Loveparade-Strafverfahren wegen Corona-Pandemie behindert
Update: Gericht regt Einstellung an - Geschädigte und Angehörige der Todesopfer "maßlos enttäuscht"

Das Congress Center Ost der Messe Düsseldorf ist aus Platzgründen offizielle Außenstelle des Landgerichts Duisburg. Hier findet seit dem 8. Dezember 2017 vor der 6. Großen Strafkammer des Landgerichts Duisburg der Loveparade-Strafprozess statt. | Foto: Frank Preuß
  • Das Congress Center Ost der Messe Düsseldorf ist aus Platzgründen offizielle Außenstelle des Landgerichts Duisburg. Hier findet seit dem 8. Dezember 2017 vor der 6. Großen Strafkammer des Landgerichts Duisburg der Loveparade-Strafprozess statt.
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Update 15.25 Uhr: 
Zu dem heutigen Vorschlag des Landgerichts Duisburg, den Loveparade-Prozess einstellen zu wollen, erklärt die Kanzlei Baum Reiter & Collegen Folgendes:
"Es ist zu erwarten, dass die Staatsanwaltschaft und die Angeklagten der Einstellung zustimmen werden. Eine Einstellung wird bedeuten, dass die Angeklagten, die nach Einschätzung des Gerichts wahrscheinlich wegen fahrlässiger Tötung verurteilt worden wären, nicht zur Verantwortung gezogen werden können. Stattdessen werden die Kosten des Verfahrens von der Staatskasse getragen.
Wir bedauern, dass der Loveparade-Prozess nach nunmehr fast 10 Jahren Bearbeitung durch Polizei und Justiz ohne ein Gerichtsurteil enden wird. Außer dem Gutachten des Sachverständigen wird es keine richterlichen Feststellungen mehr geben. Die Geschädigten und die Angehörigen der Todesopfer sind maßlos enttäuscht. Dies ist ein weiterer schwarzer Tag für die Opfer und Angehörigen der Loveparade-Katastrophe.
Wir erwarten jetzt eine Abschlussdebatte des Landtags über die Konsequenzen aus dem gescheiterten Loveparade-Prozess und die Konsequenzen, die die Landesregierung aus dem Sachverständigen-Gutachten unter anderem im Hinblick auf die Rolle der Polizei ziehen wird."

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Wie das Landgericht Duisburg mitteilt, hat die Kammer den Verfahrensbeteiligten vorgeschlagen, das Loveparade-Verfahren nach § 153 Abs. 2 StPO einzustellen. Sie können zu diesem Vorschlag bis zum 20. April 2020 schriftlich Stellung nehmen. Aktuell kann das Verfahren wegen des Risikos der Verbreitung von Infektionen durch den SARS-CoV-2-Virus (COVID-19-Pandemie) nur eingeschränkt durchgeführt werden.

Das Landgericht teilt mit: "Trotz aller Schutzmaßnahmen ist zu berücksichtigen, dass unter den notwendig zu beteiligenden Personen mehrere Angehörige von Risikogruppen sind. Schon jetzt musste die Hauptverhandlung deswegen unterbrochen werden. Eine weitere Anordnung von Quarantänen gegen Prozessbeteiligte ist jederzeit möglich. Aufgrund der dynamischen Entwicklung der Corona-Pandemie ist nicht absehbar, wann und wie die Verhandlung fortgesetzt werden kann.

Hauptverhandlung wegen Corona bereits mehrfach unterbrochen

Für den Fall einer Fortführung wäre mit einer erheblichen Dauer des weiteren Verfahrens zu rechnen. Durch die wahrscheinlich zugleich erforderliche Begrenzung der Sitzungsdauer könnte allein die für ein Urteil notwendige Einführung des Gutachtens des Sachverständigen Professor Dr. Gerlach zahlreiche zusätzliche Sitzungstage in Anspruch nehmen. In ihre Überlegungen hat die Kammer die Ergebnisse des schriftlichen Gutachtens bereits einbezogen. Professor Dr. Gerlach hat gegenüber dem Gericht schriftlich erklärt, dass sich durch die in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise gegenüber seinen bisherigen Einschätzungen keine wesentlichen Änderungen ergeben.
Unabhängig von dem Gutachten wäre es erforderlich, mehrere Nebenkläger zu vernehmen und eine Reihe von psychiatrischen Sachverständigen zu hören. Auch dies wäre mit einer erheblichen Gefährdung aller Verfahrensbeteiligten verbunden. Dazu käme die starke psychische Belastung für einige Nebenkläger.


Absolute Verjährung am 27. Juli 2020 

Die Kammer hält es zwar für wahrscheinlich, dass den Angeklagten die ihnen vorgeworfene Tat nachgewiesen werden könnte, wenn es möglich wäre, die Hauptverhandlung ohne zeitliche Beschränkungen fortzusetzen. Da dies nicht der Fall ist, besteht allerdings nur noch eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit, den angeklagten Sachverhalt verurteilungsreif aufzuklären. Das im Verfahren gründlich aufgeklärte, multikausale Geschehen auf der Loveparade in Duisburg am 24. Juli 2010 liegt bereits fast zehn Jahre zurück. Spätestens am 27. Juli 2020 dürfte hinsichtlich des Vorwurfs der fahrlässigen Tötung das Prozesshindernis der absoluten Verjährung eintreten. Auch dürfte eine etwaige Schuld der Angeklagten nach allen bisher vorliegenden Erkenntnissen als gering angesehen werden. Weiterhin muss die Kammer die lange Dauer des Verfahrens und die konstruktive Mitwirkung der Angeklagten berücksichtigen. Zudem war keiner der Angeklagten strafrechtlich vorbelastet. Unter Würdigung dieser und weiterer Umstände würde sich eine eventuelle Strafe im unteren Bereich des Strafrahmens bewegen.

Sollten die für eine Einstellung erforderlichen Zustimmungen erteilt werden und sich aus den Stellungnahmen der Verfahrensbeteiligten keine Änderungen an der derzeitigen Auffassung des Gerichts ergeben, würde das Verfahren eingestellt. In diesem Fall beabsichtigt die Kammer, die von ihr gewonnenen Erkenntnisse zu den Geschehnissen um die Loveparade 2010 in einem schriftlichen Beschluss zusammenzufassen und dessen Inhalt im Rahmen einer zeitlich begrenzten Hauptverhandlung vorzutragen.

Der nächste Sitzungstermin ist auf den 21. April 2020 bestimmt. Ob er stattfinden kann, ist wegen der Corona-Pandemie noch unklar."

Autor:

Lokalkompass Duisburg aus Duisburg

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