David Schalkos Roman „Was der Tag bringt“
Der Kuckuck und Duchamp

"Im Eigentlichen ist es ein existenzialistischer Roman, weil es um das geht, was übrig bleibt, wenn Arbeit wegfällt oder andere Dinge, die den Tag strukturieren“, hat der österreichische Autor David Schalko über seinen neuen Roman „Was der Tag bringt“ erklärt.

Der Wiener David Schalko, der im Januar seinen 50. Geburtstag gefeiert hat, ist vor allem bekannt geworden als Autor von Fernsehserien wie "Willkommen Österreich" und "Braunschlag" und mit Filmen wie "Aufschneider" mit Josef Hader. Schalko weiß, wie man spannende Geschichten "baut", humorvolle Dialoge platziert und dennoch ernsthafte Sujets erzählerisch unter die Lupe nimmt.
Sein Protagonist Felix Meisner (Kuckuck genannt, weil er als Kind lieber bei den Nachbarn als bei der eigenen Familie war) ist ein Single von Ende dreißig, der während der Corona-Pandemie „falsch abgebogen“ ist und mit seiner Firma „Wastefood“, ein nachhaltiges Catering-Unternehmen, ungebremst gegen die Wand gefahren ist. "Als mit der Pandemie die Telefone aufhörten zu läuten, war es auch sonst ganz still geworden. Alle waren sie in ihren Wohnungen verschwunden. Niemand meldete sich. Niemand fragte, wie es ihm ging."
Geblieben ist ihm lediglich eine von seiner verstorbenen Mutter geerbte Eigentumswohnung, die er nun wochenweise vermieten muss, um sich finanziell leidlich über Wasser zu halten. Während dieser Zeit begibt sich Felix auf Wanderschaft, um sich temporär bei Freunden oder Bekannten „einzunisten“.
Das birgt Spannungen, sowohl bei seiner Ex-Freundin Sandra als auch bei seinem vermeintlich besten Freund Eugen – ein extrem erfolgs- und wohlstandsorientierter Mensch, der mit dem Handel von Krypto-Währungen „zwar nicht reich, aber wohlhabend“ geworden ist.
Autor David Schalko geht es um das Zusammenspiel von Arbeit und Geld, um die Bedeutung von Freundschaft und unterschiedlichen Lebensentwürfen und um die zerstörerische Kraft der Einsamkeit. Seine Hauptfigur befindet sich in einer handfesten postpandemischen Depression, Felix' Misserfolg führt zu einer tiefen psychischen Krise, er verliert zunächst die Selbstachtung, sieht aber in seiner vom Mainstream abweichenden Lebensweise später auch eine Chance. Aus dem Misserfolg, aus der Andersartigkeit, aus der Ablehnung des kapitalistischen Wettrennens versucht er neue Energie zu schöpfen.
Als intellektuellen Mentor bekommt Felix von Autor David Schalko den französischen Maler und Objektkünstler Marcel Duchamp (1887-1968) an die Seite gestellt. „Duchamp steht vor allem für eine Art Indifferenz, eine glückliche Indifferenz, eine Gelassenheit dem Leben gegenüber. Er war aber auch jemand, der sich aus diesem System rausgenommen hat und mit sehr wenig Geld ausgekommen ist.“
Diese Konstruktion mit dem kommentierenden Über-Ich nimmt dem Roman ein wenig die erzählerische Leichtigkeit und versucht mit einer vorgegaukelten Intellektualität zu „punkten“. Weniger wäre hier deutlich mehr gewesen.
„Was der Tag bringt“ weiß durch seinen tiefsinnigen Humor und die glänzend beschriebene Hauptfigur zu glänzen. Herrlich komisch liest sich die Sequenz, als er den englischen Schriftsteller Tom Eyres trifft, der an einer Kolumne mit dem Titel „wie man seinen Tag verbringt, wenn man nichts zu tun hat“ arbeitet. Felix kommt mal traurig, mal aufmüpfig, mal verletzt und mal stark selbst reflektierend daher, aber stets ein wenig gegen den Strom des Zeitgeistes schwimmend. Ein Mann in den besten Jahren auf der Suche nach sich selbst und nach seinem Platz in der Gesellschaft.
Von seinem Bankberater erhielt Felix den klugen Ratschlag: „Denk dran. Sie können dir alles nehmen. Nur dich selbst nicht.“

David Schalko: Was der Tag bringt. Roman. Kiepenheuer und Witsch Verlag. Köln 2023, 295 Seiten, 24 Euro

Autor:

Peter Mohr aus Wattenscheid

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