Gaza: Ist der Sturm auf Rafah noch aufzuhalten?
Freude über angebliche Waffenruhe währte nicht lang. Jetzt wird’s erst so richtig ungemütlich.

Menschen unter Beschuss. Menschen, die zu fliehen versuchen - sofern Erschöpfung, Verletzungen, Mangel an Nahrung und Flüssigkeit ihnen nicht die Kraft dazu genommen haben. Doch wohin fliehen, wenn es keinen sicheren Zufluchtsort mehr gibt?

Die Bilder sind kaum auszuhalten. In Ruinenlandschaften verwandelte Städte. UNDP, eine Agentur der Vereinten Nationen, beschreibt die Zerstörung in Gaza als „die schlimmste seit dem Zweiten Weltkrieg“, das berichtete der Deutschlandfunk Anfang Mai. 60-70 Prozent aller Gebäude im Gaza-Streifen seien zerstört oder stark beschädigt. Eine vollständige Räumung und der Wiederaufbau werde mindestens bis zum Jahr 2040 dauern.

Auch die Verluste an Mensch und Leben sind schauerlich: 35.000 Palästinenser sind seit Beginn der israelischen Gegenoffensive im Gaza-Streifen ums Leben gekommen - überwiegend Zivilisten, darunter 15.000 Kinder und knapp 10.000 Frauen. Rund 78.700 weitere BewohnerInnen wurden durch Kriegseinwirkung verletzt bzw. verstümmelt.

Wie räudige Köter gejagt

Es gibt keinen sicheren Ort mehr im Gazastreifen. In Rafah rücken die Panzer bedrohlich näher. Die Stadt hat sich für Bewohner und Flüchtlinge in eine tödliche Falle verwandelt. Aber auch die Küstengegend ist völlig überfüllt. Es fehlt an allem. Doch dorthin sollen die Menschen auf Anordnung der israelischen Armee mit Sack und Pack umziehen - sie nennen das euphemistisch "Evakuierung" -, damit die Armee endlich auch Rafah einnehmen und zerstören kann. Offiziell heißt es natürlich: Besetzung zwecks Vernichtung der letzten Hamas-Bataillone...

Angst und Anspannung sind riesig. Gestern hieß es im Radio, die ersten 150.000 Menschen hätten sich bereits von Rafah aus auf den Weg gemacht - mit Taxen, völlig überladenen Pick-ups, Eselkarren oder auch zu Fuß. Wie räudige Köter von einer Ecke des Streifens in die nächste gejagt.

Das alles ist absurd, und schändlich. Von einer juristischen Bewertung mal ganz zu schweigen.

Hierzulande wird gerne jede Kritik an Israel als antisemitisch diffamiert. Was natürlich Quatsch ist: Antisemitismus richtet sich gegen den jüdischen Glauben, bzw. seine Träger und seine Symbole, nicht aber gegen einen Staat (und seine Handlungen). Ein jüdischer Staat muss die gleichen internationalen Spielregeln beachten wie jeder andere Staat in der Welt auch!

In Wagenburg-Denke gefangen

Doch damit tut sich Israel schwer. Es ist kein Zufall, dass Israel nicht dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) beigetreten ist und die Urteile des Internationalen Gerichtshofs (IGH) nicht als verbindlich ansieht. Selbst UN-Resolutionen bleiben unbeachtet, wenn sie in den Augen der israelischen Regierungen als gegen die Interessen Israels gerichtet betrachtet werden. Das ist zwar unrechtmäßig, aber den in einer Art Wagenburg-Mentalität gefangenen israelischen Verantwortlichen egal. Man werde "die Sache" zuende bringen, den Sturm auf Rafah zur Not auch alleine, gegen den Rest der Welt, durchziehen.

Es ist offenkundig, dass nur noch internationaler Druck, nur noch demonstrative Isolierung Israels Regierung zum Einlenken bewegen könnte. Also los, Frau Baerbock: Den Botschafter einbestellen, eine Protestnote überreichen! Und gleichzeitig alle Waffenlieferungen an Israel einfrieren!

Autor:

Heiko Holtgrave aus Dortmund-City

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