Der Tod aus dem Meer

Kämpfen gegen die Müllberge im Meer und schenken verölten Seevögeln ein neues Leben: Tanja und Sascha Regmann. WB-Foto: B. W. Pleuser
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Seevögel sterben mit einem vollen Plastik-Magen. Meereschildkröten verenden, weil sie umherdümpelnde Plastiktüten für ihre Quallen-Lieblingsspeise halten. In achtlos zurückgelassenen, zerrissenen Fischernetzen verfangen sich Robben, Fische, Wale und Delfine, die qualvoll zugrunde gehen.

Sascha und Tanja Regmann vom Herner „Project Blue Sea“ finden, dass „Müll im Meer uns alle angeht, denn schließlich ist es unser Müll“. Sie wollen uns aufrütteln. Schließlich ist allein der Plastikmüllstrudel im Nordpazifik mit den Ausmaßen Zentraleuropas so bedrohlich, dass er es bis in die Belletristik geschafft hat. Yann Martel beschreibt ihn eindrucksvoll in seinem Roman „Schiffbruch mit Tiger“.
Die Geschwister Regmann treiben ein ehrgeiziges Projekt voran: Sie wollen die weltweit größte digitale „Müllpinnwand“ erschaffen, die aufzeigt, an welchen Küsten wann und wieviel Müll vorkommt. Also sind sie und ihr Team aus etwa zehn Aktiven und rund 100 Förderern auf Hilfe angewiesen: Wer Bilder von vermüllten Stränden, Buchten, Häfen, Flüssen und Kanälen gemacht hat, schickt sie bitte in großer Auflösung an info@projectbluesea.de, Stichwort „Müllpinnwand“.
Sascha und Tanja Regmann sammeln den Meeres-Müll aber nicht nur elektronisch, sondern buchstäblich per Hand: „Das ,Project Blue Sea‘ hat kürzlich am Eider-Sperrwerk in Nordfriesland ein knapp drei Kilometer langes Deichstück gesäubert. Das Ergebnis: Zwei VW-Bullis voll mit unzähligen Schraubverschlüssen, Feuerzeugen, Bleischrot-Patronenhülsen, Plastik-Tuben und Kunststoff-Pellets sowie sonstigen Zivilisations-Rückständen“, zählt Tanja Regmann auf. „Schon merkwürdig, wenn einem auch leere Fischdosen aus dem Meer entgegenschwimmen. Man hätte lebende Fische erwartet.“
Die nächste WochenendSammelaktion plant die Herner Gruppe im März auf der Insel Texel.
Was sind das für Menschen, die ihre Freizeit und ihre Urlaube dafür opfern, die zunehmende Verschmutzung der Weltmeere in unserem Bewusstsein zu verankern? Sascha Regmannn (41) ist gelernter Rundfunk- und Fernsehtechniker, arbeitet inzwischen als Hausmeister in einer KiTa und halbtags hauptberuflich für das „Project Blue Sea“. Das sei nur dank eines Sponsors möglich, erklärt er. Die Unterstützung kommt vom Verein „Euro- päischer Tier- und Naturschutz (ETN)“.
Tanja Regmann (37), für ihren Einsatz bei der Rettung von Seevögeln gerade mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet, ist Erzieherin und leitet das Jugendhaus in Raesfeld-Erle. Selbst „hartgesottene“ Jugendliche habe sie dort für den Tierschutz sensibilisiert. „Die haben eigentlich eine große Klappe. Aber wenn sie dann zum Beispiel einen verletzten Vogel füttern dürfen, werden sie plötzlich ganz sanft.“
Das international vernetzte „Project Blue Sea“ gibt es seit dem Jahr 2000, aber angefangen hat alles schon 1998 mit der Ölpest vor Amrum. Aus einem Riss des Frachters „Pallas“ liefen 60 Tonnen Schweröl aus. „Wir sind mit einem halben Dutzend Leuten hingefahren“, berichtet Tanja Regmann lächelnd, „im Gepäck Schüppen, Eimer und Winterjacken. Und dann durften wir gar nicht an den Strand, weil wir sonst das Schweröl im Sand festgetrampelt hätten. Wir haben dann aber gelernt,Vögel zu fangen und zu versorgen und die Tierärzte unterstützt.“
„Heute ist Tanja in Deutschland diejenige, die verölte Seevögel am bes-ten waschen kann“, spinnt Sascha den Faden der stetig wachsenden Erfahrung weiter. „Und das ist gar nicht so leicht“, ergänzt seine Schwester: „Man braucht den passenden Zusatz im Wasser, muss das professionelle Abduschen beherrschen und eine Temperatur von 39 bis 40 Grad gewährleisten. Außerdem darf das verwendete Wasser nur wenig Kalk enthalten. Der gesamte Prozess des Säuberns und der Rehabilitation dauert je nach Verschmutzungsgrad und Vogelart zwischen zwei bis vier Wochen.“
Auf diese Art hat Tanja Regmann bislang Tausenden von Vögeln das Leben gerettet. „Im Durchschnitt sind es 50 bis 80 Prozent, die durchkommen.“ Zu den „Patienten“ können auch schon mal mit Pommesfett verölte Vögel aus dem Rhein gehören.
Sascha ist während eines Einsatzes zuständig für den Aufbau der Station, damit die Säuberungs-Aktion überhaupt stattfinden kann. Über Weihnachten ist zum Glück nichts passiert. „Da hatten wir Rufbereitschaft.“

Wer sich für das „Project Blue Sea“ interessiert oder mitmachen möchte, kann sich hier gerne informieren oder Kontakt knüpfen: www.projectbluesea.de; 02323/96 40 960 oder 0163/3702230.

Autor:

Bernhard W. Pleuser aus Essen-Kettwig

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