"Operation Jalna" startet 2014 zum elften Mal

Für Dr. Gerhard Schlosser, hier an seinem Schreibtisch im Ev. Krankenhaus, in dem er Chefarzt für Anästhesie und Intensivmedizin ist, und seine Kollegen stellt der Aufenthalt in Jalna eine Herzensangelegenheit dar und ist gleichzeitig ein Ausbruch aus der hiesigen „Tretmühle“.Foto: Römer
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  • Für Dr. Gerhard Schlosser, hier an seinem Schreibtisch im Ev. Krankenhaus, in dem er Chefarzt für Anästhesie und Intensivmedizin ist, und seine Kollegen stellt der Aufenthalt in Jalna eine Herzensangelegenheit dar und ist gleichzeitig ein Ausbruch aus der hiesigen „Tretmühle“.Foto: Römer
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von Roland Römer

Jeden Morgen um 6.10 Uhr, da weiß Dr. Gerhard Schlosser spätestens, dass er wieder in Jalna ist. Denn pünktlich um diese Uhrzeit springt dort in der 240.000 Einwohner zählenden Stadt im indischen Bundesstaat Maharashtra der Generator am Hotel an und reißt alle aus dem Schlaf.

Kurz zuvor ist dann wie üblich der Strom ausgefallen, weil alle gleichzeitig in der Stadt ans Netz gingen. Dann hört er von seinem Zimmer aus zwei nackte Fußpaare über den Boden tappen, besagten Generator in Aktion treten und zehn Minuten später ist der Strom wieder da. „Das ist wie ein Wecker“, lacht der Chefarzt für Anästhesie und Intensivmedizin im Ev. Krankenhaus Hattingen.
In diesem Jahr ist Dr. Schlosser nämlich wieder dabei als „chef de mission“, wenn vom 21. Februar bis 8. März eine 13köpfige Delegation aus Hattingen und Umgebung zur humanitären Hilfe auf dem indischen Subkontinent weilt. 2013 musste er passen, weil den Mediziner selbst ein gesundheitliches Problem aus der Bahn warf. „Daher freue ich mich diesmal umso mehr“, sagt Dr. Gerhard Schlosser.
Für ihn und seine Kollegen ist der Aufenthalt in Jalna eine Herzensangelegenheit und gleichzeitig ein Ausbruch aus der hiesigen „Tretmühle“, eine persönliche Befriedigung und bei allem Stress eine Rückbesinnung auf das Heilen und Helfen gemäß dem in seiner Ethik heute noch geltenden Eid des Hippokrates.
Denn es ist beileibe kein Ausflug in die Sommerfrische, den die Ärzte und Pfleger nach Indien unternehmen. Bereits zum elften Mal werden sie dort im „Jalna Mission Hospital“ Kinder mit Missbildungen der Hände und Füße, Lippen-Kiefer-Gaumenspalten, akuten Verbrennungen und Verbrennungsfolgen kostenlos operieren und dafür einen Teil ihres Jahresurlaubs opfern. Bis zu 60 Kindern mit Gesichtsspalten und durch rund 100 weitere Eingriffe der plastischen Chirurgie werden sie in dieser Zeit dort helfen, oft mehr als zwölf Stunden täglich am Operationstisch stehen.
„Der Aufenthalt in Jalna ist kein Stress für uns“, entgegnet dennoch Dr. Gerhard Schlosser auf eine entsprechende Nachfrage. „Es ist vielmehr sehr befriedigend, was wir in Jalna machen. Dadurch kommt man aus dem Hamsterrad heraus, das uns die Politik in Deutschland aufgebaut hat. Lediglich im Vorfeld bei den Vorbereitungen neben dem normalen Arbeitsalltag sind wir häufig gestresst, weil es immer irgendwelche neuen Schwierigkeiten gibt.
Unser Arbeitstag beginnt mit einem gemeinsamen Frühstück um sieben Uhr. Danach holt uns der Krankenhausbus ab, so dass wir um acht Uhr mit den Operationen beginnen können. Wir arbeiten, bis alle kleinen Patienten, die für diesen OP-Tag vorgesehen waren, operiert sind. Das kann bis 21 Uhr dauern.
Der Krankenhaustag endet mit der Visite auf den Stationen. Danach werden wir zum gemeinsamen Abendessen in unser Hotel zurückgebracht. Tagsüber werden wir durch den Rotary Club Jalna mit Getränken und Mahlzeiten versorgt.
Gelegenheiten zum Ausgleich sind sehr knapp bemessen. Nur an zwei Sonntagen wird nicht gearbeitet und vor der Rückreise nach Deutschland gibt es noch eineinhalb Tage zur Regeneration. Wer möchte, hat dann die Möglichkeit zum Sightseeing.“
Trotzdem sei es überhaupt kein Problem, Kollegen für die Reise nach Jalna zu gewinnen: „Überzeugungsarbeit muss man nicht leisten. Alle Mitglieder des Teams sind hochmotiviert und begeistert bei der Sache. Qualifizierte Kollegen und erfahrenes Pflegepersonal werden von der Kernmannschaft gezielt angesprochen.“
Und er räumt mit einem möglichen Vorurteil auf: „Nein, indische Ärzte sind nicht schlecht ausgebildet, sie sind das in der Regel sogar sehr gut. Aber es gibt für die Bevölkerungsdichte viel zu wenige Spezialisten für die von uns operierten Krankheitsbilder. Außerdem behandeln wir die Patienten kostenlos, was den indischen Kollegen aus wirtschaftlichen Gründen natürlich nicht möglich ist.“
Um dies tun zu können, geht mit den Menschen rund 500 Kilogramm medizinisches Gerät auf die Reise. Dr. Schlosser: „Die Medikamente, die wiegen eigentlich gar nicht so viel. Aber unsere Instrumente sind in der Regel aus Edelstahl und Sie glauben gar nicht, wie erstaunlich schwer OP-Handschuhe sind!“
Rund 18.000 Euro kostet das „Unternehmen Jalna“. Der größte Teil des Geldes – über die Hälfte, rechnet der Chefarzt vor – gehe für die Flugkosten drauf. Dabei ist das Projekt nach wie vor ausschließlich auf Spenden angewiesen.
Unterstützung dafür wird geleistet von den Rotary Clubs in Hattingen, Bombay Midtown und Jalna sowie den German Rotary Volunteer Doctors (GRVD).
Für dieses und auch das nächste Jahr ist die humanitäre Hilfe in Jalna finanziell so gut wie abgesichert. „Danach müssen wir schauen, ob es weitere Spenden gibt, so dass wir unseren dringend notwendigen Einsatz dort weiterführen können“, appelliert Dr. Gerhard Schlosser an die Spendenbereitschaft auch in Hattingen und Sprockhövel über die Rotarier hinaus.

Spenden für einen Fortbestand dieser Aktion und Patenschaften für die Operationen in Jalna sind möglich über: Konto 20 60 11 von „Rotary Hattingen hilft e.V.“ bei der Sparkasse Hattingen (BLZ 430 510 40).

Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

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