Jugendsünde?
Niemand hat gehört, wie ich das Gelöbnis nicht mitgesprochen habe.

Foto: Saarbrücker Zeitung

Da stehe ich uniformiert in Reih und Glied in der fackelerleuchteten Dunkelheit und spitze den Mund. Aber kein Laut dringt aus ihm heraus, als das ca. 1000 Mann starke Bataillon aufgefordert wird, das Gelöbnis in kleinen Häppchen nachzusprechen: „Ich gelobe, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen.“
Nein, nein, das war kein Traum. Das war echt. Mit achtzehn. Es war meine spontane Idee, nichts zu sagen bei diesem papageienhaften Nachbrüllen der in Häppchen vorgesprochenen Formel; eine Mutprobe, die nicht als solche auffallen würde. Auch den Kameraden neben und hinter mir nicht. Niemand hat gehört, wie ich das Gelöbnis nicht mitgesprochen habe. Es war eine sehr persönliche Art von innerer Wehrdienstverweigerung, ein selbstgebasteltes Wehrpflicht-Hintertürchen.
Interessant wäre zu wissen, ob noch jemand irgendwo irgendwann nicht mitgesprochen hat, und ob das vielleicht jemals jemand gehört hat. („Ach, du warst das?“)
Und eine spannende Frage wäre, ob mir das im Ernstfall hätte nützen können. Sehr wahrscheinlich nicht, denn bei dem sicher aktenkundigen Gelöbnis würde meine pure Anwesenheit schon als Beweis meiner Ablegung des Gelöbnisses gelten. Wer an einem Massengelöbnis teilnimmt, hat es abgelegt. So wird man das sehen.
Der Staat macht das schon, lenkt dich zu Vereidigung bzw. Gelöbnis. Er regelt das für dich, du musst nur folgen.
Vielleicht ist das Nichtmitsprechen des Gelöbnisses sogar eine Befehlsverweigerung und ich müsste bei Selbstanzeige evtl. den Wehrsold zurückzahlen?
Nein, es wird nichts geschehen. Keinesfalls. Es passiert nämlich genau dasselbe wie wenn man in einer fröhlichen Gesellschaft, die laut grölend gelobt, durchzumachen bis morgen früh und bumsfallera zu singen, bumsvallera nicht mitsingt. Es wird durchgemacht bis morgen früh … oder auch nicht. Aber nicht wegen dir.

Anmerkung: Nicht alles hat jetzt mit Impfen zu tun. Dies auch nicht.

Autor:

Franz Bertram Firla aus Mülheim an der Ruhr

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