Karibik- Martinique und St. Lucia

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Samstag, 3. November 2012.
Die MS AMADEA ankerte vor Fort de France/ Martinique. Die Insel strahlte uns im gleißenden Sonnenschein einladend entgegen. Was für ein Unterschied zu damals, als wir mit dem ollen Rostkahn hier durch die Gegend schipperten. Damals tobte ein Aufstand, bürgerkriegsähnlich, einen Toten hatte es auch schon gegeben. 2009 mussten wir noch beide französischen Inseln Guadeloupe und Martinique umfahren. Aber diesmal durften wir an Land.
Zusammen mit unseren Tischnachbarn Hedwig und Theo (die Franzosen unter uns) ließen wir uns per Taxi in die City von Fort de France fahren. Der Fahrer, begeistert von seinen fließend französisch sprechenden Gästen (und damit meine ich natürlich nicht meinen Mann und mich) nutzte die Fahrt, um uns schon einiges zu erzählen. Am Markt entließ er uns. Aber nicht so ganz. Denn wo immer wir in der Stadt liefen, tauchte er auf, kurvte er an uns vorbei, vor uns her, neben uns…“Wollen Sie zurück?“

Die Markthalle war überdacht, riesig, bunt, duftend, laut und rappelvoll. Ich liebe ja diese unverwechselbaren Märkte des Südens. Wo der Fisch mit seinen anklagenden, toten Augen neben den handgearbeiteten Körbchen liegt, der Duft der Gewürze sich mischt mit den intensiven Säuren der exotischen Südfrüchte. Wo Babys selig im Tuch auf dem Rücken der Mamas schlummern, während sie ihre Waren anpreist, wiegt und in Zeitung schlägt. Wo sich Kleinkinder ohne zu knatschen auf einem Sack oder sonst was hinter dem Stand zusammenrollen, wenn sie müde werden und unbeeindruckt von Lärm und Gewusel zufrieden einschlafen.
Ein wunderbarer Markt dort in Fort de France! Ich mochte mich gar nicht mehr davon trennen.
Aber es gab auch Schuhgeschäfte. Viele, viele. Und alle hatten sie Ausverkauf! Eines direkt gegenüber vom Markt. Sofort versuchte mein Finanzminister, einen großen Bogen zu schlagen. Aber er hatte kein Glück. Auch als er anfing zu hyperventilieren. Gegen alle Schuhe für 10,--€ kam er nicht an.

Natürlich waren wir auch in der Kathedrale und der berühmten Bibliothek von Victor Schoelcher. Wir bedauerten die arme Kaiserin Joséphine, die würdelos, weil enthauptet, auf ihrem Sockel an der Promenade stand. Die Insel Martinique war ihre Heimat, hier war sie geboren und aufgewachsen, bevor sie mit ihrem ersten Mann, einem französischen Vicomte, nach Paris zog und später von Napoleon entdeckt, geheiratet und zur Kaiserin erhoben wurde. Jetzt ist sie einfach nur noch eine kopflose, traurige Statue.

Nur wenige Meter entfernt suchten wir uns ein Schattenplätzchen „chez Bernadette“. Unsere Füße qualmten und wir hatten tierischen Durst. Dagegen ließ sich was machen.
Und, was noch schöner war, unsere Bekannten erinnerten uns daran, dass wir uns hier im französischen Euroland befanden. Also: Handy raus und nach Hause telefonieren! So lange, bis der Akku platt war.

Beim Mittagessen an Bord schwärmten wir beiden Frauen, Hedwig und ich, von den Ausverkaufspreisen und unseren schicken Schuhen, die wir für sage und schreibe 10€ gekriegt hatten. Barbara, die dritte im Bunde, die vormittags mit ihrem Mann in Sachen Kultur unterwegs gewesen war, wurde blass. „Will ich sehen! Zeigt her!“
Und wir streckten unsere neu beschuhten Füße elegant aus. Augenblicklich verschwand Barbaras Kopf unter der Tischdecke. Auch Rodel, unser Oberkellner, bückte sich.
„Roland, beeil dich, wir gehen in die Stadt! Ich will auch Schuhe kaufen!“

Leider, leider war es Samstagnachmittag, und alles war geschlossen. Kein Markt, keine Schuhe, kein gar nix. Tja, Pech!

In der Nacht fuhr die AMADEA nur vierzig Seemeilen weiter bis Castries/ St.Lucia.
Wir sollten nach Möglichkeit keine Wertsachen mitnehmen an Land. Also packte ich nur unsere alte, kleine Digi von Aldi in die Tasche und wir marschierten (ich mit meinen neuen Schuhen) zu Fuß in das Städtchen.
Das Hafenumfeld ist wie überall nicht gerade anheimelnd. Dazu am Sonntag auch ziemlich ausgestorben. Tote Lagerhallen, Dreck, ein paar unheimliche Gestalten, die sich in den Ecken drückten. Wir kehrten um, gingen entgegengesetzt. Die Bürgersteige nur für fitte, gesunde Menschen. Der Höhenunterschied oft 30-40 cm, lose Platten, tiefe Löcher und Risse, Abwässer gurgelten in offenen Löchern mittendrin, schwammen auch neben den neuen Schuhen einher. Eine Straße mit Marktständen, mehr als armselig, ein bisschen Obst, Gemüse. Eine Markthalle, groß, dunkel, zum größten Teil verkleidet, abgehängt mit dunklen Tuchwänden von der wohl zehn-Meter- hohen Decke bis unten. Nur ein paar Stände dazwischen, dunkle Augen, die einen verfolgten…

Aber dann kamen wir zu einer Kirche. Offensichtlich war der Gottesdienst gerade zu Ende, und viele, viele Familien vom Uropa bis zu den jungen Müttern mit Baby, traten langsam aus dem Portal. Sie alle sonntäglich gekleidet, vom Feinsten, sehr elegant. Die Kinder mit Lackschuhen, weißen Strümpfen und weißem Kragen, die Frauen mit High-Heels, in denen ich mir den Hals brechen würde. Sie stöckelten graziös zu ihren Autos, als gingen sie über eine glatte Asphalt-Straße mit fußgängerfreundlichen Bürgersteigen.
Wir waren beeindruckt. Mehr als beeindruckt.

Um 18 Uhr lichtete die AMADEA ihre Anker im Licht eines grandiosen Sonnenuntergangs.

Fortsetzung folgt

© Christel Wismans 2013

Autor:

Christel Wismans aus Emmerich am Rhein

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