Faire Löhne

Für eine Handvoll Euro: Ab 1. Januar gilt der flächendeckende gesetzliche Mindestlohn. Foto: Möhlmeier
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21 Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben ihn bereits, Deutschland führt ihn als 22. Staat zum 1. Januar 2015 ebenfalls ein: den Mindestlohn. Bringt er die erhoffte Einkommensgerechtigkeit?

Als nach den Bundestagswahlen im vergangenen Jahr am Ende eine große Koalition aus CDU/CSU und SPD gebildet worden war, stand auch die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohnes in Höhe von 8,50 Euro die Stunde fest. Die Unionsparteien waren ursprünglich gegen die Einführung eines Mindestlohnes; das Gesetz beinhaltet insofern auch Ausnahmen. Abweichungen sind bis zum 1. Januar 2017 zulässig.

Wichtigstes Argument der Befürworter ist die Vermeidung von Lohnarmut, denn es könne nicht sein, dass ein Vollzeitarbeitnehmer von seinem Lohn nicht leben könne. Zudem führe Lohnarmut im Rentenalter auch zu Altersarmut. Die Gegenseite argumentiert, dass die Einführung eines solchen Mindestlohnmodells Arbeitsplätze vernichte und die Einkommen ärmerer Haushalte gar nicht spürbar steigen würden.

„Mindestlöhne“, sagt Matthias Runge, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Herne und Castrop-Rauxel, „sind aus Arbeitgebersicht in Ordnung – wenn sie innerhalb der Tarifautonomie verhandelt worden sind.“ Die Tarifautonomie sah der Wirtschaftsflügel von CDU/CSU durch die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohnes als gefährdet an. Die Einführung konnte er nicht verhindern, aber Ausnahmen in das Gesetz einfließen lassen.

Dass Mindestlohnbefürworter die Tarifautonomie als Argument gegen einen flächendeckenden Mindestlohn nicht gelten lassen, bekräftigt Udo Behrenspöhler, Vorsitzender des DGB-Ortsverbands Castrop-Rauxel. „Man muss wissen“, erläutert Behrenspöhler, „dass Arbeitgeber sich in vielen Branchen der Tarifautonomie entziehen.“ Das betreffe zum Teil den Einzelhandel, aber auch die Logistikbranche, Paketboten und Friseure.

Im Handwerk gelten zum Teil schon Mindestlöhne. Beispielsweise bei den Dachdeckern gilt ein Tariflohn von 11,55 Euro die Stunde, der im kommenden Jahr um 30 Cent ansteigt. Bei den Friseuren hingegen liegt er derzeit bei 8 Euro die Stunde (West) bzw. 7,50 Euro die Stunde (Ost).

Dass im Friseurhandwerk teilweise sehr niedrige Löhne gezahlt werden, „hängt auch damit zusammen, dass die Arbeitgeber wissen, dass hier Trinkgelder bezahlt werden. Und das rechnen die Friseure mit ein“, gibt Udo Behrenspöhler zu bedenken. „Die Friseure“, räumt Matthias Runge ein, „haben Schwierigkeiten. Die haben aber Wege gefunden, sich an den Mindestlohn anzupassen.“

Vom Mindestlohn selbst wird man allerdings nicht reich. „Wenn wir über 8,50 Euro sprechen, wovon reden wir dann?“, fragt Udo Behrenpöhler. „Das sind 1.385 Euro brutto im Monat, wenn man Vollzeit arbeitet. Davon bleiben weniger als 1.000 Euro übrig.“ Deutschland sei eines der reichsten Länder der Welt. Und doch: „Vor der Einführung des Mindestlohnes wurden teilweise sittenwidrige Löhne gezahlt.“

Doch es bleiben auch einige von der neuen Regelung ausgeschlossen. „Es gibt ganz viele Bereiche, die vom Mindestlohn gar nicht profitieren – Freelancer, die gar keine Freelancer sind“, kritisiert Matthias Runge, der ein systemisches Problem sieht. „Die Gefahr, die ich beim Mindestlohn sehe, ist, dass nicht auf die jeweilige Branche und Region eingegangen wird, sondern in politischen Gremien irgendetwas ausgemacht wird.“ Die Gewerkschaften hingegen kritisieren die Ausnahmen. „Der DGB Emscher-Lippe, auch hier in Castrop-Rauxel, missbilligt, dass der Mindestlohn durchlöchert wurde wie ein Schweizer Käse“, verweist Udo Behrenspöhler auf Ausnahmeregelungen bei Langzeitarbeitslosen, Zeitungszustellern usw.

In einigen Branchen ist dies wohl weniger zu befürchten. „Das Handwerk ist dafür, dass faire Löhne gezahlt werden“, betont Matthias Runge. „Letztendlich können wir mit dem neuen Gesetz leben.“

Autor:

Sascha Ruczinski aus Schwelm

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