Philipp Kersting und seine vielen Gesichter

Philipp Kersting in seinem Studio, das er sich zu Hause eingerichtet hat. Am Samstag, 29. März, ist er zusammen mit Henning Leise als "Die Flotten Locken" bei "Hattingen Live" ab 20 Uhr im "Grammophon" am Untermarkt zu erleben.  Foto: privat
  • Philipp Kersting in seinem Studio, das er sich zu Hause eingerichtet hat. Am Samstag, 29. März, ist er zusammen mit Henning Leise als "Die Flotten Locken" bei "Hattingen Live" ab 20 Uhr im "Grammophon" am Untermarkt zu erleben. Foto: privat
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Mann, Musiker, Dozent und Lehrer, Vater und überhaupt Tausendsassa: Philipp Kersting ist ein Mensch mit vielen Berufen. Und Gesichtern. Dem STADTSPIEGEL gegenüber zeigt er im Gespräch von all dem ein bisschen. Und auch den gänzlich unbekannten Philipp Kersting.

„Ich sehe mich als Gesamtpaket“, lacht der Mann hinter den „Flotten Locken“ und der „Band der Herzen“, hinter „Rockhövel“ und „Keksplanet“. Nach dem ansteckenden Lachen fährt er mit seiner markant sonoren Stimme fort: „Nur meine Steuererklärung, die bringe ich selbst nicht hin“, und lacht schon wieder. Philipp Kersting, der Clown.
„Mir ist es wichtig im Leben, dass ich Spaß habe, sonst würde ich all‘ das, was ich mache, auch nicht machen. Ich kann Videos drehen, ich schneide sie selbst, ich fotografiere, spiele verschiedene Instrumente, singe, gestalte Plakate, bin mein eigener Manager, schreibe Texte, komponiere und mache sicher noch viel mehr als mir jetzt einfällt.“ Philipp Kersting, der Tausendsassa.
„Die Gefahr des Verzettelns ist dabei natürlich groß“, gibt er nach einem neuerlichen Lachen zu. „Manchmal habe ich an den Wochenenden erst gemerkt, dass ich die Tage vorher ja eigentlich gar keine Musik gemacht habe.“
Apropos Musik: Neben seinen diversen Solo- und Band-Projekten unterrichtet der 31jährige Gitarre, Klavier, Keyboard, Gesang und auch Musikproduktion. Dafür hat er sich in seinem Haus in Sprockhövel im Keller ein 30 Quadratmeter großes Studio eingerichtet. „Hier passiert das alles“, sagt Philipp Kersting, der Lehrer.
Seit 2008 ist der Sprockhöveler an der Mathilde-Anneke-Schule (MAS), betreut hier eine Schulband, war zusammen mit Musiklehrer Andreas Lensing federführend bei den zwei Musical-Projekten „Rockhövel“. Philipp Kersting, der Dozent: „Ich habe dabei einige Vorurteile Hauptschülern gegenüber abbauen können. Wir kommen gut miteinander aus und begegnen uns auf Augenhöhe. Mir macht es Spaß. Es geht dort anders zu als beim privaten Einzelunterricht.“
Und es soll ein neues Musical nach den Erfolgen der Vorgänger geben, verrät er: „Die beiden ersten waren ja eher Klamauk. Zwar hat das neue noch keinen Namen, doch wird es sich beschäftigen mit der Namensgeberin unserer Schule. Die neue Produktion dauert alles in allem etwa drei Monate. Ich mache die Songs und Texte und probe mit den Schülern, Andreas Lensing kümmert sich um die Arrangements. Wir binden wieder alle Schüler ein – vor, hinter und auf der Bühne. Wirklich eine tolle Sache.“
Viel zu tun also für Philipp Kersting („Ich brauche den Termindruck!“), der bis vor kurzem noch sein Haus umgebaut („Jetzt bin ich auch noch Handwerker!“) und das „Talentcafé“ ins Leben gerufen hat. Darin bietet der 31jährige jungen Sängerinnen und Sängern die Möglichkeit, sich vor einem Publikum auszuprobieren und erste Erfahrungen mit einem Live-Auftritt sammeln zu können. Von ihm bekommen sie vorab ein umfassendes Vocal-Coaching und Stimmtraining sowie Tipps für den Auftritt vor Publikum.
Und da ist ja auch noch Söhnchen Tom, gerade einmal süße anderthalb Jahre jung. Philipp Kersting, der Familienvater.
Und Philipp Kersting, der Mann mit dem anderen Gesicht als dem in der Öffentlichkeit bekannten.
