Offener Brief des SPD-Fraktionschefs Dieter Splietthoff
"Weiter so" mit Scholten geht nicht

Dieter Spliethoff verfasste einen offenen Brief zur "Causa Scholten". Foto: PR-Foto Köhring/AK
  • Dieter Spliethoff verfasste einen offenen Brief zur "Causa Scholten". Foto: PR-Foto Köhring/AK
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"OB vor dem K.o." fragte der Lokalkompass in der Vorwoche, nachdem SPD-Fraktionschef Dieter Spliethoff die Initiative für ein Abwahlverfahren gegen seinen Parteigenossen Ulrich Scholten ergriff. Inzwischen zeichnet sich ab, dass es hierfür vermutlich nicht die erforderlichen Mehrheiten geben wird. Spliethoff äußerte sich in einem offenen Brief an die Ortsvereinsmitglieder zu seinem Vorgehen.

Verantwortung für Mülheim
Liebe Genossinnen und Genossen,
ich habe bislang bewusst davon abgesehen, den Mitgliedern des Unterbezirks per E-Mail ungefragt meinen Standpunkt zu unterbreiten. Stattdessen war und bin ich ein Freund des persönlichen Gespräches und immer erreichbar für Fragen, Anliegen und Kritik. Jetzt ist es aber an der Zeit, einiges klarzustellen.

Unterstützungsangebote
ohne Folgen

In den letzten Jahren gab es auf Initiative der Fraktionsspitze mehrere politische Lagegespräche mit dem Oberbürgermeister Ulrich Scholten. In diesen kamen vor allem die fehlenden Impulse für die (Weiter-)Entwicklung unserer Stadt zur Sprache. Wie auch schon mein Vorgänger Dieter Wiechering, bot ich Ulrich Scholten die Unterstützung der Fraktion an, ihm bei der Findung eigener Inhalte und Projekte zur Seite zu stehen. Die Gespräche blieben jedoch folgenlos.

Nach Aufkommen der Diskussionen über Zweifel an der korrekten Verwendung öffentlicher Mittel für Bewirtungen im Mai 2018 bat ich den Oberbürgermeister darum, die richtige Entscheidung für Stadt und Partei zu treffen. Nach einer Analyse der gegenwärtigen Situation und möglichen zukünftigen Entwicklung der Ereignisse wurden ihm die Handlungsoptionen aufgezeigt. Zu direkten Rücktrittsforderungen kam es nie. Im Vordergrund stand immer, Schaden von der Stadt, der Stadtverwaltung, der Partei und auch der Person Ulrich Scholten abzuwenden.

OB-Amtsführung gefährdet Wohl
der Stadt und lähmt die Partei

Seit diesem Zeitpunkt befinden wir uns als Stadt und SPD Mülheim in einer andauernden Abwärtsspirale. Die Kritik an der Amtsführung des Oberbürgermeisters beschränkt sich inzwischen nicht nur auf die Fraktion. Sie reicht von der Wirtschaft, über die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung, die anderen Ratsfraktion, bis in überregionale Kreise. Seien es die fehlende Initiative bei der dringend benötigten Entwicklung von Gewerbeflächen, das ständige Zurückrudern nach Ratsentscheidungen (Grundsteuer, Friedhofsentwicklungskonzept, ÖPNV, etc.), das Fernbleiben von wichtigen Gremien (Aufsichtsrat Ruhrbahn, Verwaltungsrat Sparkasse, Arbeitskreis „Haushalt“ usw.) oder die fehlende Führung im Rathaus.

Um die korrekte Verwendung der Verfügungsmittel und die Unschuldsvermutung in einem laufenden Verfahren geht es schon lange nicht mehr. Das Wohl unserer Stadt ist gefährdet!

Zu Beginn meiner Amtszeit habe ich mit Ulrich Scholten regelmäßige Treffen vereinbart. Diese fanden nur selten statt und wurden teilweise kurzfristig von seiner Seite abgesagt. Trotzdem war ich nach Mai 2018 immer wieder für das Gespräch mit Ulrich Scholten offen. Seine äußerst sporadische Teilnahme an Sitzungen der Fraktion und des Fraktionsvorstandes erschwerten dieses Vorhaben massiv. Selbst Beschlüsse des Unterbezirksvorstandes, noch einmal den (ruhenden) Vorsitzenden zum Rücktritt von diesem Amt zu überzeugen, blieben aus verschiedenen Gründen erfolglos.

