Sprinter Alex Kosenkow ist wie ein guter Rotwein

Er hat noch keine Eröffnungsfeier und auch noch keine Abschlussfeier erlebt. Und das wird sich auch bei der dritten Olympiateilnahme von Sprinter Alexander Kosenkow in London nicht ändern.

Das lange Herumstehen sei nicht gut für die empfindlichen Sprintermuskeln, erklärt Kosenkow seinen freiwilligen Verzicht auf das strenge Protokoll bei olympischen Zeremonien.
Kosenkow wirkt unglaublich „relaxed“. „Mich bringt so schnell nichts mehr aus der Ruhe. Man kann auch aus der Erfahrung, die man im Laufe der Jahre gesammelt hat, Kraft schöpfen“, so der inzwischen 35-jährige. Kosenkow kokettiert bisweilen sogar mit seinem Alter, spricht von Zukunftsplänen (immer mit einem Grinsen im Gesicht) und nimmt die „liebevollen“ Frotzeleien seiner Clubkollegen gelassen auf.
Als sich die sechs am Donnerstag in Wattenscheid anwesenden Olympioniken zum Gruppenbild versammelten, meinte eine Hintergrundstimme: „Sieht aus wie fünf junge Mädels mit ihrem Trainer.“
Auf die zuletzt so häufig gestellte Frage, ob es heute der beste Kosenkow aller Zeiten sei, antwortet der Sprinter mit einem vielsagenden Achselzucken.
Er hat Hochs und Tiefs mitgemacht und weiß genau, dass ihm selbst kühnste Optimisten weder die dritte Olympiateilnahme noch die EM-Silbermedaille mit der deutschen Staffel zugetraut hatten.
Schon im Mai war Kosenkow mit der deutschen 4 x 100-Meter-Staffel superschnell unterwegs gewesen. Gemeinsam mit Tobias Unger, Martin Keller und Aleixo Platini Menga wurde beim Meeting in Weinheim die Olympia-Norm um vier Zehntelsekunden geknackt. Zudem hatte Kosenkow mit 10,28 Sekunden auch im Einzel eine starke Leistung angeboten. Doch dann folgte ein böser gesundheitlicher Rückschlag.
Der in der heutigen Republik Kirgisistan geborene Sprinter, der seit 15 Jahren das blaue Wattenscheider Trikot trägt, zog sich eine Kehlkopfentzündung zu und musste bei den Deutschen Meisterschaften im heimischen Lohrheidestadion mit einem Platz auf der Tribüne vorlieb nehmen.
Doch Kosenkow, der als 14-jähriger mit seiner Mutter nach Deutschland übergesiedelt war, meldete sich schnell wieder zurück. Und das in Top-Form. Zusammen mit seinem Wattenscheider Vereinskollegen Julian Reus, Tobias Unger und Lucas Jakubczyk holte er in Helsinki Europameisterschafts-Silber. Wieder einmal hatte der Routinier als exzellenter Kurvenläufer überzeugt.
„Das ist höher einzustufen als ein fünfter Platz bei den Olympischen Spielen, über den wir ja auch gejubelt haben. Es ist auch vom Gefühl her einfach toller“, so Kosenkow in Helsinki. Zwei Jahre zuvor hatte es bei den kontinentalen Titelkämpfen in Barcelona schon Bronze gegeben – übrigens in der exakt gleichen Zeit wie in Helsinki. Ob jene 38,44 Sekunden in London für Edelmetall reichen?
Alex Kosenkow selbst sieht sich jedenfalls noch steigerungsfähig mit Blick zu Olympia. „Ich war in Helsinki noch nicht bei 100 Prozent. Da ist noch Luft nach oben.“
Mit Alex Kosenkow scheint es wie mit einem guten Rotwein zu sein: Je älter, desto reifer, umso besser
Und seine Prognose für London: „Wenn die großen Drei - nämlich USA, Jamaika und Trinidad - heil ins Ziel kommen, dann wäre für uns alles ab Platz fünf eine Superleistung.“

Autor:

Peter Mohr aus Wattenscheid

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