„In der Zeit, als ich wegen Tom kürzer getreten bin und viel zu Hause in ,Elternteilzeit‘ war, habe ich viel von meinem Sohn über das Leben gelernt und lerne immer noch“, sagt er und wird ganz ernst. „Das hat mich persönlich weitergebracht. Ich sehe vieles jetzt mit einem realistischen Auge. Nach wie vor plane ich zwar einiges, aber wenn es dann hinterher nicht so kommt, ist es für mich auch okay. Das war wahrlich nicht immer so und hat mir große Probleme seelischer Art gebracht. Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt – das traf hundertprozentig auf mich zu. Inzwischen habe ich das zum Glück gut im Griff.
Seit der Kindheit und später in der Schule, als ich immer der Klassenclown war, habe ich ständig Lob und Anerkennung bekommen. Verbunden mit den Selbstzweifeln, die – wie ich inzwischen weiß – jeder Künstler kennt, hatte ich große Probleme, damit umzugehen. Mittlerweile versuche ich das mit dem zu verknüpfen, der ich wirklich bin. Ich weiß jetzt, dass man auch mit dem Scheitern leben kann, obwohl man nach wie vor alles selbst macht, und zwar mit Leidenschaft.“
Wegen dieser Erkenntnis hat der Musiker Philipp Kersting jetzt auch wieder angefangen, an seinem ersten Solo-Album zu arbeiten. Vier Jahre lag es auf Halde. Songs waren fertig, von befreundeten Musikern eingespielt. Doch da gab es die große innerliche Unzufriedenheit, die Zerrissenheit des Künstlers, die ihn das Ganze nicht zu Ende bringen ließ.
Philipp Kersting: „Ich habe die Songs aus meinem tiefen Inneren kommen lassen. Wie immer sind die Stücke an der Gitarre entstanden. Sie spiegeln mein wirkliches Ich, sind sehr persönlich. Wenn ich damit auf der Bühne stehe, dann ist das mehr als mein Adams-Kostüm. Ich mache damit mein Innenleben, meine Seele, total nackig. Da fällt es mir schwer, wie gewöhnlich zwischen den Stücken den Clown zu geben. Musikalisch sind die Sachen hoch professionell, aber ich war früher nicht mit meiner Seele dabei. So ist das Projekt eingeschlafen.“
Jetzt hat er es wieder aufgegriffen und wieder ist der bekannte Hattinger Produzent Mike Misar an seiner Seite. „Ich habe diese Songs auf einem Konzert vorgestellt, zum ersten Mal öffentlich und in einem Wohnzimmer vor 25 Leuten. Ich war in meinem ganzen Leben noch nie so aufgeregt. Ich habe meinen Puls noch in meinen Ohren gespürt. Das war für mich als eigentlich erfahrener Künstler mit unzähligen Live-Auftritten selbst vor 1.000 und mehr Menschen ganz neues Terrain. Erstmals konnte ich ja zwischen den Stücken nicht einfach so rumflachsen wie sonst. Es waren ja ernste Texte. Also habe ich endlos lange zwischendurch erzählt und war nur froh, dass ich mich an meiner Gitarre festhalten konnte, mit der ich ganz allein vorne saß. Zum Glück bekam ich hinterher durchweg positive Resonanz. Darum mache ich jetzt an dem Album weiter. Ich habe gesagt, in 2014 ändert sich alles, denn 2014 wird mein Jahr und es lässt sich in der Tat gut an.“
Konsequenterweise wird sein Album „Was mein Herz mir sagt“ heißen – unplugged, nur (deutscher) Gesang und Gitarre. Damit möchte Philipp Kersting deutschlandweit touren: „Das ist kein Schlager, aber ein bisschen Country, melodramatisch, poppig, rockig, Seelenstreichler-Musik mit Texten zum Nachdenken. Mir kommt es darauf an, was man zwischen den Zeilen hört oder fühlt. Der Text ist mir sehr wichtig, aber das funktioniert auch über die Musik. Gottseidank habe ich das Talent Musik zu komponieren, die nach dem ersten Hören gleich im Ohr bleibt.“
Kein Wunder also, dass sich Philipp Kersting auf die Zukunft freut: „Ich kann noch so viel ausprobieren! Denn ich würde nie nur eine Sache machen wollen – nicht einmal nur meine eigene Musik. Dann würde mir etwas fehlen, die Musik anderer Leute nachzuspielen etwa oder Kindern zu zeigen, welches Talent in ihnen steckt. Daher wäre ich auch nicht enttäuscht, wenn meine Platte nicht funktionieren würde. Aber vielleicht schaffe ich ja mit meiner eigenen Musik das, was ich mit dem Lachen schaffe: Dass die Leute voll bei mir und meinen Songs sind.“

Autor:

Roland Römer aus Hattingen

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