„Wir stärken ihr den Rücken“

Lächelnd sitzt Maren da, die Hände im Schoß. Immer wieder schweift ihr Blick zum Boden, während sie spricht. Sie erzählt von sich, ihrer Kindheit und ihren Zukunftsplänen. Vor allem aber spricht sie von Carolina Martin.

„Wir hassen uns“, sagt Maren, lacht und legt liebevoll einen Arm um die Person, die ihr seit einem halben Jahr eine neue Heimat bietet. Überhaupt lacht die 21-Jährige sehr viel. Dabei leidet sie unter Depressionen, aber die seien fast nicht mehr zu spüren. Ihre Gastfamilie gibt ihr Kraft und Halt bei der Heilung.
Maren Kühner wohnte früher bei ihren Eltern in Baden-Württemberg. „Ich bin vor eineinhalb Jahren aus familiären Gründen ausgezogen, hatte damals Somatisierungsstörungen“, so Maren. Das sind körperliche Beschwerden ohne organisch fassbaren Befund.
Zunächst wohnte sie bei einer Freundin, später habe ihr ein Freund eine Dachgeschosswohnung besorgt, erzählt sie weiter. „Doch die Depressionen nahmen zu.“ Irgendwann kam sie ins Krankenhaus. Sie unterzog sich mehreren Therapien. Dort wurde sie auch mit Dr. Karl Erb bekannt gemacht und mit dem Projekt: „Leben in Gastfamilien“. Karl Erb ist für die Gemeinnützige Sozialpsychiatrische Gesellschaft Niederberg (SGN) tätig. Für sein Projekt sucht er laufend Familien, Paare, nichteheliche Gemeinschaften oder Einzelpersonen, die bereit sind, Menschen mit einer psychischen Beeinträchtigung bei sich aufzunehmen.
„Wichtig ist dabei vor allem die Integration des Gastes in die Gesellschaft“, weiß Erb und erklärt weiter: „Es darf kein Untermieterverhältnis sein. Wir suchen auch keine Profis für psychisch Kranke, sondern sozial engagierte Leute mit ein wenig Menschenkenntnis.“ Denn durch die Gastfamilien trete die professionelle Hilfe in den Hintergrund. Das sei der Vorteil. „Es ist eine Art Selbsthilfe, denn in der Gastfamilie soll Normalität gelebt werden können.“
Die Gastfamilien erhalten eine Aufwandsentschädigung. Doch nicht jede Familie ist geeignet. Deshalb werden interessierte Klienten zunächst in einem Beratungsgespräch ausführlich über das Angebot informiert. Schätzt das Betreuungsteam die Familie als adäquat ein, wird sie in eine Vermittlungskartei aufgenommen. Ist ein geeigneter Kandidat für die Familie gefunden worden, findet ein persönliches Kennenlernen statt. Nach einer einwöchigen Bedenkzeit folgt das zwei- bis dreitägige „Probewohnen“.
So verlief es auch bei Maren und der Familie Martin. Die 35-jährige Carolina Martin kann sich gut an die ersten Tage mit Maren erinnern: „Wir haben uns richtig gut verstanden und sind jeden Tag essen gegangen, weißt du noch?“ Auch Maren resümiert: „Es waren wirklich schöne Tage.“ Maren sei eine Bereicherung für das Familienleben gewesen. „Ich habe gerne Menschen um mich und fühle mich anderen gegenüber verpflichtet“, erklärt die Gastmutter. Und auch Laura und Antonio kommen gut mit ihrer Gastschwester zurecht.
Karl Erb kommt nur noch einmal die Woche zur Visite. „Die SGN tritt zurück, um ein normales Leben zu ermöglichen. Wir sind da, wenn es Fragen gibt oder Probleme.“ Ein halbes Jahr nach dem Aufnahmeverfahren bemerkt Maren bereits Veränderungen. „Früher fehlte mir die Kraft, morgens überhaupt aus dem Bett zu kommen. Ich litt an Antriebsschwäche, fühlte mich allein gelassen, lag nur da und wollte heulen“, erinnert sie sich. „Jetzt sehe ich Frau Martin: Sie schafft es auch dann zur Arbeit zu gehen, wenn es ihr schlecht geht. Das allein ist schon eine Motivation.“
Und wenn wieder Depressionen auftreten? Wie geht man damit um? „Ich spüre, wenn es Maren schlecht geht, und hake nach“, so Martin. „Wir reden viel und gehen spazieren. Ich denke, ich gebe ihr gute Ratschläge.“ Auch Marens eigene Familie ist froh über die Hilfe. Marens Etappenziel ist es, ihren Schulabschluss nachzuholen. Im September fängt ihr Praktikum in einer psychotherapeutischen Praxis an. „Wir stärken ihr bei ihren Entscheidungen den Rücken“, erklärt Erb. Und bis Maren soweit ist, ihren Alltag alleine zu gestalten, kann sie bei Familie Martin wohnen.
Infos zu dem Projekt unter Tel. 02051/802320.

Autor:

Miriam Dabitsch aus Velbert

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