern z. B. Gedichte, haben bereits viele vor Schamp bewiesen und damit Millionenbestseller an der Brötchentheke erzielt. Sie nutzten allerdings nur das Äußere der Tüte als Transportmittel ihrer Lyrik und nicht auch das Volumen. Des Künstlers Atem fehlte, sowie das wirkliche und imaginierte Auditive. Denn, und damit komme ich zum eigentlichen Kern meiner Interpretation der Schampschen Aktion: Die Tüte war, wie die Älteren unter uns noch gut wissen, in ihrer spitzen Urform einem Schalltrichter nachgebildet, nämlich dem Horn. Sie hieß früher, wie übrigens heute noch im Niederdeutschen „Tute“, was nichts anderes als Horn bedeutet.
Nun zeigt mir ein Foto, dass Schamp da wohl ein Kunstfehler unterlaufen ist: Statt
passender Spitztüte verwendet er offenbar einen Kreuzbodenbeutel.
Deshalb muss es bei meiner Kunstzensur einige Abstriche geben: bemerkenswert minus.
Ein Buh dazu kommt mir allerdings nicht in die Tüte!


Jetzt, 10 Jahre später, überlege ich mir, ob ich nicht Schamps Ruf in die Tüte folge und dem DFB einfach mal ein gutes Dutzend Buh-Tüten für die Frauen-Fußballnationalmannschaft schicke!

Autor:

Franz Bertram Firla aus Mülheim an der Ruhr

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