Es wird bereits kräftig abgesattelt
Brauchtumsumzüge ohne Pferde?

Foto: Wolfgang Harste
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In Städten wie Bonn werden seit diesem Jahr keine Pferde mehr eingesetzt in Karnevals- und Schützenumzügen.

Nach Protesten im letzten Jahr wird in diesem Jahr aus Gründen des Tierwohls auf der Cranger Kirmes in Herne beim großen Umzug auf Pferde verzichtet.

In Neuss-Reuschenberg gibt es in diesem Jahr keine Reiterkorps und berittenen Korpsführer mehr. Grund dafür sind Fragen des Tierwohls und  steigende Kosten.
In Düsseldorf-Himmelgeist setzten die Schützen eine Elektrokutsche ein und verzichteten auf Pferde.

In Düsseldorf fand am Sonntag, dem 16.07.2023 die große historische Parade des St. Sebastianus Schützenvereines 1316 e.V. statt.

Während im letzten Jahr bei dem Festumzug ein Pferd auf der Königsallee auf tragische Weise starb, verzichteten die Traditionalisten in Düsseldorf nicht auf den Einsatz von Pferden.

Eingesetzt wurden 70 Pferde. Hinzu kamen je zweispännige Kutschen.

Schützenchef Michael Zieren hatte zuvor in den Medien angekündigt, das in diesem Jahr beim historischen Umzug im Hofgarten mit den Pferden Ende sei, diese dort verladen und in ihre Ställe zurückgebracht werden. Auch bei der Investitur am Samstag, dem 15.07.2023 sollten die Tiere nicht mehr zum Rathaus reiten und dort über eine Stunde stehen. Am Burgplatz war für die Pferde Schluß mit dem Umzug. Immerhin eine Verkürzung des Leidens für die Tiere.

Tierschützer hatten für den Sonntag eine friedliche Protestaktion auf der Königsallee/Königstrasse angekündigt und organisiert.

Ich beteiligte mich an dieser Protestaktion, da ich der Meinung bin, das Pferde weder Sportgeräte, noch zur Belustigung der Menschen da sind.

Für den Einsatz von Pferden im Brauchtum exisitiert immerhin eine Vorgabe der Landesregierung NRW aus Gründen des Tierschutzes und der Vermeidung von Unfällen.

Bei einem runden Tisch in Düsseldorf einigten sich die Vertreter/Innen  des Brauchtums, das diese Vorgaben für das Tierwohl eingehalten werden. Zu überprüfen hat die Einhaltung der Vorgaben das städtische Veterinäramt.

Demnach dürfen Reiter nicht zu schwer sein. Ihr Körpergewicht darf 15 % des Gesamtgewichts des Pferdes nicht übersteigen.

Die sehr geräuschempfindlichen Pferde dürfen nicht unmittelbar vor oder hinter einer Musikkapelle laufen.

Ob man sich in Düsseldorf an die Anforderungen hält?

Gespannt wartete ich auf den Zug und wurde leider enttäuscht.

Immer wieder liefen gestresste Pferde vor oder hinter sehr stark besetzten Spielmannszügen.

Hatte das Veterinäramt nicht kontrolliert? Wie kam es zu dieser Aufstellung und warum?

Ähnliches fiel mir bei einem Umzug der Schützen in Düsseldorf-Gerresheim vor einigen Wochen auf.

Und hätten Blicke mich heute auf der Königsallee getötet, dann wäre ich jetzt über 1000 Male gestorben.

Aber glücklicherweise lebe ich noch und bin motivierter denn je.

Die an uns vorbeimarschierenden und reitenden Schützen hatten für unsere Protestaktion wenig Verständnis.

Das dies kein Sonntagsspaziergang wird, war mir schon klar.

Zudem sorgte eine dankensweise starke Präsenz der Polizei für mehr Sicherheit und Deeskalation.

Wir ernteten neben dem Kopfschütteln der uniformierten Schützen auf viel positiven Zuspruch von Bürgern und Besuchern des Umzuges.

"Brauchtum kann auch sehr gut ohne Pferde funktionieren", hörte ich sehr oft von den Zuschauern.

Während ich also da so friedlich mit meinem Protestschild stand, durfte ich mir so einiges anhören von den maschierenden und reitenden Schützen.

