Das Theater K.L.O.W.N. feierte im Bonni die Premiere von „Die Welle“
Aus der Welle wird ein Tsunami

 Es kommen schon eine Menge Typen zusammen in der Klasse, wie der Sportler, die Außenseiterin, das Pärchen, die Streberin, die Tänzerin, die ständig nur mit ihrem Handy auf Facebook und Co. surft.... Foto: Gerd Kaemper
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Der Autor des Romans „Die Welle“, Morton Rhue, hat in einem Interview gesagt, er habe das Buch, das auf einer wahren Begebenheit beruht, geschrieben, weil es für ihn eine „Mahnung an Jugendliche ist, selbstständig zu denken.“ Demzufolge würde ihm die Inszenierung des jungen Theaters K.L.O.W.N., die unter der Regie von Ulrich Penquitt am Stadtteilzentrum Bonni in Hassel entstanden ist, sicherlich gefallen.

Den Zuschauern im ausverkauften Bonni hat die Inszenierung auf jeden Fall gefallen, denn sie nahm jeden Besucher mit, auch wenn er vielleicht zuvor noch nie etwas von Morton Rhue oder „Die Welle“ gehört hatte.
Regisseur Ulrich Penquitt brachte den Zuschauern kurz die Darsteller des jungen Theaters Komisch Leute ohne wirklichen Nutzen, kurz K.L.O.W.N., näher, mit denen er seit fast 20 Jahren zusammenarbeitet und das aus einer Konfirmandengruppe entstanden ist.
„Die Welle“ stellt die 18. Produktion der Gruppe dar und wurde vor einem Jahr „in einem demokratischen Prozess von der Gruppe ausgewählt“, wie Penquitt erläuterte. Der Regisseur zeigte sich stolz und begeistert, dass es „junge Leute gibt, die die Bretter der Welt erobern wollen.“
Als Schauspieler hat Penquitt das Stück schon selbst einmal vor 25 Jahren gespielt, „in einer Zeit, als noch niemand an die AfD dachte. Dass das Stück nach fast 40 Jahren so aktuell sein würde, hat sich Morton Rhue vermutlich damals nicht gedacht.“
In der Bonni-Inszenierung werden die Zuschauer immer wieder mit aktueller Rapmusik konfrontiert, deren Inhalte mitunter in die extrem rechte Ecke deuten. Den Absolventen der Abendschule Gelsenkirchen ist das meist egal, Hauptsache der Bass und der Sound stimmen. Dass sie damit auch die Ideologien konsumieren, erschließt sich ihnen nicht.
Im Unterricht behandeln sie mit Lehrer Herrn Rüdiger die dunkle deutsche Geschichte des Dritten Reichs. Die Schüler lesen Berichte von Auschwitz-Insassen, der Politik im Dritten Reich, aber, wie auch bei der Musik, ohne die Inhalte wirklich wahrzunehmen.
Durch die vom Lehrer angeregte Diskussion kommt die Frage auf, ob das Volk wirklich nicht gemerkt hat, was in Deutschland vor sich ging und warum niemand etwas dagegen unternommen hat. Das bringt Herrn Rüdiger auf eine Idee.
Der Lehrer beschäftigt sich auch zu Hause mit dem Thema Diktatur, was seine Frau anfangs dazu veranlasst, ihn zu fragen, ob er sich auf eine Diktatorprüfung vorbereiten wolle. Als Rüdiger ihr erklärt, was die Schüler im Unterricht gefragt haben, kontert die Ehefrau: „Hinterher kann man immer schön kritisch sein.“
Und so beginnt das Experiment zum Thema „Die Welle“. Mit der These „Disziplin führt zum Erfolg“ packt Lehrer Rüdiger die Schüler genau an der richtigen Stelle. Die damit verbundene Strenge und auch klare Linie macht aus der heterogenen Klasse mit Strebern, Langweilern, Sportlern, Girlies und Außenseitern plötzlich eine homogene Gruppe.
Das Experiment gerät immer mehr aus der Kontrolle, denn auch der Lehrer fühlt sich wohl in seiner neuen Rolle als „Führer“ der Bewegung. Inzwischen gibt es ein Zeichen für „Die Welle“, eine Art Uniform gehört dazu und auch eine Armbinde nach Vorbild der SS. Wer nicht Mitglied ist wird ausgegrenzt, wobei das noch das kleinste Übel ist, denn die Mitglieder versuchen, andere auch gegen ihren Willen zum Beitritt zu bewegen.
Das Chaos greift an der Abendschule Gelsenkirchen um sich. Lehrer wie auch Schüler fürchten die schwarz gekleideten Welle-Mitglieder. Niemand kommt problemlos an den Bewachern des „Führers“ vorbei und der Druck auf die, die nicht dazugehören wollen, nimmt stetig zu. Dafür wird das Denken über das, was zu tun ist, lieber dem Führer überlassen. Oder wie Frau Rüdiger sagt: „Sie werden Dir blindlings folgen, und zwar überall hin.“
Erst als im privaten wie auch beruflichen Umfeld von Lehrer Rüdiger die Kritik und Sorge zunimmt, wacht dieser aus seiner neuen Rolle auf. Gerade noch rechtzeitig, wie sich zeigt, denn die rechtsradikalen Jugendorganisationen haben „Die Welle“ bereits für sich entdeckt.
Der Lehrer ruft alle Welle-Mitglieder in der Aula zusammen und verspricht ihnen die Begegnung mit einem öffentlichkeitswirksamen Prominenten. „Die Welle“ verwandelt die Schulaula in eine Art Partei-Wahlkampf-Ort und natürlich sind hier alle versammelt, schließlich hat ihr „Führer“ sie dazu eingeladen. Als dann plötzlich aus den Lautsprechern eine Rede des Diktators und Agitators Adolf Hitler zu hören ist, fällt es den Schülern wie Schuppen von den Augen und Rüdiger, inzwischen wieder mehr Pädagoge als Führer, stellt fest: „Ihr wärt gute Nationalsozialisten geworden!“
Eine beängstigende Inszenierung, die zeigt, wie schnell eine Idee um sich greifen kann, wenn sie medial gut aufbereitet wird und den Menschen als Tatsache und Lösung dargeboten wird. Erschreckend auch, wie schnell das eigene Denken der Idee geopfert wird und der Außenseiter wie auch alle anderen zu Mitläufern werden. Um Morton Rhue zu zitieren: „Eine Mahnung an Jugendliche (aber nicht nur diese!), selbstständig zu denken.“

Weitere Termine

"Die Welle" wird auch gespielt am Samstag, 23. März, um 20 Uhr und Sonntag, 24. März, um 18 Uhr jeweils im Bonni am Eppmannsweg 32. Karten zum Preis von 6 Euro gibt es unter Telefon 66047 oder direkt im Bonni. An der Abendkasse kosten die Karten 9 Euro.
In Gelsenkirchen wird "Die Welle" am Sonntag, 31. März, um 17 Uhr im Kulturraum "die flora" an der Florastraße 26 gespielt. Karten zum Preis von 6 Euro gibt es in der Stadt- und Touristinfo im Hans-Sachs-Haus, Ebertstraße 11, Reservierungen sind möglich unter Telefon 169-9105. An der Abendkasse kosten die Karten auch hier 9 Euro.

Autor:

silke sobotta aus Gelsenkirchen

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