Das Écomusée d'Alsace bei Ungersheim (Elsass)
Die gute(?) alte Zeit

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In die Zeit, in der Mensch und Nutztiere  noch unter einem Dach lebten, wo Hausmusik, Vorlesen   und erzählte Geschichten die Internetunterhaltung ersetzten, kann man im Ecomusee eintauchen. Dieses im wahrsten Sinne des Wortes lebendige Museumsdorf unweit der deutsch-französischen Grenze "beamt" die Besucher/innen   in die Zeit von 1850 bis 1950. Nur einen (Urlaubs)Tag für den Besuch einzuplanen , ist fast schon  zu wenig.

75 traditionelle Gebäude aus dem gesamten Elsass wurden hier zusammengetragen und 40 000 Museumsstücke von den Elsässer(inne)n zur liebevollen Drapierung gespendet. Ein Großteil des Kulturerbes dieser französischen  Landschaft wird in dem Freilichtmuseum präsentiert. Kunst und Tradition der Region leben auf dem Museumsgelände  anschaulich weiter und werden in Ausstellungen und Veranstaltungen eindrucksvoll in Szene gesetzt.
Das fängt bei den alten Handwerksberufen an, wo man vom Barbier und Bäcker über den Stellmacher  und Sattler bis zum Küfer und Korbflechter jeden Tag zahlreichen  Handwerkern bei ihrem Tun über die Schulter schauen kann.  Ebenso eindrucksvoll ist der Entdeckungsparcour "Natur und lebendige Landschaft". Nicht nur die zahlreichen Bauern-  und Hausgärten laden zum Staunen und Fotografieren ein, auch die landwirtschaftlichen Praktiken der 30er Jahre, der Blütezeit der Mischkulturen,  können in der Praxis erwandert werden. 
2016 hat man auf dem riesigen Museumsgelände 3600 Tier- und Pflanzenarten gezählt, darunter auch zahlreiche alte Haustierrassen wie das Comtois-Pferd oder die Vogesen-Rinder.  Jedes Gebäude ist belebt durch die Tiere, die damals gehalten wurden. Die Höfe werden tagtäglich bewirtschaftet, so als wäre die Zeit stehen geblieben.
Natürlich darf auch der Weißstorch, das Wappentier der Elsässer, hier nicht zu kurz kommen. Auf zahlreichen Dächern  gehen sie im Sommer ihrem Brutgeschäft nach. Einige der Stelzvögel mischen sich in den Aussenbereichen der Cafes sogar keck unter die Besucher.
Auch eine  Dorfschule, in der täglich (analoger)  Unterricht stattfindet, gibt es.
Die Summe der verschiedenen Museumsareale und die Form der Präsentation machen das Ecomusee zu einem Freilichtmuseum wie ich es in Deutschland noch nicht angetroffen habe.
Alle erwirtschafteten Lebensmittel  oder in Handarbeit hergestellten Produkte können vor Ort oder im Museumsshop erworben werden.
Dennoch fragt man sich nach einem Tag in diesem außergewöhnlichen Museum, ob man in der Zeit, die hier vorgestellt wird, hätte selber leben wollen.
Im Nachhinein neigt man zum Verklären und wünscht sich sicherlich, dass einige  Traditionen überlebt hätten.  Man darf aber nicht ausblenden, wie entbehrungsreich damals zum Teil gelebt wurde.  Natürlich möchten wir z. Bsp.  auf die elektrischen Haushaltshilfen,  auf unsere Hygienestandards und den medizinischen Fortschritt nicht mehr verzichten.
Das Projekt "Das elsässische Fachwerkhaus des 21. Jahrhunderts" zeigt  auf dem Museumsgelände   eindrucksvoll, dass Tradition und Fortschritt sich nicht ausschließen. Wohnen mit regionalen und natürlichen Materialien und mit geringem CO2-Abdruck ist auch im 21. Jahrhundert möglich. Ökologie und Ökonomie, Tradition und Fortschritt,  müssen nicht zwingend Gegensatzpaare  sein.

Autor:

Bernd Dröse aus Essen-West

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