Wie Selbsthilfe-Gruppen im Kreis Wesel unter Pandemie-Bedingungen leiden
Angst vor Ansteckung, Technikprobleme oder andere Kontakt-Hemmschuhe

Ute Gieffers und Anne Gawlik sind das Orga-Team hinter der Kreis-Kontaktstelle. | Foto: Heike Cervellera
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  • Ute Gieffers und Anne Gawlik sind das Orga-Team hinter der Kreis-Kontaktstelle.
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Stellen Sie sich vor, Sie sind alkoholabhängig. Oder Sie leiden unter schweren Depressionen, den Folgen eines Krebsleidens oder Adipositas. Oder Sie können ohne die Hilfe anderer Menschen ihre Trauer über den Tot eines Familienangehörigen nicht bewältigen.

Eine ganze Reihe von Betroffenen braucht in solchen (und anderen) Situationen die Unterstützung einer Selbsthilfegruppe. Ansonsten wird's emotional eng für sie. Doch diese Art von Beistand ist wegen der Pandemie seit geraumer Zeit nicht möglich. Deshalb versucht die Selbsthilfe-Kontaktstelle des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes im Kreis Wesel einen Neustart.

"Corona hinterlässt Spuren und auch die Selbsthilfegruppen im Kreis Wesel bleiben davon nicht verschont", so die bittere Erkenntnis von Ute Gieffers und Anne Gawlik von der Selbsthilfe-Kontaktstelle des Kreises Wesel. Gruppentreffen seien kaum in der gewohnten Weise möglich, da Selbsthilfe von persönlichen Kontakten und gemeinsamen Aktivitäten lebt. Aber, sagt Ute Gieffers: "Obwohl viele Gruppenräume derzeit geschlossen sind, bleiben viele Selbsthilfegruppen aktiv und kreativ. Einige haben sich auf den Weg ins digitale Zeitalter gemacht und führen ihre Treffen nun online per Videokonferenz durch. Andere halten telefonischen Kontakt zu den Gruppenmitgliedern oder gehen zu zweit spazieren."

Viele Teilnehmende von Selbsthilfegruppen hätten sich jedoch zurückgezogen, werde aus den Selbsthilfegruppen berichtet. Einige hätten Angst vor einer Ansteckung, da sie einer Risikogruppe angehören. Andere nähmen aufgrund einer Verschlechterung des eigenen Gesundheitszustandes durch die Auswirkungen der Krise nicht teil. Bei manchen wolle es mit den neuen Medien einfach nicht klappen oder sie haben Vorbehalte.

Dabei sei die Nachfrage vor allem nach Selbsthilfegruppen aus den Bereichen Sucht und psychischen Erkrankungen in Coronazeiten deutlich gestiegen berichten Gieffers und Gawlik. Nicht nur die Betroffenen selbst melden sich, auch viele Angehörige hätten einen hohen Beratungsbedarf. Die Selbsthilfe-Kontaktstelle vermittelt nicht nur in Selbsthilfegruppen, sondern auch zu Beratungsstellen, wie beispielsweise der Suchtberatung oder den Sozialpsychiatrischen Zentren.
Viele Anfragen kommen auch aus den bereits bestehenden Selbsthilfegruppen, die Unterstützung benötigen, wie sie mit dem Stillstand in ihrer Gruppe umgehen können oder Interesse am Austausch mit anderen Gruppenleitern haben. Neue Gruppengründungen sind ebenfalls geplant, sobald die Coronazahlen es zulassen. Digitale Lösungen sind zwar eine gute Ersatzlösung, ersetzen aber persönliche Treffen bei Weitem nicht.

Drei Fragen an ...

dibo: Wie viele Menschen und Gruppen beraten Sie im Kreis Wesel?
Ute Gieffers: Im Jahr 2020 hatten wir rund 1.660 Anfragen von Selbsthilfeinteressierten, Mitgliedern aus ca. 320 Gruppen und professionellen Stellen. Häufig suchen die Menschen nach einer Selbsthilfegruppe, bestehende Gruppen brauchen oft organisatorische Unterstützung.

dibo: Kommen die Betroffenen zu Ihnen oder gehen Sie (Corona außen vor gelassen) aktiv auf Ihre mögliche Klientel zu?
Ute Gieffers: Die meisten Betroffenen rufen uns an oder stellen eine E-Mailanfrage, auch bereits vor Corona. Auf Veranstaltungen gehen wir aktiv auf die Menschen zu und informieren über Selbsthilfe. Wir berichten fortlaufend in der Presse, vor allem bei Gruppengründungen und pflegen einen engen Kontakt in unseren Netzwerken.

dibo:  Schildern Sie bitte einen Fall, in dem Sie helfen konnten.
Ute Gieffers: Leider gibt es nicht zu jedem Thema eine Selbsthilfegruppe. Hier bieten wir unsere Unterstützung an, eine Selbsthilfegruppe zu initiieren. So konnten letztes Jahr beispielsweise die Gruppe für bipolar Erfahrene und deren Angehörige in Xanten oder eine Gruppe für Frauen mit emotionaler Abhängigkeit in Moers gegründet werden.

Die Selbsthilfekontaktstelle Kreis Wesel ist erreichbar unter Telefon 02841 90 00 16 oder selbsthilfe-wesel@paritaet-nrw.org).

Autor:

Dirk Bohlen aus Hamminkeln

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