Bericht über die 47. Lesebühne am 06.01.2017, von Rolf Blessing

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47. Lesebühne am 06.01.2017
Es ist schon erstaunlich, dass eine qualitative sehr ansprechende Veranstaltungsreihe nun schon bald zum 50.ten Mal stattfindet, die einerseits ihren festen Platz im Kulturprogramm hat, aber andererseits weder auf städtische Zuschüsse noch auf Eintrittsgeld angewiesen ist. Chapeau!

Auch an diesem Abend hatte der Veranstalter Manfred Wrobel wieder ein sehr vielseitiges Programm zusammengestellt, das er mit zwei selbstverfassten Gedichten zum neuen Jahr einleitete. Moderiert wurde der Abend von Peter Roßkothen, der es mit seiner lockeren Art verstand, den antretenden Künstlern Sicherheit zu geben und eine gute Atmosphäre zu schaffen.
Wer phantasievolle und teilweise etwas schräge Themen mag, ist bei Klaus Märkert aus Bochum genau richtig. Er trug aus seinem aktuellen Roman „Schatten voraus“ gekonnt vor und nahm die konzentriert Zuhörenden mit in seine von ihm geschaffenen Szenen. Aufgrund seiner großen Stoffdichte und der bildhaften Sprache (Schlangen im Badezimmer, Pferderitte durch das Treppenhaus usw.) - teilweise auch mit sehr klaren und kritischen Ansagen - gelang es ihm, eine solche Begeisterung zu erzeugen, dass er vom Publikum am Ende des Programms noch zu weiteren Zugaben genötigt wurde.

Einen ganz anders gelagerten Ansatz verfolgte die Bewußtseinschoach-Autorin Kirsten Pecoraro. Sie brachte den Anwesenden mehr im Stil eines Referates soziologische Erkenntnisse über Glück und Leid näher und erklärte anhand des Polaritäts- und Spiegelgesetzes Zusammenhänge, die stark zum Nachdenken oder sogar zum Überdenken anregten. Allein die Formulierungen waren so gelungen (Wenn der „Denker“ morgens anspringt …), dass jeder sehr schnell wußte, was gemeint war.
Es ist guter Brauch, dass im Programm der Lesebühne auch musikalische Elemente enthalten sind, die sowohl der Auflockerung dienen, als auch Künstlern die Gelegenheit bieten, sich zu präsentieren. Mit Jaana Schareina aus Witten, alias Jaana Redflower – unverwechselbar zu erkennen an einer schwarzen Mütze mit knallroter Rose - trat eine Sängerin auf, die mit ihrer leicht rauchigen Stimme eine kleine Sensation war. Begleitet von ihrer Gitarre und der Baßgitarre von Adrian zeigte sie die Bandbreite ihres Könnens, sowohl im Rhythmus als auch in den Themen oder den virtuosen Zwischenstücken; alles mit gelungenen Verfremdungen und ohne sich zu wiederholen. Eine beachtenswerte Künstlerin, die sicher nicht zum letzten Mal aufgetreten ist.

Klaus Heimann, ein trocken vortragender Autor, dem man die Schaffung eines phantastischen Abenteuers eines Taxifahrers (Taxi zum Nordkap) nicht auf Anhieb zugetraut hätte. Aus seinem überaus dialoggeprägten Krimi wählte er geschickt Passagen aus, die Lust auf mehr machen, zumal erst im folgenden Werk die Auflösung der Handlung erfolgen soll.

Es folgte die bereits erwähnte Jaana Schareina, nun als Autorin, und beschrieb als vermeintliche „Psychiatrie-Insassin“ ihre Erlebnisse mit einem sprechenden Pinguin beim Einkauf, der „über 100 cm kleiner“ als die schon recht kleine Romanheldin, sich stets unten rechts in deren Kopf befand. Sie kündigte darüber hinaus vielsagend eine Begegnung mit der „ältesten Massenmörderin der Geschichte der Menschheit“ an und hatte in den dialogstarken Auszügen eine Menge Pfeffer zu bieten.

Über „Nicht nur Kleinkram“, aber doch eben von viel Kleinkram berichtete Christiane Rühmann, eine erfahrene Autorin aus Burscheid, deren leicht rheinischer Akzent ihre ohnehin lockeren Beiträge noch amüsanter machte. Sie bezeichnete sich selbst als nicht „DIN“ sondern als verrückt, was wohl so zu verstehen ist, dass sie auf einen großen Abstand zu den als normal bezeichneten Gepflogenheiten oder Konventionen wert legt.

Wulf Golz, trat als Barde verkleidet an und erinnerte in seinem Outfit stark an eine Mischung aus spätmittelalterlichem Medicus, an den Zauberer Merlin und an Catweazle. Er trug Auszüge aus seinem noch unveröffentlichten Buch „Vys“ vor und untermalte die stimmungsträchtigen Szenen mit Mandolinenklängen, Zitterlauten (Turmuhrimitation) und Beckengewitter. Der Aufbau seines „Larifariums“ in dem „Toris Lendon aus Ragund“ eine wichtige Rolle spielt, erschloss sich dem Zuhörer noch nicht ganz, die angekündigten Fortsetzungen werden das Dunkel aber sicherlich weiter erhellen. Es war auf jeden Fall eine faszinierende und ungewöhnliche Lesung.

Mit spanischen Gitarrenweisen beginnend, verzauberte Mitchel Summer in gewohnt souveräner Manier nun die nach weiteren musikalischen Vorträgen lechzenden Zuhörer. Es folgten einige Gitarrenklassiker, die sehr sinnlich, gefühlvoll, mit für Mitchel typisch wechselnden Tempi und teilweise sogar spinetthaft vorgetragen wurden.

Der Abend endete mit den eingangs erwähnten Zugaben von Klaus Märkert.
Fazit: wer nicht da war, hat etwas verpasst.

Rolf Blessing 09.01.2017

Autor:

Manfred Wrobel aus Mülheim an der Ruhr

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