Borbecker entwirft mit seiner Dystopie ein erschreckendes Szenario
Romanautor warnt in "Jüdische Hochzeit" vor zuviel Bequemlichkeit

Karl Peter Schwarz hat mit "Jüdische Hochzeit" seinen ersten Roman geschrieben.  | Foto: cHER
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Karl Peter Schwarz legt mit "Jüdische Hochzeit" seinen ersten Roman vor Für viele ist die Aussicht auf den bevorstehenden Ruhestand vor allem eines: Die Chance, endlich alles ohne Stress und Hektik angehen zu können. Die Seele baumeln lassen - ohne dabei ein schlechtes Gewissen zu haben. Für Karl Peter Schwarz war von Beginn an klar: Das wird nicht sein Weg sein. Der Mann, der zuletzt als Vorstand einer Stiftung des öffentlichen Rechts gearbeitet hat, möchte weiter etwas bewegen in unserer Gesellschaft.

von Christa Herlinger

Das macht der 1951 in Borbeck geborene studierte Sonder- und Sozialpädagoge, der an der Universität Essen-Duisburg zum Thema "Vermarktwirtschaftlichung sozialer Hilfebedarfe" promoviert hat, auf seine ganz eigene Art und Weise. Schwarz hat ein Buch geschrieben, keine wissenschaftliche Analyse darüber, wohin sich die Gesellschaft in unserem Land zu entwickeln droht, sondern einen Roman. "Jüdische Hochzeit" ist das 450 Seiten starke Werk überschrieben. Die darin erzählten Plots spielen in naher Zukunft. "Vielleicht in zehn oder 20 Jahren", mutmaßt der Autor, der heute im bayrischen Burghausen lebt und schreibt.

Journalistin Sarah ist die Hauptfigur

Und das Schreiben bleibt Schwarz' Passion. Aktuell arbeitet er an einem Drehbuch der "Jüdischen Hochzeit". Nicht ganz einfach, denn sein literarisches Erstlingswerk ist komplex angelegt. Zahlreiche Erzählstränge muss der Leser miteinander verknüpfen. Im Mittelpunkt steht Sarah, deutschstämmige Tochter eines jüdischen Unternehmers. Die Familie der jungen Journalistin lebt im Ruhrgebiet. Und dort startet sie auch ihre Recherchen. Die Story, an der sie arbeit, hat reichlich Brisanz. Kurz vor dem vermuteten Wahlsieg der "Nationalen Partei" in NRW möchte die junge Frau den Gefährdungsgrad jüdischer Bürger ermitteln. Aber nicht nur das. Sie taucht tief ein in die Gesellschaft ihrer Zeit und deren Abgründe und verschafft sich mit gefälschten Papieren Aufnahme in das überwachte Modellprojekt "Wohnquartier Ruhrstadt West".

Bewohner erhalten Sozialleistungsgutschriften

Keine angenehme Wohnatmosphäre. Dort lebt die Bevölkerung verarmter Stadtteile des Essener Nord-Westens. Die Sozialleistungsgutschriften der dort angesiedelten Menschen werden mittels einer digitalen Überwachungssoftware berechnet. Als Gegenleistung für günstige Versorgung müssen die Bewohner verpflichtend Arbeitsdienste leisten: In der häuslichen Pflege, in Kindergärten, Altenheimen oder in den Instandhaltungskolonnen, die für den Erhalt der Infrastruktur sorgen. Sarah findet Arbeit im dortigen Sozialkaufhaus.
Schwarz überschreitet in seiner Dystopie bewusst unser sicher geglaubtes Wertesystem und konfrontiert den Leser mit den Auswirkungen. In Sarahs Welt sind Bürgergerichte Realität, ebenso Cyberkriege und brutale Formen des Widerstandes.

Liebesgeschichte in bedrohlichem Umfeld

"Die liberale Demokratie stirbt in dieser Welt ab. Die Bürger nehmen sie nur noch als Ausschuss von Eliten und System-Profiteuren wahr", so Schwarz.
Es gibt einen Drohnenangriff auf das Festzelt einer Maifeier, es geht um Abschiebung von Muslimen, Flüchtlingen und EU-Migranten - aber auch um Liebe und die Verbrechen der Nationalsozialisten an den Juden, unter denen die Familien der Nachkommen noch heute leiden. Sarah lernt den Untergrundaktivisten Hans kennen und gerät damit in die Schusslinie neofaschistischer und islamistischer Terrorgruppen. Auch ihre Familie lebt gefährlich, als die Lage derart eskaliert, dass Gefährdete und Dokumente nach Haifa ausgeflogen werden müssen.

Noch ist alles Fiktion

Es ist keine schöne Welt, die Schwarz seinen Lesern präsentiert. Aber genau das ist sein Anliegen. "Noch ist alles Fiktion, aber wir dürfen es uns nicht so bequem machen. Es gab und wird nie eine Generation geben, die sich nicht mit etwas auseinandersetzen, gegen etwas kämpfen muss", ist sich der gebürtige Borbecker sicher. Vielleicht ist Sarahs Geschichte deshalb so angelegt, dass sie wie "weitergedacht" erscheint. Wie eine logische Konsequenz dessen, was wir heute schon erleben. "Derzeit noch in den Anfängen, aber es wird weitergehen", so der promovierte Sozial- und Sonderpädagoge.
Um die Verbindung zwischen heute und morgen wissenschaftlich zu untermauern, finden sich in dem Roman zahlreiche Fußnoten. Darin sind Erklärungen, historische Erläuterungen und literarische Querverweise nachzulesen. Nicht zwingend notwendig für die Lektüre, aber an vielen Stellen durchaus hilfreich und lesenswert. 

Mit "Jüdische Hochzeit" hat der gebürtige Borbecker Karl Peter Schwarz seinen ersten Roman vorgelegt. Der 450 Seiten starke Roman ist bei Plöger erschienen: ISBN 978-3-89857-309-2
Bei der Lektüre werden die Essener auf bekannte Orte und historische Fakten aus ihrer Heimatstadt stoßen. Es spielt beispielsweise auch das Schloß Borbeck und die Geschichte des Frauenstifts eine Rolle

Autor:

Christa Herlinger aus Essen-Borbeck

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