"Es ist etwas faul im Hause Samsa." - Kafkas "Die Verwandlung" in den Kammerspielen

Die Familie Samsa in rätselhafter Verdopplung. | Foto: Küster
  • Die Familie Samsa in rätselhafter Verdopplung.
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Dass Kafkas berühmte Erzählung „Die Verwandlung“ die Pathologie einer Familie zum Gegenstand hat, dürfte unstrittig sein. Ansonsten hat das Werk die unterschiedlichsten Interpretationen erfahren, von denen die wenigsten vollkommen abwegig sind, von denen aber auch keine restlos überzeugt.

Gerade aus dieser Vieldeutigkeit ergibt sich ein gravierendes Problem, will man das Werk auf die Bühne bringen. Das hat auch diejenigen, die an Jan-Christoph Gockels Inszenierung, die in den Kammerspielen des Schauspielhauses zu sehen ist, beteiligt sind, beschäftigt. Dramaturg Alexander Leiffheidt bringt das Dilemma im liebevoll gestalteten Programmheft auf den Punkt: „Das Theater ist die Kunst des Körperlichen, des Konkreten.“ - Und gerade das Konkrete hat Kafka in seiner Erzählung um einen jungen Mann, der eines Tages als Ungeziefer erwacht, bewusst vermieden.
Regisseur Gockel arbeitet schon länger mit dem Puppenbauer und -spieler Michael Pietsch zusammen. Der ist in der Inszenierung der „Verwandlung“ auch als Schauspieler ein wahrer Aktivposten. Gerade als kauzige Bedienerin bringt er das Komische zum Vorschein, das Kafkas Texten immer auch innewohnt. Mit seinen Puppen, die den jeweiligen Schauspielern frappierend ähneln, bringt er die Frage nach den Größenverhältnissen ins Schweben: Ist die Hauptfigur Gregor Samsa (Nils Kreutinger) riesengroß oder winzig klein?

Die Kunst des Uneindeutigen

Auch andere Fragen lassen sich nicht eindeutig beantworten: Ist Gregors Schwester Grete (Luana Velis), die nicht von ungefähr an Madonna zu ihren besten Zeiten erinnert, selbstbewusstes erotisches Subjekt oder ein Spielball ihrer Eltern (Katharina Linder und Uwe Zerwer), die sie an den Prokuristen verschachern wollen, nun da Gregor als Ernährer ausfällt? - Hat Gregors Vater tatsächlich Arbeit bei einer Bank gefunden? Seine merkwürdige Uniform scheint diese Behauptung Lügen zu strafen.
Alle verwandeln sich in dieser Inszenierung ständig. Und so birgt auch der Schluss noch ein Rätsel: Stirbt Gregor an der unmenschlichen Behandlung seiner Familie, die ihn in einer unglaublich brutalen Szene mit Äpfeln attackiert hat? Oder schafft er sich selbst aus dem Weg, da er, arbeitsunfähig geworden, seinen Nutzen für die Familie verloren hat?

Termine
„Die Verwandlung“ ist am Mittwoch, 2. November, um 19.30 Uhr wieder in den Kammerspielen des Schauspielhauses, Königsallee 15, zu sehen.
weitere Termine: Sonntag, 6. November, 19 Uhr; Freitag, 11. November, 19.30 Uhr; Samstag, 26. November, 19.30 Uhr; Dienstag, 6. Dezember, 19.30 Uhr; Samstag, 17. Dezember, 19.30 Uhr; Sonntag, 25. Dezember, 18 Uhr; Samstag, 31. Dezember, 17 und 20.30 Uhr

Autor:

Nathalie Memmer aus Bochum

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