Corona-Pandemie
Ein Blick hinter die Gefängnismauern

Bei vielen Gerichten finden zurzeit keine bzw. nur wenige Hauptverhandlungen statt. Der Gerichtsreporter des STADTSPIEGEL hat bei der Landesjustizvollzugsdirektion des NRW-Justizministeriums nachgefragt, wie es mit den Schutzmaßnahmen gegen Corona in den Gefängnissen aussieht.

Das NRW-Justizministerium stellt klar, dass es keinen landeseinheitlichen Pandemie-Plan für alle Anstalten gibt, da es stets auf die spezifischen Gegebenheiten vor Ort ankommt und die Anstalten höchst unterschiedliche Zuständigkeiten aufweisen – offener Vollzug, geschlossener Vollzug, Kurz- und Langstrafenvollzug.

Alle Anstalten haben die Aufgabe, eigene Pläne aufzustellen, in denen es u.a. um die Bildung von Krisenstäben, die Vorbereitung spezieller Abteilungen für infizierte oder verdächtige Gefangene, die Weiterführung vollzuglicher Maßnahmen – Besuch, Arbeit, Schule, Freizeit, Sport Aufenthalt im Freien – und personelle Maßnahmen wie verlängerte Schichten oder eine Reduzierung von Personal geht.
Das NRW-Justizministerium hat in einem Erlass vom 16.03.2020 Maßnahmen erlassen, um auch in den NRW-Gefängnissen die Ausbreitungsdynamik der Corona-Infektionskette zu unterbrechen.

Nur noch eingeschränkte Besuchsmöglichkeiten
Besuche und vollzugsöffnende Maßnahmen bei Gefangenen und Untergebrachten werden ab sofort ausgesetzt, soweit nicht besondere Gründe, insbesondere in der Person der Gefangenen vorliegen, die für eine Durchführung sprechen (bspw. Verteidigerbesuche oder vollzugsöffnende Maßnahmen, die im Rahmen der Entlassungsvorbereitung zwingend erforderlich sind). Zum Kontaktausgleich sollen vermehrte Telefonate oder die Möglichkeit der Nutzung von Skype vor Ort in Betracht gezogen werden.

Darüber hinaus soll der Kontakt der Justizvollzugsanstalten mit externen Personen auf ein notwendiges Minimum reduziert werden. Kontakte zu versorgungswichtigen Personen (wie beispielsweise Lebensmittellieferanten, Postzulieferer, Handwerker) bleiben aufrechterhalten, solange diese Personen keine einschlägigen Infektionssymptome aufweisen.

Die Ladungen von Personen, gegen die eine Ersatzfreiheitsstrafen vollstreckt werden soll, und von Personen, gegen die Jugendarrest verhängt worden ist, werden bis auf weiteres durch die Staatsanwaltschaften ausgesetzt (Neuaufnahmen). Ausgenommen davon ist der sog. Warnarrest.

Quarantäne für neue Häftlinge
Neuzugänge sollen auch dann, wenn sie keine Symptome zeigen, zunächst für eine Dauer von 14 Tagen getrennt von den übrigen Gefangenen untergebracht werden.

Soweit der Fall einer Infektion mit SARS-CoV-2 bei den Gefangenen auftritt, kann dieser in den Justizvollzugsanstalten in Quarantäne genommen werden. Dabei gehen die Anstalten so vor, dass dafür Bereiche abgetrennt und hergerichtet werden. Die Betreuung der betroffenen Gefangenen erfolgt nach den Vorgaben des Robert-Koch-Instituts. Bei schweren Verläufen erfolgt die Verlegung in das Justizvollzugskrankenhaus NRW

Jetzt andere Kontaktmöglichkeiten für Inhaftierte
Als Kontaktausgleich für die Gefangenen, die keine Besuche mehr empfangen können, werden von den Justizvollzugsanstalten verschiedene Maßnahmen angeboten. Im geschlossenen Vollzug werden vermehrt Telefonate oder auch die Nutzung von Skype angeboten. In insgesamt 13 Justizvollzugsanstalten in Nordrhein-Westfalen besteht derzeit die Möglichkeit der internetgestützten Bildtelefonie mittels Skype (Justizvollzugsanstalten Detmold, Geldern, Remscheid, Herford, Hövelhof, Köln, Münster, Rheinbach, Schwerte, Werl, Dortmund und Wuppertal-Ronsdorf). An mehreren weiteren Standorten soll das Skype-Angebot auch aufgegriffen werden (Attendorn, Essen, Hamm und Willich II).

Die Bedingungen für Gefangene im offenen Vollzug unterscheiden sich deutlich von denen im geschlossenen Vollzug. Die Gefangenen können sich auf dem Anstaltsgelände weitgehend frei bewegen.

Zum Ausgleich für die Besuchs- und Ausgangsbeschränkungen werden dort stundenweise die Nutzung der Mobiltelefone zugelassen, damit die Gefangenen mit ihren Angehörigen Kontakt halten können. Im Bereich des offenen Vollzugs kann als Ausnahme die Gewährung von vollzugsöffnenden Maßnahmen in Ausübung der Arbeitspflicht in Betracht kommen.

Grundsätzlich ist eine Arbeit außerhalb einer JVA für Gefangene des offenen Vollzuges weiterhin zugelassen. Die Gefangenen unterliegen insofern keinen anderen Bedingungen als jeder andere Arbeitnehmer auch. Auch hier gilt für alle Beteiligten die Einhaltung der in der Corona-Schutzverordnung getroffenen Schutzmaßnahmen. Die Justizvollzugsanstalten sind außerdem angehalten worden, bei der Gewährung vollzugsöffnender Maßnahmen in Ausübung der Arbeitspflicht die Intensität zu erwartender Kontakte angemessen zu berücksichtigen. Des Weiteren gehen die Anstalten auch den Weg, dass sie die beteiligten Unternehmen besonders auf die Einhaltung der jetzt geltenden Abstands- und Hygieneregeln hinweisen.

NRW schützt  die JVA-Mitarbeiter
Der Schutz der Bediensteten ist dem Justizministerium ein sehr wichtiges Anliegen. Aktuell, so die Pressestelle, ist ein ausreichender Bestand an Schutzausrüstungen vorhanden, der jedoch aufgestockt werden muss. Weitergehende Bestellungen sind erfolgt und werden erwartet. Bis zur Auslieferung neuer Schutzausrüstung arbeiten die NRW-Justizvollzugsanstalten ressourcenschonend.

Schutzkleidung wird gegenwärtig nur dann eingesetzt, wenn sie nach den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts auch erforderlich ist. Für Desinfektionsmittel bedeutet dies, dass sie in erster Linie dem medizinischen Personal zur Verfügung stehen. Nach den Richtlinien des Robert-Koch-Instituts sind für die allgemeine Eigenvorsorge das regelmäßige Händewaschen, das Abstandsgebot und die Einhaltung der Nies-/Hustenetikette vorgesehen.

Autor:

Hans-Georg Höffken aus Hattingen

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