20. Juli - Mythos und Wirklichkeit
STAUFFENBERG WAR VIELLEICHT KEIN HELD

Gedanken von Stephan Leifeld

Bei genauer Betrachtung erfüllt der 20. Juli für die Bundesrepublik Deutschland einen besonderen Zweck. Dieses Datum steht in der Bevölkerung bis heute noch, allgemein für ein sauberes und am Holocaust scheinbar unschuldiges Deutschland. An jenem Tag im Jahre 1944 haben Graf Schenk von Stauffenberg und einige Offiziere mit einem missglückten Anschlag versucht, Adolf Hitler zu stürzen. Der Jahrestag des Attentats und die gescheiterten Soldaten werden seit Jahren in Filmberichten und Fernsehserien regelrecht gefeiert. Als wären die hochdekorierten Offiziere gegen den Nationalsozialismus, gegen den Weltkrieg und gegen den Holocaust gewesen. Doch das stimmt nicht. Stauffenberg und seine Komplizen sind nur gegen Hitler persönlich gewesen, weshalb der sogenannte Widerstand vom 20. Juli eigentlich eher ein gescheiterter Militärputsch gewesen ist. DIe Motive waren auch nicht besonders edel, weshalb auch der Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold diese Soldaten nicht so feiern sollte.

Geschichte wird gerne von den Siegern im Nachhinein in schwarz-weiß geschrieben. Die Verlierer sind dann die Schurken, die Sieger nehmen sich die Rolle der Guten. Dabei hat es mindestens 256 Graustufen zwischen Schwarz und Weiß. Genau genommen sind es bei Stauffenberg und Co eher Nuancen von Braun. Die Offiziere des sogenannten 20. Juli haben den Nationalsozialismus nicht nur unterstützt, manche sind auch Mitglieder der NSDAP gewesen und waren im Krieg für Gräueltaten bekannt. Man hat sich teilweise aktiv an Verbrechen der Wehrmacht beteiligt, beispielsweise in Lemberg, der heutigen Ukraine. Vermutlich war es nützlich, auch in Bezug auf den Wiederaufbau von Deutschland, eine Legende von anständigen Soldaten zu schaffen. Die deutsche Kultur ist voll von Beispielen von Bellizismus - weil man hierzulande gerne glauben möchte, politische Probleme mit Militärgewalt lösen zu können. Wie die alten Germanen…

Im Führerhauptquartier Wolfsschanze scheitert am 20. Juli 1944 ein Plan, den Führer Adolf Hitler umzubringen, um dann mit einer militärischen Elite die Geschicke des laufenden Krieges anders lenken zu können. Es wird immer wieder die Legende gefeiert, dass unter den Trümmern des Gebäudes die Hoffnungen einer Gruppe deutscher Offiziere begraben liegt, die mit dem Tyrannenmord an Hitler nicht nur einen Krieg beenden wollten. Dabei gibt es keine Aufzeichnungen und Belege dafür, dass diese Gruppe ähnlich edle Motive gehabt haben könnte, wie die „Weiße Rose“ oder ein Georg Elser. 

Zum Beispiel Carl Heinrich von Stülpnagel, enger Verbündeter Stauffenbergs und einer der führenden Köpfe des 20. Juli. Er diente Hitler als Oberkommandierender der 17. Armee im Vernichtungskrieg gegen die damalige Sowjetunion. Von ihm sind viele Bluttaten bekannt, in denen er sich alles Andere als menschlich und friedfertig gezeigt hätte.

Die Reichswehr hatte die Machtübernahme Hitlers in der großen Masse deutlich begrüßt. Es ist nicht so, dass die Offiziere die „Hintergründe“ der Politik und Ziele der NSDAP und ihrer Elite nicht gekannt hätten. Die Militärs hofften auf die Überwindung der Hemmnisse des Versailler Vertrags, auf Wiedereinführung der Wehrpflicht und bessere Karrierechancen durch die Vergrößerung der Streitkräfte. Die „Luft“ war voll mit Revanchismus, es den Franzosen und anderen Gegnern vom I- Weltkrieg heimzahlen zu wollen. Die Beseitigung der parlamentarischen Demokratie wurde gerade von den Militärs gewünscht, weil man die Weimarer Republik als „schwach“ empfunden hat. Einer angekündigten autoritären Staatsordnung standen vor allem Offiziere und Frauen überwiegend erwartungsvoll gegenüber, wie man inzwischen statistisch ermitteln konnte. Besonders die Soldaten und Veteranen hatten nichts dagegen, daß Hitler und seine Schergen die politische Linke ausschaltete, verfolgte und die NSDAP ein Einparteien-Regime errichtete. Es ist vor allem die Reichswehr gewesen, die die Mordaktion des 30. Juni 1934 ("Röhmputsch") durchgeführt hat. Damals hat Hitler die Spitze der SA liquidieren lassen, weil damit eine gefährliche Konkurrenz ausgeschaltet wurde. Röhm hatte Bestrebungen gezeigt, die SA anstelle der Wehrmacht etablieren zu wollen. Es waren auch gerade die Generäle im August 1934, die keine Einwände formulierten, daß Hitler nach dem Tod des Reichspräsidenten von Hindenburg die Ämter des Reichskanzlers und des Staatsoberhaupts vereinigte. Damit ist Hitler immerhin auch Oberbefehlshaber der Streitkräfte geworden.

Selbst über Stauffenberg ist bekannt, dass er sich von den militärischen Erfolgen der ersten Jahre im II. Weltkrieg gewinnen ließ. Noch 1939 soll er gesagt haben: „Der Narr macht Krieg“. Gleichwohl erfasst auch ihn die Euphorie über die Blitzsiege in Polen und Frankreich. Er schreibt bekanntermaßen seiner Frau Nina aus Polen Briefe und berichtet von „Mischvolk und vielen Juden“, einem „Volk, das sich nur unter der Knute“ wohlfühle. Es sollen dabei weitere Äußerungen dem Offizier zugeschrieben werden, die alles andere als menschenfreundlich und den Juden wohlgesonnen sind.

Ich frage mich deshalb in diesen Tagen, warum wir in Deutschland aus meiner Sicht, viel weniger an die Geschwister Scholl und Georg Elser denken, als an eine Gruppe von Soldaten, die womöglich nur einen Staatsstreich versucht haben.

Dann sehe ich die Entwicklung in Europa und der Welt. Die deutschen Politiker scheinen auch in dieser Zeit eher eine militärische Lösung am Donbass anzustreben. Man liefert schwere Waffen, Panzer und Munition, statt sich um eine diplomatische Lösung zu bemühen. Wenn ein Politiker wie Kretschmer dann mal laut nachdenkt, wegen dem sozialen Frieden in der Welt und dem Klimaschutz, vielleicht den „dummen“ Krieg „einzufrieren“, wird diese Idee nicht anständig diskutiert. Bellizismus hat unser Land wieder erfasst, schlimmer als Corona. Der Krieg soll es richten. Dabei richtet Krieg kein Problem, sondern nur Menschen…

Autor:

Stephan Leifeld aus Schermbeck

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