Stadt-Utopien

Porta Ruhrbania | Foto: Rokitta
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Wie entwickelt man die Stadt? Wie schafft man attraktive Wohnquartiere, überschaubare Verkehrswege und einen regen Einzelhandel? Das sind die Kardinalsfragen, mit denen sich Mülheims Politiker seit Jahren beschäftigen. Die Ruhrstadt kämpft wie andere Städte gegen Überalterung, schrumpfende Einwohnerzahlen und sterbende Innenstädte. Der Mülheimer Designer Hermann Rokitta hat nun Utopien für Mülheim entwickelt.
Hermann Rokitta hat 20 Jahre in St. Pauli gelebt und miterlebt, wie sich ein „praktisch toter“ Stadtteil zu einem jungen, lebendigen Viertel entwickelt hat. Einer der Motoren war die Kreativkraft. Die möchte er auch in Mülheim mit vorantreiben. So ist er Mitglied der Gruppe „KreativKraft“ und will dazu beitragen, Impulse für die Ruhrstadt zu setzen. „Die Frage ist, wie man Symbole emotional auch nach außen strahlen lassen kann.“
Denn Mülheim muss vor allem auch für junge Menschen attraktiver werden. Rokitta‘s Utopien haben deshalb eines gemeinsam - sie sind ungewöhnlich und interpretieren die Stadt im Sinne der Jugend.

Porta Ruhrbania
Der leerstehende Kaufhof könnte zum Herzstück der Stadt werden. Die oberen Etagen werden bis zum Erdgeschoss abgenommen. Auf dem entstandenen Plateau werden begehbare Terrassen eingerichtet, die sowohl von Spaziergängern als auch von Skateboardfahrern benutzt werden, auch eine Beachbar mit Sandstrand und weitere Gastronomie ist denkbar. An Pfeilern aufziehbare Zelte geben dem Gebäude einen symbolhaften Charakter. Eine Freitreppe öffnet den Blick zur Ruhr. Das Erd- und Untergeschoss könnten genutzt werden für einen Frische-Markt und Events, einem Freiwerk (moderne freie Arbeitsplätze für Eltern) und einem Freimarkt (Freihandelszone). Kindertagesstätte, Jugendtagesstätte, Altemtagesstätte und Hundetagesstätte komplettieren das Serviceangebot für die Berufstätigen.

Geile Meile:
Auf die ehemalige Gütertrasse auf der Eisenbahnbrücke wird ein ausrangierter ICE gestellt, der bis zu dem Gelände der geplanten Fachhochschule reicht. In den Waggons könnten sich Start-Ups und Gastronomie ansiedeln, betreut von „Wirtschaftssenioren, die ihr Wissen den Jungunternehmern ehrenamtlich zur Verfügung stellen. Auch ein Radhotel wäre hier vorstellbar.

Ruhrpott:
Ein ausrangiertes Schiff wird in den Ruhrauen auf Land gelegt. Es kann als Café, Aussichtsplattform und für Veranstaltungen genutzt werden. Zu einer weiteren Belebung könnte ein naheliegender Kreis aus Werk-Waggons beitragen, in denen sich Handwerk ansiedelt und der eine ähnliche Funktion wie Souks in arabischen Ländern erfüllt.

TopfRock:
Zur „Auffrischung könnten die grau gewordenen großen Baumbehälter auf der Schloßstraße von Künstlern geschaffene „Röcke“ bekommen, an die Jahreszeit angepasst.

Such-Ess:
In den Ruhrauen wird aus Hecken ein großes Labyrinth geschaffen, gepflanzt von Mülheimer Bürgern. Wer es durch das Labyrinth geschafft hat, den erwartet im Inneren ein gehobenes Restaurant.

Schicht im Schacht:
Vier Garagen werden kreuzartig in die Erde versenkt und zu einer Untertage-Bar im Bergbau-Stil gestaltet. Tagsüber erhellt Tageslicht die Räume. Abends gibt es keine Deckenbeleuchtung, jeder Gast erhält einen Helm mit Grubenlampe, die für Licht sorgen.

Sach mal:
Vier alte Treppen bilden auf dem Rathausmarkt eine Pyramide, die als Treffpunkt und Kommunikationsmittelpunkt dient. Es können Reden gehalten werden, die mittels Computer in Glasbausteinen verewigt werden, die die Treppe zieren. Im Sockel der Pyramide findet ein Szene-Lokal für Jungfamilien Platz.

LebensWert:
In Selbeck könnte „auf der Grünen Wiese“ eine Erlebnisstätte für junge Alte mit vielfältigen Freizeitangeboten entstehen, deren Gebäude im Kreis arrangiert sind. Wege führen in Form von einer Acht von jedem Gebäude über die Mitte zum nächsten, so dass auch Demenzkranke sich nicht verlaufen können und, egal wie sie gehen, immer über die Mitte kommen.

Radschnellweg:
Entlang des Ruhr-Radweges können Stationen entstehen, an denen sich die Radler versorgen oder sogar in Schlafröhren übernachten können. Wer es komfortabler will, kann in Radhotels übernachten.

Steiger-Nordwand:
Das etwas andere Sport-Restaurant besteht aus Bewirtungsbalkonen, die über eine Kletterwand erklettert werden müssen.

Offen-Schlot:
Auf den Berliner Platz hat Rokitta einen hohen, offenen Schlot platziert. Im Sockelbereich ist Gastronomie angesiedelt, in der man wie an einem offenen Kamin die besondere Atmosphäre genießen kann.

Unterbrückenmalerei:
Einmal im Jahr wird unter Mülheims Brücken im Rahmen eines Events gemalt und Bilder ausgestellt.

Liebeslauben:
Walkfässer aus der Lederindustrie werden zu Liebeslauben umfunktioniert und dekoriert und in den Ruhrauen aufgestellt. Sie können auch Mittelpunkt von Events sein.

KreativKraft- Preis Mülheim Ruhr:
Die Gruppe KreativKraft vergibt alle zwei Jahre fünf Preise für herausragende und überzeugende Leistungen, Produkte, Dienstleistungen oder Geschäftsideen von Mülheimern. Dafür müssen eine Bewerbungs-, Nominierungs- und Auslobungsphase durchlaufen werden, an denen die Bürger beteiligt werden. Eine alle zwei Jahre neu gewählte Jury vergibt schließlich die Preise.

Aber was bewegt einen Designer, solche umfangreichen Utopien zu entwickeln? „Aus Solidarität zum Ruhrgebiet“, betont Rokitta. Die Städte bräuchten Symbole, die aber gleichzeitig auch für das Ruhrgebiet stehen. „Wenn ein solches Symbol auch in Mülheim entstände, wäre ich glücklich.“ Dass die Menschen zu große Veränderungen scheuen, weiß der Designer auch. „Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, man muss immer ein Teil des Bekannten erhalten“. Ein neues Wir-Gefühl wünscht er sich für Mülheim. „es soll Spaß machen, vor die Tür zu gehen.“
Vor allem mit der Idee der „Geilen Meile“ ist Hermann Rokitta bereits zu verschiedenen Vorträgen, unter anderem bei der Politik, eingeladen worden. Die hat die Verwaltung beauftragt, die Machbarkeit des Projektes zu prüfen.

Autor:

Regina Tempel aus Mülheim an der Ruhr

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