Im Laufe der letzten zwölf Monate wurde immer deutlicher, dass die Diskussion um Ulrich Scholten nicht nur die Handlungsfähigkeit dieses Gremiums lähmte, sondern auch einen Spalt durch den Vorstand trieb und damit dessen politische Arbeit massiv hemmte.

Ein „Weiter so“ ist
nicht möglich

Das Interview von Ulrich Scholten, welches in der vergangenen Woche (in Zeitungen der Funke Mediengruppe, d. Red.) erschien, machte nun endlich weitere Schritte notwendig. Er ließ nicht nur eine parteilose Kandidatur zur nächsten Wahl offen, er machte auch deutlich, dass ihn Kritik an seiner Amtsführung nicht erreicht oder interessiert.

Kurz zuvor war ich außerdem beim WDR zu Gast, um als Fraktionsvorsitzender ein Interview zu den Entwicklungen beim ÖPNV zu geben. Vor laufenden Kameras wurde ich von einem Statement Ulrich Scholtens überrascht, das erneut im Gegensatz zu im Rat gefassten Beschlüssen stand, denen er selbst zugestimmt hat.

Ein „Weiter so“ kann es nach einer solchen Vielzahl von Anlässen nicht geben. Wir müssen deshalb im Interesse der Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung und der Genossinnen und Genossen unserer SPD handeln.

Einleitung des Abwahlverfahrens stößt auf Zustimmung

Ich habe mich deshalb in der Fraktionssitzung am Mittwoch (29. Juni, d. Red.) schweren Herzens dazu entschlossen, mit der Unterschriftensammlung zur Einleitung des Abwahlverfahrens zu beginnen. Weder vor über zwanzig Jahren, als ich zum ersten Mal in den Rat der Stadt Mülheim an der Ruhr gewählt wurde, noch zu Beginn meiner Aufgabe als Fraktionsvorsitzender hätte ich mir erträumt, so eine gravierende Entscheidung treffen zu müssen. Selbstredend ist dieses Vorgehen hart und ungewöhnlich, aber wir befinden uns in einer Situation, die es in dieser Stadt und Partei bislang noch nicht gab.

Bereits im Vorfeld der Sitzung am 29. Mai habe ich daher mit den Fraktionsmitgliedern das persönliche Gespräch gesucht und die Bereitschaft sondiert, diesen Weg mitzugehen. Es ergab sich daraus ein Meinungsbild von 13 Stadtverordneten für die Initiative. Lediglich sechs sprachen sich dagegen aus. Einig allerdings waren sich nahezu alle darin, dass der Oberbürgermeister nicht mehr auf das politische Vertrauen seiner eigenen Fraktion setzen könne.

Die aktuelle Berichterstattung und die Reaktionen aus anderen Fraktionen haben deutlich gezeigt, dass man auf ein Zeichen aus der SPD gewartet hat. Dazu gehört auch, dass ich auf ein Telefonat von Herrn Hartmann von der BAMH geantwortet habe. Von einer aktiven Zusammenarbeit kann aber keine Rede sein. Auch gemeinsame Fotos, wie sie der stellvertretende Unterbezirksvorsitzende Cem Aydemir mit dem BAMH-Vorsitzenden gemacht hat, sind nicht geplant.

Ich bleibe dabei, gerade in dieser schweren Zeit den Genossinnen und Genossen zum Gespräch bereit zu stehen. Machen wir uns nichts vor, die nächste Kommunalwahl wird für uns nicht gut ausgehen. Auf die Genossinnen und Genossen, die auf Vorschlag der Ortsvereine und der Entscheidung des Unterbezirksparteitags zu unseren Kandidatinnen und Kandidaten werden, kommt keine leichte Zeit zu. Umso wichtiger ist, den Stillstand jetzt zu beenden und sich endlich auch über die Fraktionsarbeit hinaus wieder den Inhalten zuzuwenden.

Autor:

Marc Keiterling aus Essen

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