Vortrag von Dr. Gregor Gysi in Iserlohn
"Der Mittelstand bezahlt Deutschland"

Dr. Gregor Gysi bei seinem Vortrag. Foto Bernhard Moll
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ISERLOHN. Der Märkische Arbeitgeberverband (MAV) hat am Dienstag, 5. Oktober, seine Jahreshauptversammlung durchgeführt. Im Anschluss an die Mitgliederversammlung war zu einem Vortrag von Dr. Gregor Gysi (MdB) eingeladen worden. MAV-Vorsitzender Horst-Werner Maier-Hunke skizzierte eingangs aktuelle Herausforderungen der heimischen Industrie.

Bekanntes Gesicht der Berliner Politik

Corona-bedingt musste der gewohnte „große“ Verbandstag des MAV auch in diesem Jahr ausfallen. Man hatte im Vorfeld entschieden, in der Schauburg Iserlohn die Mitgliederversammlung des Vereins durchzuführen und anschließend nur eine kleine Zahl von Gästen zusätzlich einzuladen. Rund 150 Teilnehmer bekamen so Gelegenheit, einem politischen Vortrag von Dr. Gregor-Gysi zuzuhören. Als Mitglied des Bundestags und langjähriger Fraktionsvorsitzender der Partei PDS bzw. DIE LINKE ist Dr. Gysi eines der bekanntesten Gesichter der Berliner Politik. Bei der Bundestagswahl hatte er kurz zuvor seinen Wahlkreis gewonnen und dazu beigetragen, dass DIE LINKE wieder im Bundestag vertreten ist.

„Ein typischer Gast bei Arbeitgeberveranstaltungen sind Sie, Herr Dr. Gysi, vielleicht nicht“, vermutete Horst-Werner Maier-Hunke bei der Begrüßung. „Aber genau das reizt uns heute Abend. Unternehmer sind offen dafür, sich mit unterschiedlichen Positionen auseinanderzusetzen.“

Gegen soziale Ungerechtigkeit

Dr. Gregor Gysi begann seinen Vortrag mit Analysen zur Bundestagswahl, in denen er auch seiner eigenen Partei keine Kritik ersparte. Anschließend sprach er sich gegen Diktaturen, Antisemitismus und gegen soziale Ungerechtigkeit in Deutschland aus. Alle Deutschen mit Erwerbseinkommen sollten in die Rentenversicherung einzahlen.

„Eine aktuelle Herausforderung für unser Land ist außerdem die Digitalisierung", so der eloquente Gast des MAV. In Uganda sei das Mobilfunknetz besser als in Deutschland. Im Hinblick auf Arbeit im Homeoffice warnt er vor Vereinzelung der Arbeitnehmer.

Den anwesenden Unternehmern erläuterte Dr. Gysi außerdem seine Idee, Lohnnebenkosten durch eine Wertschöpfungsabgabe zu ersetzen. „Der Mittelstand bezahlt Deutschland", unterstrich er. Augenzwinkernd schlug er dem Mittelstand ein Bündnis mit der Linken gegen die Konzerne vor.

MAV-Vorsitzender Maier-Hunke überreichte dem Gast aus Berlin zum Dank für sein Kommen anschließend eine Flasche Wein und ein Buch, das im Titel die Frage stellt „Was ist so schlimm am Kapitalismus?“. „Vielleicht denken Sie bei der Lektüre an uns und daran, dass zumindest die Soziale Marktwirtschaft nicht so schlimm sein kann, wenn sie einen Abend wie heute möglich macht“, so Maier-Hunke.

Politik braucht aktives Gestalten

Vor dem Gysi-Vortrag hatte der MAV-Vorsitzende die Gelegenheit genutzt, einen Appell Richtung Berlin zu formulieren: „Wir erwarten, dass die Politik nun endlich wieder vom Krisenmodus in aktives Gestalten übergeht. Wir erwarten natürlich auch, dass den Unternehmern nach der Corona-Krise keine Steine in den Weg zurück nach oben gelegt werden. Und dass Themen wie eine lückenlose Mobilfunk- und Internetversorgung auf internationalem Niveau endlich angegangen werden.“

Maier-Hunke skizzierte kenntnisreich die großen Herausforderungen, vor denen der Mittelstand der Region steht: die auch von Dr. Gysi angesprochene Digitalisierung, die Mobilitätswende, ein ausgewogener Klimaschutz und ein scharfer internationaler Wettbewerb. „Das alles wird uns in den kommenden Jahren fordern“, blickte der MAV-Vorsitzende voraus. „Wir brauchen außerdem dringend eine Rentenreform und eine gelenkte Zuwanderung, um dem Fachkräftemangel auf dem Arbeitsmarkt entgegenzuwirken.“

Digitalisierungs- und Mobilitätskonzepte der Zukunft seien nutzlos, wenn sie nur in der Berliner Politikblase entwickelt würden, mahnte Maier-Hunke. „Sie müssen sich auch in einer Region wie unserer beweisen, hier entscheidet sich die Zukunft Deutschlands“, so der MAV-Vorsitzende. „Der Mittelstand ist dabei der entscheidende Akteur.“

Autor:

Andrea Rosenthal aus Mülheim an der Ruhr

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