Der 8.Mai- Tag der Befreiung!- Rede von Wolfgang Dominik

Wolfgang Dominik bei einer Veranstaltung der Bochumer Linken
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  • hochgeladen von Christoph Nitsch

Nachfolgend die Rede, die Wolfgang Dominik schon am vergangenen Ostermontag beim Ostermarsch in Bochum- Werne hielt, um thematisch auf den Tag der Befreiung einzustimmen:

Liebe Freundinnen und Freunde,
liebe Genossinnen und Genossen,
Liebe Kameradinnen und Kameraden,
sehr geehrte Damen und Herren,
70 Jahre Befreiung von Faschismus und Krieg! (Ausrufezeichen!)
70 Jahre Befreiung von Faschismus und Krieg? (Fragezeichen!)
Mit beiden Sätzen möchte ich mich heute wegen der Kürze der Zeit nur thesenartig
beschäftigen.
Es soll ein Rückblick in die bundesrepublikanische Geschichte sein, um die Gegenwart und Zukunft besser zu verstehen.
Zunächst das Ausrufezeichen! Ja!
Befreiung von Faschismus und Krieg! Für diejenigen, die halbtot aus den
Konzentrationslagern kamen, war es zunächst ein Tag der Befreiung!
Für diejenigen, die die Nächte und hier in Bochum dann auch bald die Tage im Bunker verbrachten, war die Angst nicht mehr da, doch noch von Bomben zerfetzt zu werden. #
Diejenigen, die bis zum letzten Tag an einer der vielen Fronten Soldaten waren, war die Zeit vorbei, Mörder zu werden oder ermordet zu werden.
Und für zigtausend Zwangsarbeiter_innen war der allgegenwärtige Tod
auch hier in Bochum nicht mehr zu befürchten.
Die Überlebenden des KZ Buchenwald formulierten ihre Hoffnungen nach der Befreiung folgendermaßen:

Wir schwören vor aller Welt an dieser Stätte des faschistischen Grauens:
Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der
Völker steht!
Die Vernichtung des Faschismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung.
Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.

Unter dieser Formel habe ich vor vielen Jahren den Weg in die antifaschistische Bewegung, also auch in die VVN, gefunden. Antifaschismus bedeutet immer Antimilitarismus.
Und nun das Fragezeichen hinter Befreiung von Faschismus und Krieg.
Das Versprechen von Buchenwald blieb ein Versprechen!
Die Wiederherstellung der ökonomischen kapitalistischen Strukturen, die den
Faschismus ermöglicht hatten, war der erste Schritt zur Restauration der BRD - zum größten Teil mit dem Personal, das sich auch vieler Kriegsverbrechen schuldig gemacht hatte,
inzwischen aber als Mitläufer klassifiziert wurde.
Die Antifaschistinnen und Antifaschisten erlebten bald, dass die Schuldigen am Faschismus bis auf ganz wenige Ausnahmen gerade nicht vor ihren Richtern standen, sondern dass die am Faschismus und seinem Terror mitschuldigen Richter und Staatsanwälte in den Westzonen und der BRD ihre Karrieren fortsetzten. Antifaschistinnen und Antifaschisten standen sehr bald auch wieder vor den ihnen schon aus dem Faschismus wohlbekannten Richtern und Staatsanwälten und wurden wegen der gleichen Delikte wie damals verurteilt.
In den fünfziger Jahren waren in bundesrepublikanischen Behörden, Gerichten, Schulen mehr Nazis aktiv als jemals zwischen 1933 bis 1945 – der GG-Artikel 131 ermöglichte das.
Die überlebenden jüdischen Mitbürger_innen und ihre Angehörigen stießen auf einen z.T. bis zum Mord gehenden Antisemitismus. Dieser Antisemitismus beherrschte nach dem 8.Mai 1945 die Köpfe vielleicht noch mehr als vorher.
Zum Trauern waren die Deutschennicht fähig. Und in den sog. Wiedergutmachungsausschüssen stießen die wenigen überlebenden jüdischen Mitbürger_innen auf Netzwerke ehemaliger faschistischer Beamter, „Arisierer“, Profiteure am Raub jüdischen Eigentums.
Kommunist_innen und Sozialist_innen trafen auf den pathologischen Antisozialismus und Antikommunismus, der vor allem im Faschismus besonders effektiv in die Köpfe und Seelen vieler Menschen gemeißelt worden war. Ein großer Teil des vor kurzem noch folternden und mordenden Personals von SD, SS, GeStaPo, SA, NSDAP, Fremde Heere Ost und anderen faschistischen Organisationen besetzten denn auch Polizei und Geheimdienste.
Auch die VVN sollte von ehemals hochrangigen faschistischen Richtern verboten werden.
Und die Remilitarisierung wurde, kaum dass die Trümmer des Krieges aufgehört hatten zu qualmen, geplant und bald mit altem faschistischem Führungspersonal in die Tat umgesetzt.
Die Bundeswehr wurde NATO-Mitglied. Gegner der Remilitarisierung wie unser
langjähriger VVN-Vorsitzender Klaus Kunold saßen wegen ihres Friedensengagements jahrelang im Gefängnis, während zu Hause seine Frau mit dem gemeinsamen Baby und gemeinsamen kleinen Kindern saß.
So ist es nicht verwunderlich, dass Hitler bis 1984 Ehrenbürger der Stadt Bochum war und sein Steigbügelhalter Hindenburg es bis heute ist.
Schließlich gelang zwei ehemaligen angeblichen Anti-Kriegs-Parteien mit ihrem Kanzler, Außen- und Kriegsminister die „Enttabuisierung des Militärischen“. Deutsche Bomber fliegen in der 1. Reihe, titelten manche Zeitungen ab März 1999.
Und die neue Speerspitze gegen Russland soll die Bundeswehr sein.
Deutschland ist eine NATO-Führungsnation und führt Krieg auf Krieg.
Statt „Nie wieder Krieg!“ heißt es nun „Nie wieder Krieg ohne Deutschland!“
Befreiung von Faschismus und Krieg!? Vor 70 Jahren begann der Widerstand gegen
Neofaschismus und gegen neue Kriege. Ein Ende ist nicht abzusehen.
Aber: Die Kriegsbereitschaft und Kriegsakzeptanz ist für die Herrschenden in diesem Land immer noch erschreckend niedrig! Das liegt auch an euch hier: Antifaschist_innen, Antimilitarist_innen und Pazifist_innen. Wir müssen weiter machen. Die Herrschenden in diesem Land spielen jetzt auch mit unserem Leben!
Ich würde uns und mir gerne mehr Hoffnung machen: Stattdessen kann ich nur an Rosa Luxemburg, manche sagen auch, der Satz stammt von Bert Brecht, erinnern:
Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren.

Ich danke euch und wünsche einen erfolgreichen weiteren Ostermarschtag!
Wolfgang Dominik
Rede zum Ostermarsch 2015, Auftaktkundgebung Ostermontag, 11.00 Uhr in Bochum-Werne

Quelle: http://vvn-bda-bochum.de/wp-content/uploads/2015/04/Die-Rede-von-Wolfgang-Dominik-im-Wortlaut.pdf

Autor:

Christoph Nitsch aus Bochum

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