Generalisierte Angststörung
Teil 10 – Angststörung – Das Gefühl für Körperlichkeit

Im Sportunterricht war ich von der 1. bis zur 10. Klasse (kurz gesagt) „grottenschlecht“.
In der Grundschule haben wir immer Brennball gespielt, eine abgewandelte Form des in den USA so beliebten Baseball. Die eine Mannschaft verteilte sich auf dem Spielfeld und die andere Mannschaft stand am Rand und immer der jeweils erste Spieler warf ein mit Reis gefülltes Säckchen möglichst weit auf das Spielfeld und rannte dann los bis zur ersten Markierung. Die sportlicheren rannten bis zur zweiten Markierung und die „ganz harten Cracks“ rannten sogar in einem Zug um das ganze Feld herum.
Nun konnte ich leider weder schnell rennen, noch dieses blöde Säckchen weit werfen. Ja einmal sogar vergas ich es rechtzeitig los zu lassen und es landete direkt vor meinen Füßen, was natürlich ein großes Gelächter nach sich zog. Das war mir zwar hochnotpeinlich aber ich musste trotzdem über mich selber lachen. Einige munkelten ich hätte das wohl mit Absicht gemacht, denn zu meinen Füßen stand ja keiner der gegnerischen Mannschaft. Einige jedoch analysierten völlig richtig ich könne es einfach nicht besser.
Ich habe dann einen Trick daraus gemacht und das Säckchen jedes mal hinter mich geschmissen, denn da war ja auch alles frei. So hatte ich auch mal die Chance einen Stich zu machen.

Aber was ich wirklich gehasst habe war Völkerball. Der Leser wird sich erinnern an seinen eigenen Sportunterricht. Zwei Mannschaften stehen sich auf den Spielfeldhälften gegenüber und schießen sich den Ball um die Ohren.
Ich als notorischer Bewegungsdödel war hier stets ein beliebtes Opfer.
Also grundsätzlich war ich ja immer froh wenn ich abgeschossen worden war, denn dann durfte ich das Schlachtfeld verlassen und mich gegenüber auf den „Abwerfstreifen“ stellen. Ein etwas ruhigeres Fleckchen während des verhassten Sportunterrichts.
Hab ich jedenfalls immer gehofft, aber auch hier mußte man Bälle fangen und wieder fort werfen und ich konnte beides nicht. Kam der Ball auf mich zugeflogen habe ich, statt die Hände danach auszustrecken, diese reflexartig über meinen Kopf gehalten. Ja und immer wenn ich ihn werfen sollte so ist der Ball "zielgenau" irgendwo hin geflogen, nur nicht dahin wo er sollte.

Ich habe einfach kaum Körpergefühl.
Ich bin langsam und ungeschickt in meinen Bewegungsabläufen und daran hat sich auch später in der Realschule nichts geändert.

Nun ist ja speziell der Mannschaftssport natürlich immer Teamarbeit und da kommen wir zurück auf die Unfähigkeit sich in Gemeinschaften einzufügen. Man sollte die Fähigkeit haben die Körpersprache der Mitspieler zu lesen, ihre nächsten Züge voraus zu ahnen und die eigenen entsprechend zu koordinieren.
Ganz abgesehen von dem (ich nenne es mal) „Geschrei“, das sich die echten und die Möchtegern-Teamleader zu riefen um einander zu motivieren oder sich gegenseitig fertig zu machen.
Das Statement mit dem man mich in der Realschule gern bedachte war:

„Bor Imke ey!“

welches mir heute noch eiskalte Schauer über den Rücken zu jagen vermag.

Allein schon wie sie es aussprachen, mit einer Art Singsang in der Betonung der Silben. Da schwang jedes mal die bereits erwartete Enttäuschung mit und ich würde sogar sagen eine gewisse Verachtung für meine Person.
So hat es sich jedenfalls angefühlt. Als würden sie mir auf den Kopf rotzen mit dem Selbstverständnis: „Wir alle stehen meterweit über dir!“ im Blick.

Das war für mich jedesmal ein tiefer Stich in mein Herz und ein grober Hieb in die Magengrube.

Und es war nicht nur im Sportunterricht so, es ging ja in den anderen Fächern und den Pausen munter weiter. Eine gewisse Erholung gab es höchstens, wenn sie sich mal auf jemand anderen einschossen.
Und Ja ich denke eine nicht unerhebliche Teilschuld an meiner Angsterkrankung trägt meine Zeit an der Voerder Realschule.

Sie war einfach sieben Jahre lang der Ort wo ich hin musste, an jedem verfluchten Tag und es gab kein Entkommen                                                                                 

                                           …

Autor:

Imke Schüring aus Wesel

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