Eltern erwachsener Kinder mit Behinderungen protestieren
Wo bleibt das Augenmaß?

Markus Boegershausen kämpft für die Rechte von Erwachsenen mit unterschiedlichsten Behinderungen.
Foto: Henschke
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Eltern wie Markus Boegershausen protestieren. Sie möchten verhindern, dass ihre erwachsenen Kinder mit unterschiedlichsten Behinderungen während der Pandemie in den Behindertenwerkstätten arbeiten müssen.

Aus Furcht vor einer Ansteckung behält Boegershausen seine Tochter Josephine seit März zuhause und kümmert sich dort um sie. Nun wurde ihnen genau deshalb die vorübergehende Beendigung des Arbeitsverhältnisses mitgeteilt. Mit dem Verlust des Arbeitsplatzes entfallen aber die Pflichtversicherung durch die Werkstatt und natürlich auch der Werkstattlohn. Der engagierte Vater will das nicht hinnehmen und sucht jetzt Betroffene, die sich auch im Stich gelassen fühlen. Eine Mutter hat sich bereits  bei ihm gemeldet und will mit auf die Missstände aufmerksam machen.

Markus Boegershausen drängt weiterhin darauf, dass seine 23-jährige Tochter mit Beeinträchtigungen geistiger wie körperlicher Art und dem sogenannten Kabuki-Syndrom während der Pandemie nicht in ihrer Krayer Werkstatt arbeiten muss: „Wir haben immer wieder Heimarbeit angeboten. Meine Tochter arbeitet in der Verpackungsabteilung, da würde ich die zu erledigenden Arbeiten gerne nach Hause holen. Aber bisher wurde das abgelehnt. Es gebe keine Arbeit.“ Boegershausen weiter: „Auch wenn von den Werkstätten auf vorhandenen Infektionsschutz verwiesen wird, sitzen dort die Menschen ohne Maske am Arbeitsplatz in einem geschlossenen Raum.“ Ein weiteres Argument: „Bei Schulkindern entscheiden die Eltern oder gegebenenfalls ein Attest über die Rückkehr in die Schule. Warum dann nicht bei behinderten Menschen?“

Recht auf Teilhabe

Erst im September hatten die Werkstätten für Menschen mit Behinderung den Regelbetrieb wiederaufgenommen. Der zuständige Landschaftsverband Rheinland betonte den Anspruch auf Teilhabe: Jeder Mensch habe ein Recht auf Arbeit, auch in der aktuellen Pandemie-Lage. Finanzielle Erwägungen würden da übrigens keine Rolle spielen. Doch ein Fernbleiben vom Arbeitsplatz ziehe gravierende Folgen nach sich, teilte der LVR mit. Der Arbeitsplatz gehe aber nicht dauerhaft verloren, eine Rückkehr sei jederzeit möglich. Rechtlich handelt der Landschaftsverband hier sicherlich korrekt. Dennoch wünscht sich Markus Boegershausen mehr Augenmaß im Umgang mit einer ohnehin vulnerablen Gruppe. Ein Fehlen aus Angst vor Ansteckung könne doch nicht ausschlaggebend sein für solche drastische Maßnahmen. Schon gar nicht bei schwerbehinderten Menschen, die zur Risikogruppe gehören. Vor dem Hintergrund exponentiell steigender Infektionszahlen sollten die Entscheidungen neu bewertet werden. Man müsse den Einzelfall betrachten.

Der Landesverband Lebenshilfe NRW sprang den Eltern nun zur Seite und fordert pragmatische Lösungen, zum Beispiel Möglichkeiten der Heimarbeit. Eine Pandemie sei eine außergewöhnliche Situation und der zeitweilige Verlust des Arbeitsplatzes mit allen daraus resultierenden Konsequenzen könne immer nur der wirklich allerletzte Schritt sein, betont Landesgeschäftsführerin Bärbel Brüning: „Wir bitten dringend um die Sicherung der Arbeitsplätze in den Werkstätten und um Kulanz im Umgang mit den Betroffenen.“ Den drohenden Verlust der Krankenversicherung empfindet die Lebenshilfe gerade bei einer im Gesundheitssystem ohnehin benachteiligten Gruppe als besorgniserregend. Das müsse auch mit Blick auf die UN-Behindertenrechtskonvention unbedingt verhindert werden.

Öffentlich machen

Markus Boegershausen hatte zwar regen Kontakt zum LVR, bisher konnte aber für seine Tochter keine gütliche Lösung gefunden werden. Er sieht das Verhalten der Verantwortlichen in dieser Sache höchst kritisch und ist fest entschlossen, weiter für die Rechte der Behinderten einzustehen: „Es geht vor allem darum, das Ganze öffentlich zu machen. Durchaus auch für Menschen, die sich eine Auseinandersetzung mit dem LVR alleine nicht zutrauen.“
Betroffene Eltern, die sich in einer ähnlichen Situation befinden und dagegen angehen möchten, können unter 0176-20425998 mit Markus Boegershausen in Kontakt treten.

Autor:

Daniel Henschke aus Essen-Werden

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