Urteil im Madeleine-Prozess: Lebenslang für Günther O.

Am Mittwoch, 11. Februar 2015, jährt sich der Todestag der Madeleine Witteck zum ersten Mal. Ihr Stiefvater hatte sie in seinem Essener Schrebergarten einbetoniert. Die Strafe verlas ihm das Schwurgericht vor wenigen Tagen: lebenslang.

Demnach gilt der Mord an der damals 23-Jährigen als bewiesen. Das Urteil stellte zudem eine besondere Schwere der Schuld beim Angeklagten Günther O. (48) fest, so dass eine vorzeitige Entlassung unwahrscheinlich ist. Zusätzlich verurteilte ihn der Schwurgerichtsvorsitzende Andreas Labentz zu vier Jahren Gefängnis wegen sexuellen Missbrauchs an seiner Stieftochter in fünf Fällen zwischen 2004 und 2008, darunter auch ihre Entjungferung. Von weiteren Taten, erklärte Staatsanwältin Birgit Jürgens, sei zwar auszugehen, aufgrund unzureichender Angaben der Madeleine könne man diese jedoch nicht verhandeln.

Missbrauch: Ja; Mord: Nein

Den Missbrauch hatte Günther O. in seiner Einlassung selbst in vollem Umfang eingeräumt, nicht aber den Mord an der Gelsenkirchenerin. Vielmehr sprach sein Essener Anwalt Wolfgang Weber von einem Unfall. Nach der Flucht seiner Stieftochter aus dem Elternhaus im August 2012 mitsamt Tochter Eileen, deren Vater Günther O. ist, habe er diese aus Sorge (speziell um das Kleinkind) gesucht. Das Treffen am 11. Februar 2014 schließlich, arrangiert durch seinen Sohn Daniel O., sollte einer Aussprache dienen. In der Dellwiger Laube sei die Situation aber aus dem Ruder gelaufen: Eine von Günther O. geworfene Wodka-Flasche, die er nach dem gesamten Tathergang übrigens austrank, habe nicht die Wand, sondern Madeleines Kopf getroffen. Weil er keine Vitalfunktionen mehr feststellte, habe er sie begraben. Wohl lebendig, wie er aufgrund des medizinischen Befundes „Tod durch Ersticken“ vermuten muss.

Das sah die Staatsanwaltschaft grundlegend anders. Schon die Untersuchungen widerlegen die Verteidigung: Die junge Frau verstarb bereits bevor sie unter die Erde kam. „Vermutlich durch Kissen“, puzzelt Jürgens die Beweise, vor allem DNA-Spuren, zusammen. Auch die Planung hält sie für zweifelsfrei:Einen Tag vor der Tötung verabschiedete sich der nun verurteilte Mörder von seiner damaligen Ehefrau Birgit, die sich während des neunmonatigen Prozesses scheiden ließ und in psychiatrischer Behandlung befindet, mit dem Alibi, einer Beerdigung in Sachsen beizuwohnen. Stattdessen übernachtete er im Schrebergarten. Auch der Einkauf von säckeweise Beton, das Buddeln eines Erdlochs und eine SMS mit den Worten „Am Dienstag haben wir sie“, um nur einige Beweise aufzuzählen, lassen wenig Zweifel am damaligen Vorhaben.Birgit Jürgens wirft Günther O., schon laut Gutachten ein „psychopathischer und unsozialer Charakter“, Heimtücke vor, ebenso niedrige Beweggründe und eine Verdeckungsabsicht. „Dazu eine erhebliche kriminelle Energie und Gefühlskälte: Er hat seinem damals 21-jährigen Sohn das Leben verbaut und seinem eigenen Kind die Mutter genommen.“

Eileen in einer Pflegefamilie, Daniel in Haft

Das Kind, die dreijährige Eileen, ist in einer Pflegefamilie untergekommen, wird oder muss seinen Vater vermutlich nie wiedersehen. Sohn Daniel dagegen sitzt nun ebenfalls im Knast. Vier Jahre, lautet das Urteil. Die Staatsanwältin hatte sogar sieben gefordert, weil eine Mittäterschaft in der Laube wahrscheinlich sei. „Selbst wenn er kein eigenes Interesse an dem Mord an Madeleine hatte, war er doch Werkzeug seines Vaters“, so Jürgens. Tatsächlich nachzuweisen war die direkte Beihilfe des laut Gutachten und Zeugenaussagen einfach gestrickten und durch den Vater arg manipulierten Mannes aber nicht. Laut seinen Verteidigern habe er sogar erst in Untersuchungshaft von dem Tod erfahren und sei daraufhin zusammengebrochen. Er sei „benutzt und missbraucht“ worden und „wollte seinen Vater, zu dem er auch keinen Kontakt mehr hat, nicht decken, sondern zur Aufklärung beitragen“. Was definitiv bleibt, ist die Täuschung der Stiefschwester, denn als „Lockvogel“ beteiligte sich Daniel O. an ihrer Freiheitsberaubung und leitete somit die grauenhafte Tat ein.
„Es tut mit wirklich leid, was mit meiner Schwester passiert ist“, nutzt er zumindest seine letzten Worte vor dem Urteil für Reue, während sich Günther O. den ganzen Prozess hinweg ausschließlich durch beharrliches Schweigen und provokante Gesten und Blicke auszeichnete.

In Parzelle 42 in Essen-Dellwig wird man die Familie wohl eher nie mehr wiedersehen.

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Autor:

Sara Drees aus Dortmund

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