"Echt Klasse" will Kinder vor sexuellem Missbrauch schützen

Mit allen Sinnen erforschten die Drittklässler die Präventionsausstellung „Echt Klasse“: Sie produzierten beispielsweise mit ihren Händen in Teamarbeit Licht (r., unter Beobachtung von Thomas Kutschaty).  Foto: Winkler
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  • Mit allen Sinnen erforschten die Drittklässler die Präventionsausstellung „Echt Klasse“: Sie produzierten beispielsweise mit ihren Händen in Teamarbeit Licht (r., unter Beobachtung von Thomas Kutschaty). Foto: Winkler
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„Wer ist denn der wichtigste Mensch in deinem Leben?“, möchte Christel Pfeffer von der 3b wissen. „Ich selbst?“, piepst die verhaltene Gegenfrage aus der Schülerreihe. „Natürlich!“, erwidert die Schulleiterin resolut und formuliert damit die wertvollste Erkenntnis aus der Präventionsausstellung „Echt Klasse“.

Thomas Kutschaty, NRW-Justizminister, wirft persönlich einen Blick auf das Projekt, welches gerade an der Kraienbruchschule Station machte. „Im Nachbarhaus, da brennt´s“, erklären ihm die Grundschüler eine vorgegebene Beispielsituation. Vier Reaktionen stehen zur Auswahl. „Und wie verhält man sich dann also?“, bohrt der Politiker. „Na, die Feuerwehr rufen“, wissen die Jungs. Auch dass man nicht einfach wegschaut und ignoriert, wenn ein Verletzter am Boden liegt, ist für die Schüler sonnenklar.
Die Verhaltenstafel ist nur eine von sechs Ausstellungsstationen, die Kindern altersgemäß, also spielerisch, vermitteln soll, was sie selbst zu ihrem Schutz vor sexuellem Missbrauch beitragen können. Es geht um das Meistern von schwierigen Lebenssituationen, um gute und schlechte Gefühle, abzuwägen, wann es besser ist zu sprechen als zu schweigen, um Mut und darum, sich im Zweifel bewusst Hilfe zu suchen.
„Nein!“ zu sagen, wenn sie sich unwohl und bedrängt fühlen, das lernen die Kids vor allem, und zwar lautstark. Ein Dezibel-Gerät misst die Lautstärke ihres Neins - und diesen Apparat zu fordern macht den Probanden natürlich einen Mordsspaß.
Auch wenn es hier nach Vergnügen ausschaut, was später mal vor bösen Übergriffen schützen soll, die Übung macht es eben, weiß Jerome Braun von der bundesweit tätigen Stiftung „Hänsel + Gretel“. Die hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Thema Kindesmissbrauch an die Öffentlichkeit zu bringen und in allen Formen zu bekämpfen. Gleichen Zweck hat auch ein Spiegel, vor dem die Schüler mit Mimik und Gestik ihres gesamten Körpers ausdrücken sollen, dass sie etwas nicht möchten. „Selbst das klare Benennen der Körperteile kann im Ernstfall schon große Wirkung haben“, weiß Braun. So sei es wichtig, dass ein Kind bei einem sexuellen Übergriff klar formulieren könne, dass es etwa den Penis nicht berühren will. Das könne den Straftäter wesentlich eindrücklicher verunsichern und zum Rückzug bewegen als verschüchterte Verniedlichungen wie Pipimann oder gar überhaupt keine Worte für das Geschehen zu finden. Eine klare Sprache habe eine ganz andere Qualität, betont der Fachmann.
Dass es hier um sensible Themen geht, welche die Kinder aus der Reserve locken, weiß Klassenlehrerin Tanja Leibeck. Stolz ist sie aber, wie offen ihre Jungs und Mädels mit den einzelnen Gebieten umgehen, vor allem habe keiner ihrer Schüler den Stoff in irgendeiner Form ins Lächerliche gezogen. „Ich habe aber ohnehin eine sehr soziale Klasse“, lobt die Lehrerin, die mit der 3b mehrere Schulstunden in der Ausstellung verbracht hat. „Jetzt ist es aber auch erst mal wieder genug“, schließt sie den Themenkomplex nun vorläufig ab, um die Kinder nicht zu überfordern oder schlicht zu langweilen. Und schließlich gilt es ja auch, die Gradwanderung zu meistern, schon früh ein Selbstbewusstsein zu vermitteln, ohne die Kleinen damit noch zusätzlich in ihrem Handeln zu verunsichern.

Hintergrund des Projektes

Die interaktive Ausstellung der Stiftung Hänsel + Gretel und der Kleinen Sonne Kinderstiftung ist an Grundschulen in Essen, Mülheim, Bottrop und Oberhausen unterwegs. In den bisher eineinhalb Jahren Projektarbeit wurden bereits über 4.000 Schüler an 21 Schulen erreicht. Unterstützt wird die vom Präventionsbüro Petze in Kiel entwickelte Wanderausstellung von der Bethe-Stiftung, der Cläre und Hugo Stinnes-Stiftung und dem Essener Logistikdienstleister M. Sander. Die fachliche Betreuung der Schulen und die Fortbildung der Lehrkräfte übernehmen die regionalen Beratungsstellen AWO Essen, AWO Mülheim, Gegenwind Bottrop und pro familia Oberhausen. Auch die Eltern werden natürlich mit ins Boot geholt.

Autor:

Sara Drees aus Dortmund

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