Hier eine kleine Kostprobe:

Immer wieder kamen Rufe und Sprüche wie "Fleisch ist lecker", "Sauerbraten", "geht mal arbeiten", "habt Ihr Kleber dabei", "Ihr seid unnütz",  "Pferdebraten ist super" und vieles mehr.

Das ist schon etwas besorgniserregend, wenn sich erwachsene Menschen auf so ein Niveau herablassen und meinen , auf diese Art und Weise zu provozieren.

Sollte ich mich deshalb beleidigt fühlen? Nein.  Im Gegenteil.

Kann man von solchen Menschen erwarten , das diesen Tierwohl und Empathie wichtig ist - und man mit diesen darüber objektiv diskutieren kann?

„99 „ Luftballons - auf ihrem Weg zum Horizont.........

Ein kleiner Szenenwechsel zur Eröffnung der großen Kirmes am Freitag, dem 14.07.2023 in Düsseldorf.

Oberbürgermeister Stephan Keller und die Sebastianus Schützen eröffneten das Fest offiziell und liessen Hunderte mit Helium gefüllten Luftballons in die Luft steigen.

Schönes Bild für die Medien.

Man feiert sich zusammen gerne - aber so?

Eine Landeshauptstadt, die sich mit dem Herrn Oberbürgermeister der Nachhaltigkeit, Sauberkeit und dem Umweltschutz verschrieben hat, produziert mal eben jede Menge Müll, lässt diesen in die Luft fliegen, der dann irgendwo als Müll landet und von in Schnüren gefangenen Tieren gefressen wird, die daraufhin qualvoll sterben.

Und das, während die Betreiber der Stände auf der Kirmes mit enormen Mehrkosten zur Nachhaltigkeit, Mülltrennung und Umweltschutz verpflichtet sind.

In Düsseldorf werden Menschen zu Recht zur Kasse gebeten, wenn diese beim Wegschnippen einer Zigarette vom Ordnungsamt erwischt werden.

Weder steigende Luftballons auf Hochzeiten, Brauchtumsveranstaltungen oder Firmenevents sind mittlerweile weder romantisch noch zeitgemäß.

Das scheint bei den Schützen in Düsseldorf und deren Oberbürgermeister bisher nicht angekommen zu sein. Luftballons (auch aus Kautschuk) sind eine echte Gefahr für die Umwelt. Das Plastik gerät in die Natur, in Flüsse, Seen oder ins Meer. Fische halten die Ballonreste für Nahrung und verenden qualvoll.

Was nun mit diesem aktuellen Beispiel in Düsseldorf? 

Hat das jetzt auch mit "Tradition" und "Brauchtum" zu tun und ist deshalb überlebenswichtig ohne Rücksicht auf die aktuelle Zeit?

Fängt der Umwelt und Tierschutz hier bei uns vor der eigenen Haustüre an oder irgendwo am Amazonas?

Genau das ist der Punkt, den viele Kinder, Jugendliche, Umwelt, Klima und Tierschützer , Wissenschaftler, bemängeln. Es wird immer nur auf andere gezeigt, die verantwortlich sind und die Zukunft nicht gerade rosig aussehen lassen.

Warum wird über ein so schlechtes Beispiel nicht nachgedacht und diskutiert?

Weil es scheinbar bei dieser Zielgruppe keine Empathie für Menschen mit anderer Meinung gibt?

Doch, es gibt diese Menschen, die kreativ, positiv, produktiv. modern und lebensfroh in einer sich immer stärker verändernden Zeit bewegen.

Diesen Menschen ist die Zukunft nicht egal. Auch bei den Schützen gibt es diese Menschen. Das weiß ich aus eigener Erfahrung. 

Das lässt hoffen für die nächsten Jahre, in denen es dann endlich keine Tiere mehr eingesetzt werden zur Belustigung der Menschen zu kommerziellen Zwecken im Brauchtum. 

Resümee:

Ein kleiner Junge mit gerade einmal 10 Jahren brachte es heute nach der Protestaktion auf den Punkt: "Diese Demonstration heute ist wichtig. Alles gehört zusammen. Ich wünsche mir eine Zukunft, in der die Menschen achtsam mit der Natur, Tieren und der Umwelt umgehen". 

Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

Infos zu den Leitlinien „ Pferde im Brauchtum „:

https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMV17-2959.pdf

Autor:

Andreas Vogt aus Düsseldorf

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