Die Gegenwart des Vergangenen

Ein Bericht meiner Kollegin Elisabeth Bessen:

Unter diesem Motto treffen sich im Februar 2015 erstmals einige neugierige und noch unwissende Studierende des vierten Semesters des Ruhr-Kollegs in Essen. Zu Beginn des Kurses wird schnell deutlich, was der Leitsatz in sich verbirgt. Durch bloßes Hören diverser Schlagworte bildet sich vor dem Auge das dazugehörige Bild: etwa das des Atompilzes von Hiroshima oder das Cover der Beatles ihrer Platte Abbey Road. Längst Vergangenes, teilweise Jahrzehnte, bevor die Studierenden überhaupt das Licht der Welt erblickten, ist dennoch in ihren Köpfen verankert. Doch gibt es auch Dinge, die leider viel zu oft in Vergessenheit geraten - aber nicht sollten.

Um dem entgegenzuwirken, macht sich der Kurs unter der Leitung der Geschichtslehrerin E. Bessen zur Aufgabe, den Menschen, die dem Nationalsozialismus zum Opfer fielen, ein Gesicht zu geben, deren Bild man im Gedächtnis behält.

Gesagt. Getan. Fortan begeben sich die 13 Studierenden auf die Suche nach Einzelschicksalen aus den umliegenden Straßen des Ruhr-Kollegs in Essen-Huttrop.

Ein Anfang ist gemacht, als wir Bücher wälzend Deportationslisten prüften, um herauszufinden, wer hier im Stadtteil einst lebte. Wir folgten ersten Spuren aus dem Stadtarchiv und übten uns im Lesen altdeutscher Schrift etlicher Postkarten und Briefe. Aufgrund der durch behördlich auf 10 Zeilen begrenzten sehr knappen Postkartengrüße schreiten die Nachforschungen nur schleppend voran.

Der zwei Semester andauernde Projektkurs erfordert viel Geduld und Herzblut. Mit großem Engagement kontaktieren sowohl Lehrer als auch Studierende verschiedenste Ämter, Organisationen und sogar Privatpersonen, um an Informationen zu gelangen, welche sich später allmählich zu einem Puzzle zusammenfügen werden. Mit Zufällen überhäuft, hatten wir das Glück im Rahmen der Recherchen Zeitzeugen ausfindig zu machen und mit ihnen bei Tee und Gebäck ins Gespräch zu kommen. Um einen umfangreichen Eindruck der damaligen Umstände zu bekommen, besucht die Gruppe außerdem die Essener Synagoge.

Ziel all der Mühen dieses zu einem Team zusammengewachsenen Kurses ist es, den ausfindig gemachten Personen einen Stolperstein zu widmen. Auf einem 10x10cm großen Stein mit einer Messingplatte werden die wesentlichen Punkte ihres Leidenswegs eingraviert und vor ihrer damaligen Lebensstätte in den Boden eingelassen.

Auf diese Weise bleibt nicht nur das Schicksal eines Menschen im Gedächtnis der Nachforschenden, sondern macht stets andere Bürger auf die einstigen Grausamkeiten aufmerksam und bietet Anlass, aller Verfolgten und Ermordeten zu gedenken und sie nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.

Autor:

Silke Kreft aus Essen-Nord

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