Stadtspiegel-Interview mit SGW-Trainer Farat Toku
Die Jungs fehlen mir

Farat Toku gab im Gespräch mit Peter Mohr Auskunft. Foto: Susanne Mohr
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Als am letzten Freitag der Antrag auf Wiederaufnahme des Spielbetriebs vom Verband abgelehnt wurde, war dies der letzte Akt im Drama um die SG Wattenscheid 09. Die Fans nahmen am Samstag emotionsreich Abschied von Trainer und Team. Farat Toku stand im Interview Rede und Antwort.

Wenn du die letzte Woche Revue passieren lässt, hast du bist zur letzten Sekunde am Freitag noch an einen positiven Ausgang geglaubt?
Ich bin generell ein positiv denkender Mensch. Auf Sachen, die ich nicht beeinflussen kann, versuche ich ganz sachlich und realistisch zu reagieren. Sicherlich hofft und wünscht man, aber die Realität ist entscheidend.

Mit ein paar Tagen Abstand – wie fühlt es sich an, wenn du nach fast fünf Jahren an der Lohrheide nun die Segel streichen musst?
Mir fehlen meine Jungs. Die tägliche Arbeit mit ihnen beim Training und am Wochenende die Spiele. Die Fans und Zuschauer, die uns bis zum Schluss angefeuert haben, die Lohrheide – ja, die Stimmung fehlt mir. Bei mir im Kopf überwiegen aber die schönen Bilder und Filme. Was mich ärgert: Wir haben es ja nicht verschuldet oder sind sportlich abgestiegen. Wenn ich daran denke im letzten Spiel der letzten Saison gegen Straelen, es noch geschafft zu haben, und jetzt so ein Ende! Dann hätte der Verein lieber am Ende letzter Saison sagen sollen: Wir können nicht mehr Regionalliga Dann hätten wir einen sauberen Cut gehabt und hätten uns die letzten Monate nicht mehr antun müssen.

Was waren die größten Fehler in jüngerer Vergangenheit? Hätte man das Zwangs-Aus verhindern können?
Natürlich hätte man das. Welche Fehler der Verein genau gemacht hat, kann und werde ich nicht beurteilen, das sollten die Leute in den Gremien machen. Sie haben eine Verantwortung den Angestellten, den Mitgliedern und den Fans gegenüber.

Es ist immer häufiger jetzt zu hören, dass der Verein seit langer Zeit über seine (finanziellen) Verhältnisse gelebt hat. Siehst du das ähnlich?
In Wattenscheid wird eben zu viel geredet von Menschen, die nur reden! Wir sind ein Arbeiterverein, und da muss angepackt werden. Ich kann nur sagen, am Anfang der Saison gibt der Verein ein Budget vor. Mit diesem Budget arbeitet der Sportdirektor und stellt das Team zusammen. Auch ein Peter Neururer kann nicht zaubern, sondern nur das machen, was der Verein ihm bereitstellt. Deshalb kann der Verein nicht über seine Verhältnisse leben, weil der Etat abgesichert sein müsste. Ich denke, dass Wattenscheid kein Ausgabeproblem hat, sondern ein Einnahmeproblem. Du kannst nicht mit weniger in der Regionalliga auf Dauer spielen! Wer da was anderes erzählt, will sich jetzt nur profilieren.

Wie wird es jetzt mit dem „Rest“-Verein nach der Einstellung des Spielbetriebs weitergehen?
Hm, gute Frage. Aber das kann nur die Insolvenzverwalterin beantworten. 

Ist für dich das Kapitel Wattenscheid 09 (trotz deiner großen emotionalen Verbundenheit) nun beendet? Oder kannst du dir vorstellen, an einem Neuanfang mitzuarbeiten?

Wattenscheid 09 und diese Verbundenheit, das kann man nie beenden. Es müssen einfach neue Leute, neue Gesichter in den Verein, die wirklich glaubhaft seriös und bescheiden auftreten.

Wie schwer ist dir der Abschied von den Spielern gefallen? Es war ja wieder einmal ein neues, aber gut funktionierendes Team, das du im Sommer zusammengestellt hattest.
Ich mag generell keine Abschiede! Dass mitten in der Hinrunde plötzlich alles zu Ende geht, ist nicht schön, sondern eine Katastrophe. Wir hatten noch viel vor – auch mit neun Punkten Abzug. Was mich massiv ärgert, ist, dass es Leute gibt, die ganz schnell von Neuanfang reden und sich positionieren. Wo waren die denn alle? Einen besseren Neuanfang hätte es nicht geben können. Eine Regionalligatruppe und die Altschulden sind weg. Wer von denen denkt an die Jungs, die ohne Gehalt die Knochen für den Verein hingehalten haben? Und die jetzt nicht wissen, wie es weitergeht für sie. Das kommt mir jetzt etwas zu kurz.

Wenn Du jetzt zurückschaust auf die knapp fünf Jahre als Trainer bei der SGW. Wie groß ist bei dir der „Verschleiß“ nach einer so langen Zeit, in der du fast alles im sportlichen Bereich allein erledigen und verantworten musstest?
Ich habe es sehr gerne gemacht, weil ich die Spieler gesehen habe, die hart trainierten. Sicherlich gab es auch Tage im Jahr, an denen ich dachte, dass es jedes Jahr dieses Deja-vu gibt und ich immer improvisieren musste. Aber wir haben uns als Mannschaft immer gefreut, uns zu sehen und uns zu entwickeln. Wir hatten viel Spaß miteinander. Es ist eine schöne Erfahrung, in allen Bereichen zu arbeiten, aber man will mehr und wird gieriger.

Gibt es eine Sehnsucht in dir, künftig einmal „nur“ als Coach und nicht mehr als „Mädchen für alles“ arbeiten zu wollen?
Die Erfahrung kann mir niemand nehmen, und es war auch sehr hilfreich. Aber man entwickelt sich als Trainer in der Persönlichkeit und auch auf der sportlichen Ebene nicht viel weiter. Die Mittel waren eben beschränkt und das Drumherum hat immer sehr viel Kraft und Energie gekostet!

Autor:

Peter Mohr aus Wattenscheid

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