Liebesleid im Kleinformat

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Es musste ein paar Wochen schon in dieser Form gegangen sein, bis sie mir dann eines Morgens doch ins Auge fielen. Sie waren klein, nur gerade eben mal 2,5 x 4 cm groß und sie trafen sich in meiner Tageszeitung. Zwischen „Familienanzeigen“, „Marktplatz“ und den „Grüßen und Glückwünschen“ hatten sie für sich einen Platz gefunden, an dem man flüstern konnte, ohne dass es gleich die ganze Welt hörte. „Sag mir was ich heilen kann … In Gedanken bin ich pausenlos bei Dir. Du weißt, wie du mich erreichen kannst.“

Ich fand das rührend. „Heilen“ war seit Jahren schon mein Thema und Heilung war genauso vielfältig, wie wichtig. Das kleine Herzchen in der Anzeige schwebte an einem Luftballon, während mein Herz am Frühstückstisch schwer und immer schwerer wurde und zu Boden sank.
Was gab es Schlimmeres, als Kummer, der sich aus unerfüllter Zuneigung zu einem Menschen speiste, den man sehr liebgewonnen hatte und unter dessen Verstimmung, Kühle und Zurückweisung man derart litt, dass es noch bis zum Lebensende reichen konnte, das Leben schwarzgrau anzustreichen?

Ich trauerte mit diesen beiden Menschen; bis ich am nächsten Tag die Tageszeitung las und auf der letzten Seite ankam: „Die Hin- und Herverzeiherei sollte aufhören!“ Das klang vernünftig. „Wir sollten uns wieder mehr begegnen (wie vorher auch, ich vermisse dich sehr), reden und gegenseitig vertrauen. Ich wollt, das würde wahr!“
Ich auch. Da saß ich hier an meinem Küchentisch und las und wünschte mir, dass den beiden das gelingen konnte, weil miteinander reden und vertrauen Grundvoraussetzung jedes guten Miteinanders waren; und ich selber konnte gar nichts tun. Nichts anderes, als aufrichtig zu hoffen und zu warten! Doch schon tags darauf entspannte sich die Angelegenheit ein wenig:
„Ich bin deiner Meinung und es geht mir wie dir. Wenn du magst, wäre ein Spaziergang schön! Wir könnten in Ruhe reden. Vertrau‘ mir. Ich wünsche mir, dass das wahr wird!“

Die Freude an meinem Küchentisch war ehrlich. Es schien nicht aussichtslos zu sein, weil hier zwei Menschen offensichtlich gleichermaßen über einen Missklang traurig waren. Ich drückte beide Daumen und hatte keine Chance mehr, die Sache aus den Augen zu verlieren; zu groß war meine Anteilnahme. Ich stellte nämlich mittlerweile fest, dass ich dem Kleinformat genauso stark entgegen fieberte, wie vermutlich diese beiden. Jeden Tag krallte ich sofort die Tageszeitung und suchte auf der Seite mit den Kleinanzeigen und Geburtstagsgrüßen nach dem 2,5 x 4 cm großen Kästchen. Allerdings brauchte ich Geduld, denn bis zur nächsten Nachricht vergingen ein paar Tage. Dann aber traf sie ein: „Es wird wahr werden! Wir müssen uns nur noch absprechen.“

Meine Erleichterung war grenzenlos. Kein langes Gezerre, sondern klares auf einander zu gehen waren die besten Voraussetzungen, sich auszusöhnen. Fast zwei Wochen aber brauchte dann die Antwort und ich hatte längst schon Sorge, den Ausgang dieser Sache durch den Urlaub zu verpassen. Offenbar hatte aber auch der andere terminliche Probleme, denn erst 11 Tage später teilte meine Tageszeitung die erlösenden Worte mit: „Es wird wahr werden! Meine Vorschläge sind:...“ Das Kleinformat schlug sieben Termine vor, „ab 14.00 Uhr“ und entschuldigte die Pause: „Leider konnte ich nicht eher antworten.“
Der Empfänger jedoch schlug ganz offensichtlich glücklich Purzelbäume:
„Ich nehme jeden Tag!“ und erzeugte damit höchstes Glück an meinem Küchentisch und auch im Adressaten. Jetzt ging es Schlag auf Schlag. Schon drei Tage später versprach die Tageszeitung: „Es wird wahr werden! Dann treffen wir uns doch am“ … „um 14.00 Uhr. Treffpunkt: Da, wo wir uns fast immer begegnet sind. Ich denk an Dich!“

Wieder war ich erleichtert. Es würde genau so wahr werden, wie damals in der Kindheit, als die Mutter immer versprochen hatte, dass alles wieder gut werden würde. Ich fieberte mit. Dass die schriftliche Kommunikation allerdings immer auch so ihre Tücken hat, wurde aus der Antwort deutlich, die am Tag darauf in der mittlerweile schon als erstes aufgeschlagenen Seite mit den Kleinanzeigen und den Glückwünschen zu finden war: „Mit „jeden Tag“ hatte ich eigentlich wörtlich gemeint. Jetzt muss ich bis zum … warten. Ich zähle schon die Tage!“

Ich musste vor mir selber eingestehen, dass auch ich die Tage zählte und gespannt war, ob meine Tageszeitung zum festgelegten Tag noch eine Meldung druckte. Und sie druckte; wieder nur 2,5 x 4 cm groß: „Es wird wahr werden!“ Die eingefügte Sonne schien ebenfalls im Kleinformat. „Morgen ist endlich der“ xte. “Ich freue mich sehr auf unser morgiges Treffen!“
Ich mich auch. Sie hatten es geschafft! Zumindest bis hierhin. Ich war gespannt, wie es weitergehen würde. Ob jetzt alles wieder gut war? Ob die Versöhnung funktioniert hatte? Ob Vertrauen wieder da war? Ob ihnen das Reden geholfen hatte? Ich wünschte es den beiden sehr.

Doch meine Tageszeitung schweigt. Sie ist grausam und ich kann ich nicht mehr schlafen. Wer kümmert sich denn jetzt um mein gequältes Herz? Ich drehe und wende die Gedanken täglich mehrfach und bin mir sicher … dass es nur zwei Möglichkeiten gibt:
Entweder es ist jetzt alles gut und die beiden haben sich versöhnt und sind wieder vereint.
Oder es ist für immer schief gegangen …

Ach Kinder, bitte schreibt doch wenigstens noch kurz, ob alles wieder gut ist!

~ ~ ~ BITTE! ~ ~ ~

© Sabine Schemmann, Freie Erzählungen Oktober 2013

Autor:

Sabine Schemmann aus Bochum

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