fördern und fordern und betrügen
Bandenmäßiger Betrug im Jobcenter durch Unterschlagen von Zinsansprüchen?

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Vor einigen Tagen fiel mir ein Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Hagen in die Hände, der pass-genau zu meinen aktuellen Recherchen gehört. Darin heißt es:

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Hagen wird gegen Sie wegen Betruges durch Unterlassen 
eine Geldstrafe yon 20 Tagessätzen zu je 15,00 Euro (= 300,00 Euro) festgesetzt.
[…]
Ihnen wird Folgendes zur Last gelegt:
Sie bezogen in der Zeit von … bis … (Anm. 2 Monate) zu Unrecht Unterstützung in Höhe von 108,06 Euro, weil Sie es pflichtwidrig und vorsätzlich unterließen, dem Jobcenter Märkischer Kreis in Iserlohn die Arbeitsaufnahme … anzuzeigen.

Berndt
Richter/in am Amtsgericht Iserlohn 

Gesetzlich geregelt – aber beim Jobcenter Märkischer Kreis ignoriert

Werden Ansprüche auf Sozialleistungen mit einer Verspätung von mehr als 6 Monaten nachgezahlt, so sind diese immer gemäß § 44 SGB I mit 4% zu verzinsen.

Das BSG hatte am 03.07.2020 in der Entscheidung B 8 SO 15/19 R  weitere Klarstellungen z.B. über die Verzinsungsdauer geregelt und auch herausgekehrt, dass die Verzinsung von Amtswegen erfolgen muss und außerdem die Auszahlung zeitgleich mit dem Nachzahlungsbetrag auszukehren sei. Eine eigene Antragstellung auf Verzinsung ist nicht erforderlich.

„Ansprüche auf Sozialleistungen werden mit ihrem Entstehen fällig (§ 41 SGB I); sie entstehen, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen (§ 40 Abs 1 SGB I). Wann die Verwaltung tätig wird, ist nicht entscheidend (vgl. BT-Drucks 7/868 S 29), sondern nur, wann die im Gesetz bestimmten materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzung vorliegen“

Am 11.04.2020 erinnerten wir das Jobcenter Märkischer Kreis an unterlassene Zinszahlungen für vier als rechtswidrig ausgeurteilten Sanktionen aus den Jahren 2012/2013 (2x 100%, 1x 60%, 1x 30%).
Die Urteile ergingen bereits im September 2015, die Zahlungen der Sozialleistungen erfolgten jedoch erst nach Beantragung von Pfändungsbeschlüssen gegen das Jobcenter, die Zinsen blieben unterschlagen.

Dann am 28.04.2020 wollte eine „Expertin aus der Widerspruchstelle“ die Zinsansprüche mit Verweis auf den Vergleich abwimmeln. Aber nach Einreichung von vier Klagen wurden erste Zinszahlungen (173,40 €) nachgeleistet, bisher sogar 457,30 €. Aber die Berechnungen blieben falsch. Klagen sind anhängig.

Wenn wir einen funktionierenden Rechtsstaat hätten . . .

wären Geschäftsführung und die Behördeneigene Widerspruchstelle vermutlich inhaftiert . . .

Während rechtsunkundige Leistungsberechtigte oft kaum die komplizierten Bewilligungsbescheide verstehen können, darf man ernsthaft vermuten, dass die Geschäftsführung und die Widerspruchsstellen-Mitarbeiter wissen, dass sie ihre Kunden regelmäßig und vorsätzlich betrügen.

Allerdings bleiben auch massive Rechtsverstöße von Jobcentermitarbeitern ohne strafrechtliche Verfolgung.

Organisierte Rechtsbrechung

Diese Unterschlagung von Zinsen ist kein Einzelfall. Im April haben wir testweise Zinsforderungen aus 16 Klagen von 10 Personen beim Jobcenter Märkischer Kreis eingefordert. Jedes Mal war der Klageweg mehrere Jahre lang. Insgesamt wurden 10.329,22 € Nachzahlung vor dem Sozialgericht erstritten. Darunter waren rechtwidrige Sanktionen, unterschlagene Mietkosten, falsche Bewilligungsbescheide, Schulkosten und verweigerte Bewerbungskosten. Jede einzelne Klage ist in der Dokumentation www.beispielklagen.de öffentlich gemacht.
Grob überschlagen liegt der gesamte Zinsanspruch dieser 16 Klagen bei ca. 1.772,30 €.

Das Jobcenter hat bisher nur in einem Fall mit mehreren Klagen 457,30 € nachgezahlt. Das ist aber nur eine Teilsumme.

Für die anderen „von Amtwegen zu ermittelnden Zinsen“ hat das Jobcenter weitere Klageverfahren provoziert, anstatt die gesetzlich Vorschrift umzusetzen:
S 14 AS 1980/20; S 14 AS 1981/20; S 14 AS 2011/20; S 14 AS 2012/20;
S 14 AS 3092/20; S 14 AS 3091/20; S 14 AS 3092/20; S 56 AS 3463/20;
S 14 AS 1523/20; S 87 AS 3425/20; S 35 AS 3420/20; SG Köln - S 3 AS 3276/20

An den oben genannten falschen Bescheiden, der erschreckend fehlerhaften Widerspruchsbearbeitung und dem rechtswidrigen vorenthaltenen Zinsleistungen sind namentlich 15 Mitarbeiter des Jobcenter Märkischer Kreis beteiligt. Dabei zeigt sich auffällig, dass die von der der Geschäftsführung finanziell abhängige Widerspruchstelle eine Vielzahl von Klagen auch gerade dann provoziert, wenn eine Mehrzahl ähnlich gelagerter Klagen zugunsten der Leistungsberechtigten entschieden wurde. Rechtliche Klärung lag lange vor, aber der überlange Klageweg schreckt viele ab ihre Rechte wahrzunehmen. Solches vorsätzliche Schädigungsverhalten ist ohne interne Weisung der Geschäftsführung wohl kaum möglich.

Betrug durch Unterlassen

Das Rechtswörterbuch von Carl Creifeld definiert den Begriff der Betruges (StGB § 263) wie folgt:

Der äußere Tatbestand des Betrugs ist gegeben, wenn 4 Voraussetzungen erfüllt sind:
1. eine Täuschungshandlung des Täters,
2. ein dadurch hervorgerufener Irrtum des Getäuschten,
3. eine hierdurch veranlasste Vermögensverfügung des Getäuschten und
4. ein hierauf zurückzuführender Vermögensschaden.

Die Sozialleistungsträger haben gegenüber den Bürgern umfassende Aufklärungs-, Auskunfts- und Beratungspflichten.

Autor:

Ulrich Wockelmann aus Iserlohn

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