Veteranentreffen am Samstag bei Puppa
Letzte Zugfahrt mit dem „Western Express“

Wolfgang Conrad von Remember Modern Concerts lädt zum Erinnerungstreffen an den "Western Express" ein.
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Von Wolfgang Conrad

„Ich war der erste“, erzählt Eddy Zollna stolz. „Der erste, der seinen Fuß über die Schwelle gesetzt hat.“ Man schrieb den 21. Februar 1968, einen Mittwoch. In dem schon leicht abgewrackten Gebäude einer früheren Wäscherei hinter der Klever Stadthalle eröffnete die erste richtige Disco der Stadt. Obwohl er keine drei Jahre lang bestand, ist der „Western Express“ an der Wasserstraße nicht nur dem damals 15jährigen Eddy im Gedächtnis geblieben.
Am 14. März kommen die Veteranen der niederrheinischen Popkultur wieder zusammen und tauschen sich über ihre Erinnerungen aus – unter ihnen überraschend auch einiges an lokaler Prominenz.
Dass eine ganze Generation den „Western“ auch nach einem halben Jahrhundert noch kennt, ist bei näherem Hinsehen kein Wunder: Der neue Schuppen in der Unterstadt wurde zum ersten Fixpunkt einer neuen Jugend-Subkultur. Seit einigen Jahren schon trafen sich die niederrheinischen Freunde der Pop-, Beat- und Rockmusik zu Live-Veranstaltungen etlicher örtlicher Bands, oft inspiriert von Vorbildern aus dem größeren und moderneren Nimwegen. Jetzt, mit einer echten Disco, entwickelte sich eine „Szene“ – Jugendliche, die sich täglich ohne Veranstalter und ohne erwachsene Aufsicht trafen und nur die Musik hörten, die ihnen gefiel.

Geld hatte das Publikum wenig bis keines

Die neuartige „Tanz-Wirtschaft“, von der die zeitgenössische Presse schrieb, sprach vor allem die Jahrgänge zwischen 1950 und 1955 an, Teenager, die gerade erst begannen, sich elterlicher Kontrolle zu entziehen. Es war die Zeit der Hippies, der Amsterdamer Provos, der rebellierenden Studenten in Berkeley, Paris und Berlin. Bei den Jungen wuchsen die Haare allmählich über die Ohren, die Mädchenv scheitelten sich den Schopf in der Mitte zur „Madonnenfrisur“. Jeans, von den Eltern „Nietenhosen“genannt, wurden zur ersten Individualisten-Uniform. Ständige Treffpunkte für sie gab es noch nicht. Im einzigen Klever Tanzcafé auf der Hoffmannallee trafen sich reifere Jahrgänge. Ohne Schlips und Kleidchen war hier nichts zu machen.
Ihren „Western Express“ hatten die Kellener Eheleute Driever, die das Lokal betrieben, wie einen Eisenbahnzug in der Prairie ausgestattet – passend zum Fernweh und zur Amerika-Begeisterung der Zeit. Gesessen wurde auf den klassischen Kunstlederbänken der Deutschen Bundesbahn. Das Wochenprogramm hieß „Fahrplan“. Unter der Leuchtschrift an der Fassade stand beziehungsreich „Station Cleveland“.
Nach Eddy, dem ersten, kam bald das ganze junge Kleve – nicht zuletzt, weil der „Western“ bald auch mittags schon öffnete. Geld hatte das Publikum wenig bis keines. Der Eintritt war frei – anders als bei Live-Konzerten der Klever Bands, für die das Taschengeld oft nicht reichte. Reich wurden Drievers nicht mit dem „Western“. „Wenn der Kellner kam, habe ich mich immer versteckt“, bekennt Eddy Zollna. Cola und Bier verkaufen war der Job von Urgestein Ralf Vowe, der ebenfalls zum Treffen kommen will – bei dem Ausweichverhalten kein leichtes Spiel. „Jedenfalls habe ich beinahe meine ganze Freizeit da verbracht“, erinnert sich Vowe.
Immer voller wurde die Bude. Aufgelegt wurde meistens die populäre Hitparade der Woche, die man bis dato nur am Transistorradio hatte hören können – Rock, Beat, auch Schlager. Aus den Boxen dröhnte Peter Maffay mit „Du-hu-hu“. „Schlager war aber eher die Ausnahme“, erinnert sich Eddy. „Hauptsächlich lief Mainstream, in der ersten Zeit auch Soul.“ Barry Masons Hit „Rowbottom Square“ wurde zur Kneipenhymne umgedichtet und begeistert mitgesungen. Am Plattenteller stand Helmut Schreiner, der später als Konzertveranstalter bekannt wurde. War er verhindert sprang ein Gelegenheits-DJ ein, der seine Popularität später gut zu nutzen wusste: Theo Brauer.
Bekannte Bands traten auf – „The Magicians“ und „The Starfighters“. Stars von außerhalb waren eher die Ausnahme: Einmal kam ein gewisser „Bobby Ofarim“, der sich allerdings als Hochstapler entpuppte, dann ein Schlagersternchen namens „Teeny“. Jan-Welm Biermann spielte damals für die „Barons“ und freut sich auf das Wiedersehen. „Im Western zu spielen hat richtig Spaß gemacht“, sagt er.

Ende 1970 war endgültig Schluss

Noch vor der Musik war das je andere Geschlecht die größte Attraktion der Disco. „Mich interessierten nur die Ladys“, erzählt ein Lehrling von damals, „aber Erfolg hatte ich erst später“. Gaby Brandenburg, heute in der zweiten Hälfte der Sechzig: „Hier habe ich meinen Mann Elmar kennengelernt.“ Manches Pärchen blieb tatsächlich Jahrzehnte zusammen. Zum Knutschen war es dunkel genug, Erwachsene wurden kaum gesichtet. Wenige dachten daran, dass das auch ein Problem werden könnte. Im Jahr nach der Eröffnung wurde bekannt, dass ausgerechnet der Geschäftsführer des „Western“, in Kleve als vierschrötige Figur bekannt, ganz jungen Mädchen nachstellte und dabei sogar gewalttätig wurde. Nach einer versuchten Vergewaltigung wurde der damals 27-Jährige zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Der Vorfall ruinierte den Ruf des „Western“. Noch ein Jahr hielt das Lokal unter neuer Leitung durch; Ende 1970 war endgültig Schluss..
Das Interesse am Veteranentreffen beweist, dass die angenehmen Erinnerungen bei weitem überwiegen. Der historische Ort steht nicht mehr zur Verfügung: Das Gebäude wurde schon 1971 abgerissen, und so müssen die angegrauten Damen und Herren in den Tanzpalast Bresserberg ausweichen. Durch den Abend - mit Musik, Filmchen und Tratsch - führt wie damals im „Western“ – Theo Brauer. Wie damals wird auch bei der Jubiläums-Sause am übernächsten Samstag der Eintritt frei sein. Dafür geht aber der Hut rum; die Kollekte soll für einen karitativen Zweck sein.
Anders als damals Karten gibt es unter Telefon 0282148864.

Wolfgang Conrad von Remember Modern Concerts lädt zum Erinnerungstreffen an den "Western Express" ein.
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Lokalkompass Kleve aus Kleve

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